FSK-18 Weidenkätzchen
#4
Das ganze Haus roch muffig. Wie nasse Wollkleidung die man im Winter über den Ofen legte, damit sie trocknete. Es gab der Luft im Raum eine gewisse Note und da es sich um Grabmoos handelte lag noch ein ganz anderer süßlicher Duft über dem Haus. Mit einem ganzen Korb voll des feuchten Mooses kam sie heute nach Hause. Eigentlich auf der suche nach Zuckerrüben, fand sie einen kleinen, frischen Teppich des Mooses in Ravinsthal. Wie könnte sie es stehen lassen?
Khiri mochte keine Gelehrte oder Alchimistin sein, doch wenn sie sich mich mit etwas auskannte dann mit den Pflanzen, Kräutern, Pilzen und Bäumen der amrhanischen Wälder. Jahrelang hatte Meister Winterbach sie darin unterrichtet. Sie hatte Pflanzen auf dem Papier kennen gelernt, die sie nie zu vor in ihrem Leben in der Juretai zu Gesicht bekam. Umso überraschter war sie damals gewesen, als sie zum ersten mal den Südwald betrat, alles genauso zu vorzufinden, wie er es ihr eingetrichtert hatte. Da waren Bäume die den Horizont verschluckten, in Bodennähe wuchs verschiedenstes, glitzerndes Moos über ihre Wurzeln. Gleich darunter versteckten sich eine Vielzahl interessantester Pilze und wenn man diese nun so vor der Nase hatte, erschlug einen die schiere Vielfalt ein wenig. Natürlich konnte sie einen Egerling von einem Schwefelkopf unterscheiden... und doch wollte sie auch den giftigen Pilz mit sich nehmen. Das war die Neugier einer Fremden in einem neuen Land. Khiri kannte die Wirkung der meisten Kräuter und Pflanzen die hier wuchsen. Sie wusste sie vorzubereiten, sodass Meister Winterbach nicht mehr hacken, trocknen, destillieren und mahlen musste...
Nun würde es Alden sein, dem sie diese lästige Arbeit ersparen würde.  
Und so machte sie sich am Abend daran die Küche in das Schlachtfeld einer Kräuterhexe zu verwandeln. Hätte die Jurin den Mut gehabt sich aus dem Badehaus eine Wäscheklammer zu stibizen - sie stand zwanzig Minuten vor dem Haus, nervös auf- und abgehend, ehe sie diese Idee als Blödsinn verwarf - hätte sie nun nicht derartig gelitten. Es war eine Sache gewesen, als das Moos über einem Kessel auszuwringen und die Flüssigkeit zu einem dicken Sud einzukochen. Dies hinterließ eine leicht gammlige Note, die ihr immer wieder in die Nase stieg. Doch es war zu ertragen. Sie würde dringend baden müssen, nach all dem.
Der Sud wurde in eine kleinere Glasflasche abgefüllt und bei Seite gestellt. Es würde abkühlen müssen, ehe sie sie zukorken konnte. Und nun war das Moos selbst dran.
Moose hatten Khiri immer fasziniert. In der Steppe gab es sie ebenso. Doch dort zeigte es sich meist als feste, trockene Platten auf dem sandigen Boden. Nicht sonderlich interessant.
Ihre schlanken Finger pflückten ein Stück ab und sie betrachtete es ganz genau. So dicht vor die Nase gehalten, sah so ein Stück Moos selbst aus wie ein kleiner Wald. Es gab dort drinnen so viele winzige, interessante Einzelheiten zu entdecken und es glitzerte dank der Nässe so hübsch im Kerzenschein. Khiri musste zusammen nehmen. Am liebsten hätte sie ewig hier gesessen und sich dieses kleine Wunder angeschaut. Doch würde Alden sicher bald heim kommen und sie wollte bis dahin fertig sein. Sie erlaubte sich keine Trödeleien. Nur Kinder trödeln und selbst bei denen sieht man das nicht gern. Also ging die Arbeit weiter. Sie zerrupfte die kleinen grünen Kunstwerke der Natur und verteilte sie auf einem großen Buchenbrett. Danach kam ein zweites Brett darüber und das ganze wurde zum trocknen auf den angefeuerten Ofen gelegt. Um die Jurin herum lag eine Duftwolke süßlicher Verwesung. Nun roch sie auch noch wie eine Kräuterhexe. Und ihre Küche gleich dazu. Sie öffnete die Fensterläden und die Laternen der Bogengasse warfen orangenes Licht auf ihr Gesicht. Nun hieß es auf etwas Wind zu hoffen, der den Geruch mit sich hinaus in die Welt tragen würde.
Der Sud war abgekühlt, wurde ordentlich verkorkt, die Flasche beschriftet und hinab zu Aldens Arbeitsplatz gestellt. Dort wo auch die Bündel frischen Salbeis und die Handvoll Gnadenkrautwurzeln lagen, welche sie noch vor der Stadt gefunden hatte. Ob er sich darüber freuen würde? Oder mochte er all die Reagenzien lieber selbst vorbereiten. Nun spätestens morgen würde sie es herausfinden.

