FSK-18 Von der Holzfällerin zur Ritterin
#15
Die blonde Kriegerin saß auf ihrem Bett, das fahle Licht des Mondes, dass sich durch ihr Fenster ergoß schenkte ihr eine gespenstische Blässe. Sie sah aus dem Fenster hinauf zum Himmel. Es würde die längste Nacht des Jahres werden, der einundzwanzigste Tag des Julmondes. Sie stand auf und ging durch die Hütte. Aus der Kommode nahm sie ein Leder umwickeltes Bündel. Es verströmte schon sachte diesen süßlichen Geruch. Sie wusste was sich darin befand. Ein Paar Handschuhe und ein Bettlaken mit dem Zeugnis einer wilden Nacht. Blut getränkt an einer Stelle, von einer weißen Flüssigkeit verklebt an einer anderen. Sein Haar, gesammelt von eben jenem Laken. Es war alles bereit, alle erforderlichen Reagenzien hatten die Vatin und sie besorgt. Warum dieser Aufwand.. weil das Ritual es so wollte. Etwas vom Tod, Valyra sah auf sein Haar in ihrer Hand. Etwas von der Bedeckung, ihr Blick fiel auf seine Handschuhe. Etwas vom Inneren, nun sah sie auf den grau weißen Flecken auf dem Laken. Er würde seiner gerechten Strafe nicht entkommen.

Das Bündel wurde wieder gut verschnürt und über die Schulter geworfen. Dann trat sie hinaus in die kalte Nacht. Ihr Ziel war der Rabenhügel in Rabenstein. Die steife Brise zerrte an ihrer Kleidung, doch an diesem Abend störte die Kälte sie nicht. Auch die Geräusche die der Wind verursachte als er durch die kahlen Bäume fegte, ließen keinerlei Emotionen auf ihrem zarten jugendlichen Gesicht erscheinen. Die ebenmäßigen Züge wirkten noch immer als hätte der großartigste Steinmetz des Königreiches sie in Marmor gebannt. Kerzengerade war ihre Haltung, von Stolz und innerer Kälte gestärkt schritt sie, einer Königin gleich, über die die Pflastersteine der Straße. Als diese Puppe des Eises auf dem Rabenhügel eintraf kam die Vatin aus den Schatten der Runensteine. Die Druidin sprach kein Wort. Valyra hingegen nur sehr wenige "Ist die Zeit gekommen?" ein Nicken war ihre Antwort. Die Frauen suchten gemeinsam den großen Ritualplatz auf.

Die Druidin breitete alles benötigte um sie herum aus. Die Schale aus Bronze, das Blut des Opfertieres, die Molchaugen, eine Holzkiste und ein Glas mit einer klaren Flüssigkeit darin. Abschließend legt sie einige schwarze Bänder auf den Boden. Auf einem freien Flecken entzündeten sie ein Feuer. Die Vatin stellte eine bronzene Schale darüber. Auf den Felswänden zuckten die Spiele der Flammen während die Vatin das Blut des Opfertieres in die Schale gab. Dann folgten die Augen der Molche.

"Gib die persönlichen Dinge des Opfers hinzu." Sie sagte seinen Namen nicht, auch wenn sie befangen war. Dies hier war nicht der Kampf der Druidin und sie würde sich nicht einmischen. Sie war ihre Führerin, ein Licht dem Valyra durch die Dunkelheit folgen konnte. Die Haare rieselten in die Schale mit dem blubbernden Blut. Die blonde Soldatin schnitt den grauen Fleck aus dem Laken heraus, sein Inneres, das Zeugnis ihrer Schande. Zu guter letzt legte sie die Handschuhe in die köchelnde Masse.
Nachdem es getan war hob die Druidin ihre Arme gen Himmel, so dass ihr Handflächen zum Mond deuteten.
"Tu es mir gleich und sprich mir nach." Valyra hob die Arme über ihren Kopf und schloss die Augen wie die Druidin auch. Gemeinsam intonierten sie eine alte Bitte.

