Der Dienst endet mit dem Tod.
#8
Nun war es also passiert. Ganz egal, wie sie sich wand, wie fest sie das Mieder schnürte oder wie lose sie die Knoten band, die Lederkluft wollte nicht mehr passen und der Wappenrock darüber spannte unansehnlich. Statt ihren Zustand zu verhüllen stellte ihn der straffe Stoff ganz deutlich zur Schau. Sie musste die sauber gebürstete Uniform, welche ihr seit ihrer Ankunft vor beinahe einem Jahr zu einer Art zweiten Haut geworden war, zu eingeölten Schwert und in Tuch gehülltes Schild in die Kiste legen.

Zwar war ihr bewusst, dass sie Glück gehabt hatte und wohl zu den Frauen zählte, die eine Schwangerschaft bis zum Ende verheimlichen konnten, doch ohne die gewohnte Gewandung kam sie sich nackt und verloren vor. Sogar der Herr Baron machte eine Bemerkung von wegen Zwillingsschwester, als sie in weit schwingendem Kleid zur Besprechung gekommen war. Was war ein Soldat ohne Montur? Nur ein Zivilist, ohne erkennbare Merkmale.

Natürlich hätte sie noch immer das Schwert an ihrer Seite tragen können als Zeichen ihrer kriegerischen Profession und zur Verteidigung, fand das angesichts ihrer bauchlastigen Gestalt und der Arbeit auf dem Hof recht hinderlich und zudem albern. Das kleine Messer im Gurt musste reichen und sie wusste sehr wohl zu schätzen, dass Cois ein Auge auf Lionel und sie hatte. Außer dem wöchentlichen Ritt zum Küstenhof, der ihr jedes Mal weiter und beschwerlicher vorkam als zuvor, nahm sie allerhöchstens noch den Weg in die Löwensteiner Markthalle auf sich, ansonsten war ihre Welt auf das ruhige Eisenthal beschränkt.

Rücken und Füßen schmerzten nach einem langen Tag Arbeit. Und müde war sie. Kaum, dass sie aufgestanden war, hätte sie sich schon wieder ins Bett legen können. Neben ihrem Sohn hatte sie zwar seit kurzem Hilfe in Form von Loren Rabe, dem Neffen ihres ehemaligen Nachbarn aus Silendir, den sie überraschenderweise in Löwenstein getroffen und einige Tage bei seiner Familie in Candaria verbracht hatte, doch ein Fünfjähriger und ein sechszehnjähiger Bursche - “Nicht das hellste Licht auf Galates dunklen Schwingen!”, hatte Brunos augenbrauenwackeln erklärt - konnten eben doch keinen Knecht oder Magd ersetzen; die Hauptarbeit blieb bei ihr hängen.

Es war schon merkwürdig. War die Tür des Soldatentums für einige Zeit verschlossen, hatten die Götter eine andere für sie geöffnet. Je mehr sie sich mit dem Hof und der Feldarbeit - zwangsläufig - beschäftigte, je mehr Fingerspitzengefühl bekam sie für diese Tätigkeit. Kräuter, für welche sie nie ein Händchen gehabt hatte und die ihr regelmässig verdorrt waren oder gar nicht erst keimen wollten, steckten mit etwas mehr Liebe und Zuwendung ihre grünen Köpfe aus der Erde und belohnten ihre Hinwendung mit einem wahren Früchtesegen. Rezepte, die ihr sonst wie Indharim zu lesen waren, gelangen ihr nun mit etwas Übung beinahe wie von selbst. “Gute Kekse! Deine Mutter kann gut backen!”, hatte Loren im Schuppen gelobt, in welchen Lionel seinen neuen Freund mit Gebäck versorgt hatte - natürlich schlugen sich die Buben kurz vor dem Essen wieder einmal die Bäuche voll. Der Kleine hatte mit vollen Wangen erwidert: “Die sind nicht von máthair, sondern von Rida!” Nur dass die Kekse der Füchsin schon längst gefuttert und durch Cahiras Backwerk ersetzt worden waren.

Obwohl das Leben trotz des zunehmend beschwerlichen Umstandes ereignislos dahinplätscherte und sie sich eigentlich über nichts beklagen konnte - klammerte sie ihr Strohwitwentum einmal aus - war sie doch unruhig und konnte es kaum abwarten, bis das Kind geboren war. Aber vermutlich ging es allen Frauen zum Ende der Schwangerschaft gleichermassen. Sie war der Müdigkeit und dem schmerzenden, unförmigen Körper leid. Doch auf der anderen Seite war es etwas vollkommen wunderbares, die ersten Bewegungen des Nachwuchses wie Schmetterlingsflügel gespürt zu haben und mit jedem Tag mehr und mehr zu bemerken, dass dort ein kleiner Mensch heranwuchs, der natürlich immer dann munter seine Fäuste in ihren Bauch drückte, wenn sie zur Ruhe kommen wollte.

Allerdings war ihr auch etwas bange zumute. Die Geburt von Lionel war nicht gerade problemlos verlaufen. Und anderes als in Silendir fehlten hier Alonso, der spätere Patenonkel von Lionel, oder Sansa, die sie begleitet, die Hand gehalten und sie beruhigt hatten. Aber noch hatte sie rund zwei Mondläufe Zeit, wenn sie sich nicht heillos verrechnet hatte, um dem Kind ein Nest zu bauen, sich selber in Ruhe und Sicherheit zu wiegen und sich auf die Geburt vorzubereiten. Die Götter hielten eine Hand über ihre Familie; darauf musste sie vertrauen.
[Bild: Cahira-Sig.jpg]
Herzlichen Dank an Morrigan!
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RE: Der Dienst endet mit dem Tod. - von Cahira Mendoza - 06.04.2016, 23:33



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