Mit Handtuch und ihrer Kernseife bewaffnet ging sie hinab ins Badehaus, während das Moos vor sich her trocknete. Es war Zeit den schimmligen Gestank von ihrer Haut und aus ihren Haaren zu waschen.
Die Sonne war schon vor einer Weile untergegangen und so lag das Waschhaus leer da. Das Wasser in den Becken hatte sich merklich abgekühlt. Und so setzte sie einen Kessel zum kochen auf und wartete eine Weile, ehe sie sich von ihrem Sommerkleid befreite und in das Becken stieg. Bis zum Kinn tauchte sie in das warme Wasser. Eine Gänsehaut überzog ihren Körper ob des plötzlichen Temparaturwechsels und sie genoss das sanfte Kribbeln auf ihrer bronzenen Haut. Zehn Minuten des Nichtstuns würde sie sich gönnen. Kurz nur die Augen schließen und genießen. Und schon gingen ihre Gedanken auf reisen. Ein zartes Seufzen quälte sich zwischen ihren Lippen hervor. Hätte Hohenquell doch nur ein Badehaus gehabt. Es hatte seine Vorzüge im kalten Bach zu baden, wenn es richtig heiß war. Doch an einem Tag wie diesen gab es nichts schöneres als sich in heißem Wasser aufzuweichen. Es zog leicht an ihren Oberschenkeln. Ein Muskelkater kündigte sich an. Und er würde kommen, selbst wenn sie Stunden hier im warmen Wasser sitzen würde. Ihre Gedanken kreisten weiter zu dem Mann der heute Abend wieder nicht zuhause war. Sollte sie warten bis er zuhause war? Oder sollte sie müde von dem Bad einfach ins Bett und hoffen morgen neben ihm aufzuwachen? Sie wollte zu sehr in seinen Armen einschlafen. Also würde sie sich wachhalten müssen...
Ganz rot war ihre Haut, nachdem sie sie kräftig sauber geschrubbt hatte. Aus einem Tiegel nahm sie etwas der duftenden Lavendelsalbe und rieb ihren ganzen Körper damit ein. Es linderte die Rötung und gab der dunklen Haut einen ganz besonderen Glanz, machte sie samtweich. Für ihn... dachte sie sich und lächelte glücklich in sich hinein.

Wieder zuhaus, war das Moos immer noch etwas feucht, also feuerte sie den Ofen an. Die Nächte wurden sowieso immer kälter. Sie setzte sich wieder an den Küchentisch und räumte all die Reste des Mooses weg, wischte einmal über die Platte. Dann goss sie sich ein Glas Weißwein ein, lehnte sich zurück, legte gar ihre Beine locker auf der Tischplatte ab und starrte aus dem Fenster zum Himmel auf. Es konnte nicht mehr so lang dauern. Die Mitternacht kam mit zügigen Schritten näher und der Wein stieg ihr zu Kopf, ließ die Zeit schneller vergehen... und verstärkte die vom heißen Bad eh schon hervorgelockte Müdigkeit. Sie schlief auf dem Stuhl ein, anstatt in den Armen ihres Liebsten. Der Tag hatte seinen Tribut gefordert... und setzte sich in ihren Träumen fort...
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Weidenkätzchen - von Khiri - 20.04.2018, 19:42
RE: Weidenkätzchen - von Khiri - 05.05.2018, 12:24
RE: Weidenkätzchen - von Khiri - 08.09.2018, 13:19
RE: Weidenkätzchen - von Khiri - 12.09.2018, 09:11



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