Midir in deinem Namen
deiner Macht zu dienen
deinen Namen zu rühmen
vor dir neige ich mich,
Dienerin deiner Herrlichkeit
auf Knien harre ich
deiner Macht Anteil zu nehmen
auf deinem Wind die Bilder zu tragen

Die Stimmen der Frauen verklangen in der Nacht. Ein weiteres Mal erhoben sie ihre Stimmen. Kräftiger als beim ersten Mal. Sicherer und mit stetig wachsender Inbrunst. Besonders Valyra gab sich mit jedem Wort mehr Mühe dem Flehen Ausdruck zu verleihen.

Midir in deinem Namen
deiner Macht zu dienen
deinen Namen zu rühmen
vor dir neige ich mich,
Dienerin deiner Herrlichkeit
auf Knien harre ich
deiner Macht Anteil zu nehmen
auf deinem Wind die Bilder zu tragen

Keine der beiden Frauen konnte sagen ob der Wind auffrischte weil es eine Laune des Wetters war oder ob man sie erhört hatte. So wiederholten sie die Anrufung ein drittes Mal. Gemeinsam formten ihre Stimmen wohlklingend die Bitte der Kriegerin und entließen die Worte in den Wind.

Midir in deinem Namen
deiner Macht zu dienen
deinen Namen zu rühmen
vor dir neige ich mich,
Dienerin deiner Herrlichkeit
auf Knien harre ich
deiner Macht Anteil zu nehmen
auf deinem Wind die Bilder zu tragen

Nahezu zeitgleich endeten die Frauen mit ihrem Gebet. Sie schlugen die  Augen auf und Anouk nahm die mitgebrachte Holzkiste. Die klare Flüssigkeit wurde darüber gegossen und mit ihrer freien Hand verrieb die Druidin diese Flüssigkeit. 
"Mit der mir gegebenen Kraft, weihe ich diese Kiste den allmächtigen Einundzwanzig." Dann stellt sie die Kiste ab und zieht ihren Ritualdolch aus der Scheide. Dreimal rührt sie blubbernde Bei artige Masse. Dann reicht sie den besudelten Dolch an Valyra weiter. 
"Ritze den Namen des Opfers auf den Boden der Kiste. Anschließend sprich ihn laut aus." Die Finger der Kriegerin umschließen den Griff des Dolches als sie nach einander die Buchstaben in den Boden der Kiste ritzt. 

L a w i n 
H e r b s t l a u b

"Lawin Herbstlaub." Wieder einmal, wie so oft in den letzten Tagen, schwingt in ihrer Stimme Kälte mit. Sie klingt klar und hell als würde ein Riss durch den höchsten Gletscher dringen. Doch auch düster. Vorsichtig umfasst die Druidin die Bronzeschale und gießt das Gemisch in die Kiste. Valyra kann nicht anders als zu Lächeln in dem Moment als das Blut die Buchstaben seines Namens rot färbt. Dann wird die Kiste mit den drei schwarzen Bändern umschlossen. Zwei um die lange Seite, links und rechts des Verschlusses. Eines um die kurze Seite. Die Druidin deutet auf eine Stelle nahe dem Altar.
"Dort solltest du die Kiste vergraben." Ohne zu zögern macht Valyra sich daran das gefrorene Erdreich mit bloßen Händen ab zu tragen. Die Kälte und Härte scheinen sie nicht zu beeindrucken. Im Gegenteil. Mit der Kraft und Ausdauer einer Besessenen arbeitet sie sich Fingerbreit um Fingerbreit in den Boden hinein. Dann endlich kann sie die Kiste hinab lassen ins Erdreich und sie mit der aufgewühlten Erde bedecken. Als sie die Erde festklopft, tut sie dies nicht mit grober Kraft, aber jedem ihrer Schläge haftet etwas Endgültiges an. Als auch dies vollbracht ist, kommt die Vatin näher. Sie nimmt den Ritualdolch und zieht einen Kreis in die frisch aufgewühlte Erde. Jede der Frauen findet ihre eigenen Worte zum Abschluss des Rituals.

"Träume süß heute Nacht, Lawin." sagt die Druidin leise.
"Träume mit mir, Lawin Herbstlaub." haucht die Kriegerin. 

Während die beiden Frauen den Ritualplatz hinter sich lassen, bröckelt eine Mauer in weiter weiter Ferne und doch so nah.
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Rache des kalten Herzens - von Valyra Eichenwald - 22.12.2017, 01:58



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