Von Leuchtfeuern und Seemannsgarn
#11
Episode 11 - Grau und Königsblau

Im Gilbhart 1403
Löwenstein (Servano)




Der wachsende Konflikt zwischen Krone und Herzogsring hatte den Seemann nun auch eingeholt.
Seit er vor drei Monaten den Wolfsbrief um besagte Monatszahl verlängert hatte, war es mal für mal schwieriger für ihn geworden, sich nicht in die Scheiße zu reiten.
Wie gewohnt war er seinem Dienst auf dem Leuchtturm nachgekommen, hatte die Nächte am Hafen durchwacht und die Häuser der Stadt auf der Suche nach offenem Feuer überblickt. Jüngst wurde er auch noch für zusätzliche Arbeiten gedungen, Geld stank schließlich nicht. Und bei alledem trug er, wie gewohnt, das Grau der Wölfe, was nie irgendjemanden gestört hatte. Denn er war ja ehemaliger Hauptmann, der amtierende Leuchtturmwärter und Bürger der Stadt Löwenstein - und hatte es so gut es ging vermieden, sich aktiv an dem Konflikt zu beteiligen. Die Masche mit der Wache auf dem Leuchtturm, die er immer dann vorgeschoben hatte, wenn ein heikler Auftrag bei den Grauwölfen anstand, der seine Stellung im Kampf zwischen Königsgarde und Herzogsring gegen seinen Willen festgelegt hätte, zog nicht mehr.
Vor einigen Tagen hatte Schultheiß Misitia ihn bei der Lohnauszahlung gewarnt, dass er seit dem jüngsten Überfall der Wölfe - den er selbst auf dem Leuchtturm zugebracht hatte - das Wolfsgrau lieber ablegen sollte, wenn er in der Stadt weilte.
Lysander hatte der Warnung nicht den notwendigen Ernst beigemessen, denn er hatte noch lebhaft in Erinnerung, wie die Edle Eirene ihn noch vor wenigen Wochen (oder waren es Monde..?) im Wolfsgrau anstandslos empfangen hatte. Die Tragweite des letzten Überfalls, der einige Brände in den Vierteln hervorgerufen hatte, war allerdings wohl größer, als der Galatier sich eingestehen wollte. So kam es, dass er gebeten wurde, sich im Hauptquartier der Stadtwache, da er noch allzu gut kannte, mit dem amtierenden Hauptmann und dem edlen Vogt zu treffen.
Beide nahmen ihn ins Gebet: Wie stehe er zu den Wölfen? Er sei ein akives Mitglied, wie man hörte. Die Daumenschrauben wollte man ihm im metaphorischen Sinne anlegen, das Grau war in Löwenstein nicht mehr gesellschaftstauglich, so viel stand fest. Die Befragung ging eine Weile und der Galatier gab sich alle Mühe, nur so viel preiszugeben, wie unbedingt sein musste. Nicht, dass er etwas zu verbergen hätte: Tatsächlich war er ja nicht gerade der umtriebigste Söldner und hatte sich gedrückt, wo es nur ging. Das könnte ihm jetzt den kopf retten, denn man drohte ihm mit dem Galgen! Und eher würde das Meer zufrieren, als dass er sich im Namen eines Konflikts opferte, der nicht der Seine, geschweige denn einer seines Volkes war! Indes hatte er den Wölfen einmal einen Eid geschworen, der mit dem in diese Monat auslaufenden Wolfsbrief zwar sein Ende fand, ihn aber daran hinderte, zu viel über jene preiszugeben, die ihm seinerzeit eine neue Heimat geboten hatten, als er am Boden lag. Er wollte nicht, dass Einar, Marquard und die anderen unnötig in Gefahr gerieten oder im schlimmsten Fall durch das, was er verriet, um seinen eigenen Hals zu retten, den Tod fanden. Also antwortete er auf die Fragen so unverfänglich, wie möglich und so nah an der Wahrheit, wie nötig.

Ob es nun eine Farce oder blutiger Ernst war, am Ende schenkten sie ihm Glauben und Lysander hatte für einen Moment geglaubt, dass es damit erledigt wäre.
Doch da hatte er sich geirrt.
Die Edle verlantge von ihm, das Grau abzulegen, auf dass er es nie mehr in ihrer Gegenwart oder überhaupt in Löwenstein trage. - Das schien ihm von ihrer Warte betrachtet einleuchtend, also zog er den Überwurf im Wolfsgrau aus und steckte das Wolfsabzeichen in die Tasche.
Ferner galt es als unabdingbar, dass der galatische Bürger Löwensteins seine Loyalität zur Vogtei beweisen müsse, und das könne, so Vogt und Hauptmann einstimmig, allein durch den Dienst in der Stadtwache geschehen. - Lysander riss es an dieser Stelle förmlich. Aus der Stadtwache hatte man ihn hinausgeworfen, weil er zu korrupt gewesen wäre, jetzt wollte man ihn wieder in der Truppe sehen? Und, das war ja klar, natürlich nicht als Hauptmann, also würde er als ein verdammter Wachmann herumlungen dürfen. Prächtige Aussichten... aber wenn er die Wahl hatte zischen Galgen oder Wache, würde er die Wache wählen.

Der amtierende Hauptmann Axis, ein ehemaliger Grauwolf, der die Seiten gewechselt hatte, nahm ihn nicht als gemeinen Wachmann in die Truppe auf, sondern als neuen Wachtmeister. Immerhin etwas. Ob damit auch Sold und Würden eines Leutnants einhergingen, würde er bei einer passenderen Gelegenheit abklären. Mit einem Wachmanns-Sold würde er sich zumindest nicht abspeisen lassen, wenn er diese bittere Pille schon schlucken musste.

Als Lysander an jenem Abend wieder in der Geborgenheit seines Leuchturms war, hoch oben über den Dächern der Stadt, drehte er das Wolfsabzeichen der Grauwölfe in der Hand. Er hatte überlegt, ob es nicht das Beste wäre, es einfach ins Meer zu werfen und mit der Sache abzuschließen, der Wolfsbrief lief doch immerhin auch aus... und er wollte ja nicht hängen.

Der Morgen brach Stunden später an und läutete das Ende von seiner Wache ein. In der Koje angelangt, die neue (alte, denn er hatte sie aufbewahrt) Uniform im Königsblau hing über dem nahen Stuhl, schob er das Wolfsabzeichen unter sein Kissen. Er würde es aufbewahren.
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