Warten auf die Dämmerung
#1
Hätte es geholfen, sie hätte sofort etwas von dem Wein getrunken, der in einer Flasche zum hinteren Fußende des kargen Gasthausbettes lag.
Aber die Kopfschmerzen hatten sich wieder einmal durch den gesamten Tag gezogen; jetzt wo es dunkler wurde, ließen sie nach. Folgerichtig hatte sie beinahe den gesamten Tag geschlafen. Alles fiel schwer wenn man Sterne sah und da half auch kein Jammern.
Die Dämmerung lag bereits hinter ihr. Eine weitere Nacht.

Die nächtlichen Stunden waren die härtesten Stunden für sie um am Leben zu sein.

Mehr Schlaf oder Wein hätten 'dagegen' wiederum geholfen, aber sie hatte sich dagegen entschieden.
Die Kopfschmerzen wichen, aber machten Platz für den Schrecken, den sie zu sehr spürte. An manchen Nächten mehr, an manchen weniger.

Heute Nacht bereute sie es wieder kein Salz zu haben, aber sie konnte die Tür mit dem Bett verrammeln, und hatte dies bereits getan. Der Schankwirt fragte nicht und sie war sich sicher dass dem so war weil sie trotzdem einer der unkomplizierten Gäste war. Sie nahm keine Korrespondenz entgegen, bezahlte den Schankwirt aber als ob, damit er das meiste zerriss. Die unbeliebteren Zimmer waren ihr nur zu willkommen - kleines oder kein Fenster? Unbedingt. Sie empfing auch nie Besuch, legte Wert darauf oft das Zimmer zu wechseln und in keinem dieser Zimmer passierte je etwas.
Es würde eine lange Nacht werden und sie würde es bereuen den Wein an der Tür liegen zu lassen. Schrecken zehrte an den Nerven, folgerichtig nahm man ihn an jenen am meisten wahr, die von ihren Nerven im Stich gelassen wurden.

Man musste das Grauen schon kennen um es an ihr zu sehen. Mit angewinkelten Beinen saß sie auf ihrer Bettdecke auf dem Boden, das schmale Fenster und die Tür im Blick. Eine kleine Kerze stand neben ihr auf dem Boden, daneben der treue Foliant und etwas loses Pergament. Sie hatte ein paar Schreibarbeiten zu erledigen die sie nicht ewig aufschieben konnte. Zumal sie nicht wissen konnte wie morgen werden würde. Vielleicht würde es Schlaf geben, vielleicht Schmerz, vielleicht das Grauen, vielleicht würde sie dem Stillen wieder begegnen.

Ihre Augen und ihr Kopf schmerzten noch etwas als sie sich auf das Pergament im Kerzenschein konzentrierte und einen Schluck schalen, lauwarmen Wassers nahm.

Die nächtlichen Stunden waren die härtesten Stunden für sie um am Leben zu sein.
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Warten auf die Dämmerung - von Violetta Winter - 26.09.2016, 10:44



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