Servano Es grünt im Frühling...
#2
Seit Tagen kennt die Sonne kein Erbarmen und die Nächte keine kühlende Nachsicht, und wie es jedes Jahr passiert, so ziehen auch dieses Mal die Wasser des Wolfsrieds sich bescheiden tiefer ins Erdreich. Wölfe, Marder, Eulen und die unvermeidlichen Mücken sirren und huschen durch die sternenklaren Hölzer des Bruchwaldes, entsenden ihre Rufe durch das Unterholz und blicken aus den Gräsern und von den Ästen der robusten Bäume neugierig auf das Schauspiel, das sich alle paar Jahre wiederholt.

Weiden, eine ganze Handvoll davon, die mit tastenden, suchenden Wurzeln dem flüchtenden Wasser folgen, ganz wie eine Schar alter Weiber die auf ihre Gehstöcke gestützt auf den Schatten einer einladenden Veranda zu wandern. Erst die nördliche Küste hält die knarrenden, raschelnden Wesen auf, als würde das Salzwasser ihnen gar nicht schmecken, und den Rest der Nacht verbringen die seltsamen Gestalten damit, sich an dem Ufer und an den wenigen felsigen Vorsprüngen des Urgesteins entlang nach Nordwesten vor zu arbeiten, wo sie mit der übernatürlichen Eleganz unlebender Existenzen über das einzige Fließgewässer zwischen Hohenmarschen und Servano kriechen, und kurze Zeit später in der Hohenmarschener Sumpffinsternis verschwinden.

Kaum einer trauert ihrem Verschwinden nach, und selbst die Knochen der Wesen, die den Weiden zum Opfer fielen, wird kaum jemals wieder ein Auge zu sehen bekommen, tief verstaut im morastigen Erdreich des Wolfsrieds. Einmal mehr ist der Spuk vorüber.
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Es grünt im Frühling... - von Erzähler - 07.04.2015, 15:11
RE: Es grünt im Frühling... - von Erzähler - 13.07.2015, 01:14



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