FSK-18 Portrait
#6
Du verbrennst dir die Finger, ich verbrenne mir die Finger.
Das macht keinen Unterschied mehr. Traurig allein, dass es für die Katz' ist.



Wenn es etwas gab, das sie an Löwenstein faszinierte und das nichts mit entsetzlichen Persönlichkeiten und menschenschluckenden Kanälen und Kanalisationen zutun hatte, dann waren es die Butzenscheibenfenster. Sie konnte nicht einmal sagen, warum genau sie so eine Behaglichkeit empfand, wann immer sie ihren Blick durch eben jene Scheiben hinaus auf die Marktstraße richtete - schließlich ging von diesem Ort seit sie das Haus bezogen hatte, vermutlich auch schon viel früher, wenn man dem historischen Teil der Gösselpost Glauben schenken durfte, nichts Gutes aus. Und trotzdem. Eine Tasse Tee, ein Buch - notfalls auch besagte Gösselpost - und ein Blick durch das dicke, gewölbte Glas genügte in den meisten Fällen, um ihr zumindest für einige Momente das Gefühl von Sicherheit zu vermitteln. So lange, bis sie sich wieder des Grundes für ihren Aufenthalt besann und sich, wie aus einem angeborenen Reflex heraus, den düsteren Zukunftsvisionen hingab, vor denen sie sich nicht einmal hinter den steinernen Gemäuern verkriechen konnte. Es hieß, ein alter Hund lerne keine neuen Kunststücke mehr, und ebenso wenig konnte sie bei sich selbst einen Lernprozess feststellen. Im Gegenteil - sie sah sich selbst dabei zu, wie sie wieder und wieder alten Mustern folgte, die weder zielführend noch logisch waren. Als würde sie von einem unsichtbaren Faden gezogen, den zu kappen sie sich auch nach Jahren nicht imstande sah. Und es war vollkommen egal, wie oft sie sich dieses Gedankenkonstrukt vor Augen führte, das Ergebnis blieb dasselbe. Am Ende fand man sie dort, wo Lawin war. So einfach war die Geschichte. So einfach und so hirnerweichend, dass es sie würgte, wann immer sie darüber nachdachte, aber ebenso unabänderlich. Hin und wieder, wenn er es fertig brachte, besonders garstig und widerlich zu sein, flammte der Kampfeswille in ihr auf - wie ein zahnloser Löwe mit lahmendem Fuß, der nach einem heiseren Fauchen wieder in komatösen Schlaf versank und den bereits die Aasfresser umkreisten. Er hatte seine hundert Schlachten bereits geschlagen, keine davon war siegreich gewesen. Und so fügte sie sich zuletzt, ebenso entkräftet und resigniert. Die letzte Möglichkeit, diesem erbärmlichen Zustand zu entgehen, wagte sie kaum in Betracht zu ziehen.
...Warum sollten die  Götter ihr jetzt noch helfen?

Löwenstein, 16. Hornung 1405
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Portrait - von Aluna Feline Herbstlaub - 26.01.2018, 10:39
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