Hammer und Amboss - Aus dem Leben eines Schmiedes
#50
Am Abend nach der gemeinsamen Arbeit an dem Kettenhemd, sowie der Anpassung auf die Körpermaße des Kriegers – mittlerweilen Ritters – holt Aki das Kettenhemd in der Wachstube ab, um sich an den Kragen zu machen. Die Reihen müssen hierbei enger geflochten werden, um sich kratzfrei an den Hals zu schmiegen. Ganz gleich, ob der Krieger ein Gambeson darunter trägt. Er hatte Kordian die Zangen geliehen, mit denen der Laie die Schürzenlänge des Kettenhemdes auf die gewünschte Länge gekürzt hat. Bevor sich Aki also dem Kragen zuwendet, wirft er einen Blick auf die unterste Reihe des Rüstungshemdes, wo ein gutes Stück an geknüpften Ringen entfernt wurde.
Nach bedachtem glatt streichen zeigt sich, dass der Ritter sich Mühe gegeben hat. Die ersten Fingerbreite gelang es ihm gut, die Ringe gleichmäßig aufzubiegen und die jeweilige Öse wieder zusammen zu fügen, sodass sich das Gebilde nicht auf trennt. Aber etwa ab der Mitte der Reihe macht sich erkennbar, dass die Kraft in den Fingern fehlt. Die Ringchen klaffen hier und da stärker auf und der Schmiedemeister muss nochmals mit den Zangen entlang arbeiten, um das Geflecht langwährend zu verschließen. Dennoch wurden die Ringchen erstaunlich gut geöffnet und wieder geschlossen und so ein gleichmäßiger Saum geschaffen.
Bis auf ein paar Ausbesserungen, die sich auf fest drücken und das Entfernen einzelner Ringchen beschränkt, ist der Abschluss des Kettenhemds somit vollbracht. Lediglich der Kragen wartet, als letzter Schritt, auf den Meister. Mit den beiden kleinen Zangen in den zu groß wirkenden Pranken greift er festes Ringchen und loses Gegenringchen und fügt sie zusammen. Anstatt einer 4:1 Verbinung greift er auf eine 6:1 zurück, was bedeutet, dass ein Ringchen nicht vier Kammeraden verbindet sondern ganze sechs, was der Struktur deutlich mehr Halt gibt. Außerdem wird damit eine höhere Krümmung der Ringreihe erreicht, was einen annähernd runden Halsausschnitt zur Folge hat. Nachdem das Kettenhemd klirrend umgedreht wurde und am Nacken die gleiche Prozedur abgeschlossen ist, streichen die rauhen Schmiedehände das Werk glatt und überprüfen die Kontaktstellen. Zum Abschluss streicht er die Ringchen über die Hand, um herauszufinden, ob kratzige Übergänge an den verschlossenen Drahtringchen vorhanden sind.
Da Aki nichts dergleichen auffällt, nickt er zufrieden mit dem Werk und wägt das gewichtige, mattschwarze Hemd in den Händen. Noch etwas Öl und das Werkstück ist bereit vor Lugh's abschätzenden Blick zu treten.
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