FSK-18 Zu den Wurzeln zurück
#4
Träume...

Es gab Menschen denen war es vergönnt Abends ins Bett zu gehen, einzuschlafen, neue Energie zu tanken und am nächsten morgen frisch erholt aufzustehen und den Tag zu beginnen. Elda war keiner dieser Menschen. Sie war noch nie ein guter Schläfer gewesen und mit den Jahren wurde es schlimmer. Der Alkohol hatte ihr eine Zeit lang geholfen. Das war Jahre her. irgendwann wurden es die wildesten Kräutermischungen und schlussendlich gänzlich betäubendes Laudanum. Nikolaj war es gewesen der ihr damals, nach einer sehr unruhigen Nacht, das erste Fläschchen schenkte. Alle weiteren musste sie bezahlen, wie jeder andere auch. Es war der Anfang vom Ende gewesen und es gab nur wenige Nächte in denen sie ohne vernebelten Geist einen erholsamen, traumlosen Schlaf geniessen konnte. In solchen Nächten hatte ein Mann neben ihr gelegen. Genau wie in dieser Nacht. Sie öffnete müde ihre Augen, dabei war sie doch gerade erst eingeschlafen? Vor sich sah sie einen blonden Haarschopf auf einem weichen Daunenkissen gebettet. In einer liebevollen Art die ihr völlig natürlich schien und in diesem Moment angebracht, schmiegte sie ihren Körper an den Rücken des Mannes neben ihr und schlang ihren Arm um ihn. Die flache Hand lag über seinem Herzen und sie spürte jeden einzelnen starken Schlag in seiner Brust. Schlaftrunken drehte er sich zu ihr um. "Konstantin" seufzte sie voll verzweifelter Sehnsucht, dass ihr das Wort gar aus dem Traum glitt und sie es an die Brust des Mannes murmelte in dessen Armen sie gerade tatsächlich lag. Und es ging ihr durch den ganzen Körper. So lange hatte sie ihn schon nicht mehr gesehen. Sein Gesicht nur noch eine verschwommene Erinnerung und doch war alles so echt. Es gab eine Zeit, eine lange Zeit in der sie ihn einfach nicht loslassen konnte. Und dann besuchte er ihre Träume immer seltener. Das Gefühl von Verlust blieb all die Jahre. Und nun war er wieder hier. Er roch nach Konstantin. Diese herbe, wilde Note. Er fühlte sich an wie Konstantin. Er war immer ein bisschen zu warm gewesen, als würde in ihm ein stetes, ungesundes Feuer brennen. Und da waren diese Augen. Blau wie Damaststahl und sie verlor sich darin.
"Du bist nicht wieder zurück gekommen" Jedes mal die selben verletzten Worte und sie kannte die Antwort schon. Sie wusste wie das hier ausgehen würde. 
"Aber ich bin doch hier." antwortete er perplex als wäre er nie wirklich weg gewesen und all die Jahre ohne ihn waren in Wirklichkeit der böse Traum. 

"Bleibst du hier? Für immer?"
"Solange du mich hier haben willst Elda."
"Versprichst du es?"
"Ich kann nichts versprechen. Es liegt allein in deinen Händen..." Es gab keine weiteren Worte. Beide verloren sich in einem Kuss der die Zeit still stehen ließ und ihre Körper wurden Eins. Sie hatte ihre zweite Hälfte wieder. Sie war komplett. Der Riss in ihrem Herzen wieder geheilt. Sie war wieder das junge Mädchen aus dem alten Hafen. Das Mädchen, das ihre Tage im Wachmann verbracht und mehr oder minder liebevoll Püppchen genannt wurde. Konstantin zu berühren und seine Lippen auf ihrer Haut zu fühlen war eine grausame Art der Erinnerung. Eine Mischung aus Qual und Ekstase. Sie wusste ganz genau wie unecht dies alles war. Sie öffnete die Augen und sein blondes, strubbeliges Haar war blutgetränkt. Sein Körper lag leblos auf ihr und die eben noch blitzenden blauen Augen plötzlich stumpf und leblos. Sie versuchte sich verzweifelt von dem Leichnam zu befreien, während die Zeit immer schneller voran schritt. Sein Fleisch verfiel und seine Haut spannte sich wie brökeliges Pergament um seine Knochen. Sie schnappte nach Luft, drohte an der wachsenden Panik zu ersticken und wurde aus dem Schlaf geschleudert.


Elda schreckte auf. Immer noch mit einem Bein in der nebeligen Welt der Träume, wischte sie sich die Tränen aus dem Gesicht und versuchte wieder zu Atem zu kommen. Starke, breite Arme umschlossen ihren zitternden Leib wie einen schützenden Käfig. Sie war nicht in der Lage irgendetwas zu sagen. Sie war nicht einmal in der Lage zu ihm aufzusehen. Sie zog die Beine wieder fest an ihren Körper, umschloss sie mit ihren Armen und kniff die Augen zu. Die Hoffnung auf einen traumlosen Schlaf am Rande ihres Bewusstseins.

Erst war dort Dunkelheit. Dann spürte sie wie ihre nackten Füsse über feuchtes, weiches Moos und Laub traten. Dann kam das Sonnenlicht. Es war viele Lichtpunkte auf den Waldboden, als es durch das Blätterdach des Birkenwäldchens schien, welches sich ihr nun offenbarte. In ihrer Brust manifestierte sich der unbedingte Drang zu laufen so schnell ihre Beine es ihr erlaubten und so setzte sie an und begann zu rennen. Sie flitzte durch das Unterholz, sprang wie ein junges Reh über umgefallene Birkenstämme und Erdlöcher. Und es erschöpfte sie kein bisschen. Die Luft um sie herum pulsierte voller Energie und Leben. Es war wie ein Bad in frischem, kühlen Quellwasser. Sie konnte nicht genug davon bekommen. Dann sah sie einen Raben der über ihren Kopf hinweg flog. Er glitt hinauf in die Baumwipfel und tauchte ein paar Schritt weiter vorn wieder auf. Die Flügel wurden auf ihre volle länge ausgespannt und Elda konnte aufholen. Sie lächelte als sie dem Vogel in die Augen sah und erkannte wer dort mit ihr flog. Und wenig später hörte sie weitere Geräusche neben sich. Hufschläge, die in jeder anderen Umgebung gedonnert hätten wie Taranis Zorn, wurden hier vom weichen Untergrund gedämpft. Ohne an Tempo zu verlieren, kamen sie sich immer näher und Elda griff gekonnt in die schwarze Mähne des Hengstes und zog sich auf den sattellosen Rücken des Tieres. Gemeinsam mit dem Raben über ihnen preschten sie voran und brachen durch die letzte Reihe von Bäumen, welche die Grenze des Wäldchens anzeigten. Vor ihnen lag eine Weide, die sich in sanften Hügeln in die ferne erstreckte und nur von der Silhouette einer Siedlung unterbrochen wurde. Elda erwartete die Holzhütten ihrer Sippe vorzufinden. Schließlich war sie zuhause. Sie war auf Prenne. Doch je näher sie der Siedlung kamen, desto deutlicher wurden aus den Hütten Zelte. Jurische Zelte. Und plötzlich, als hätte jemand einen Schleier der Illusion gelüftet brannten die Zelte lichterloh. Die Flammen zischten und knisterten, wärend sie sich durch dicken Stoff und Häute frass. Sie hörte das Knacken der Holzstreben, wie sie unter der Hitze brachen. Und etwas Schrie lauter als es eine menschliche Stimme jemals könnte. Die Stille. Sie hatte das ängstliche Rufen von menschen in der Siedlung erwartet. Schreie von Kindern, die ihre Mütter suchten und andersherum. Doch es war keine Menschenseele dort. Die zelte waren verlassen gewesen. Elda konnte nichts anderes tun als dazustehen und ohnmächtig dabei zuzusehen. Saresh trat an ihre Seite und sah sie mit Anklage und Enttäuschung in seinen Augen an. Vishaya war an ihrer anderen Seite. Der selbe Blick. Es brauchte keine Worte. Dann kam ein Knall und noch einer.... und noch einer. Und sie hörte das bekannte, ominöse Pfeifen als Kanonenkugeln die Luft zerschnitten. Überall war Erde, Staub, Stein und Blut als die Geschosse alles in ihrer Bahn zerfetzten und Zerstörung über die Szenerie brachten. Elda machte sich so klein wie sie nur kannte und rief die Namen der Einundzwanzig flehend aus. Doch die Götter kannten keine Gnade. Unaufhaltsam fuhr die Vernichtung ihrer Traumwelt fort und sie lag mittendrin. Sie bat wimmernd um irgendeine Art von Erlösung... doch sie kam nicht.

Ihr Körper zitterte unaufhörlich und sie wand sich in der Umarmung des Mannes neben ihr. Immer mal wieder schlüpfte ein Wort des Flehens über ihre Lippen, doch schien der Traum sie eisern in seinem Griff zu halten. Sie vergrub ihr Gesicht, feucht von Tränen und Schweiß, an seiner Brust und ihre Arme suchten irgendeine Art von Halt als sie sich förmlich an ihn krallte. Als wäre er der letzte Anker der sie noch in der echten, realen Welt hielt und ihr zeigte dass Träume vergehen werden, suchten ihre Hände unaufhörlich Halt und schlossen sich um den breiten Oberkörper, während sie immer wieder atemlos unzusammenhängende Wortfetzen von sich gab... und so ging es die ganze Nacht. Irgendwann entließ sie der Traum aus seiner grausamen Umarmung. Doch nur um dem nächsten Alb platz zu machen...
'Cause it's all in the heat of the moment
It's all in the pain
So give in to the heat of the moment
Give in to the pain...


Deadhead - Devin Townsend


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Zu den Wurzeln zurück - von Elda Abendroth - 04.02.2018, 16:55
RE: Zu den Wurzeln zurück - von Elda Abendroth - 18.02.2018, 01:27
RE: Zu den Wurzeln zurück - von Elda Abendroth - 11.03.2018, 13:18
RE: Zu den Wurzeln zurück - von Elda Abendroth - 10.05.2018, 13:31
RE: Zu den Wurzeln zurück - von Elda Abendroth - 13.05.2018, 14:07
RE: Zu den Wurzeln zurück - von Elda Abendroth - 19.05.2018, 13:59
RE: Zu den Wurzeln zurück - von Elda Abendroth - 20.05.2018, 15:45
RE: Zu den Wurzeln zurück - von Elda Abendroth - 23.05.2018, 23:39



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