Hammer und Amboss - Aus dem Leben eines Schmiedes
#34
Nahezu Komplett

Nordgard 1393

Er war inzwischen fast 4 Jahre in diesem fremden Land und es gab nicht selten Tage, an denen er sich fragte was er hier tat. Ursprünglich war er hier her gekommen um nach seiner Ziehschwester Naíra zu sehen, doch nach ein, zwei Jahren im alten Hafen war er ausgezogen, um sich einen Überblick über dieses Land zu schaffen. Vielleicht war er geblieben, um dieses Land aus den Fängen des Irrglauben an einen einzelnen Gott zu befreien, vielleicht auch einfach, weil er nichts anderes mit sich an zu fangen wusste. Zuerst verdiente er sich sein Auskommen, indem er für Schmiede in der Mine nach Erz grub. Doch schon bald traf er auf einen Mann, den alle nur die Schlange nannten (der Name hätte ihm eine Warnung sein sollen), der meinte er wäre nicht für die Mine gemacht, und viel tauglicher für die Messerarbeit. So zog er dann als Söldner durchs Land. Inzwischen hatte er sich so weit von dem Jäger von der Insel Prenne entfremdet, dass es nur noch ein schwaches Abbild davon war, welches er ab und an vor Augen hatte.

Im Winter des Jahres 1393 lebte und diente er gerade in Nortgard. Er arbeitet für einen Hermetiker, der eine Bande von Kämpfern und Söldnern um sich gescharrt hatte und nach einem alten Artefakt Amatheon's suchte. Es waren keine guten Menschen, weit davon entfernt ehrbar zu sein, aber sie behandelten ihn gut, und das reichte ihm. Er lernte sie kennen, auch sie arbeitete für diesen Hermetiker und das war für ihn Grund genug keine Fragen zu stellen. Was auch immer sie mit diesem Artefackt wollten, es war vermutlich nichts Gutes, doch zu dieser Zeit war ihm das gleichgültig. Er führte ein gutes Leben. Erst vor wenigen Tagen hatte ihm Kommandant Deornoth eine Rüstung aus Rabenstahl vor die Füße geknallt und gemeint:“ Schenk ich dir, Junge!“ Heute würde er fragen woher sie kam, damals war es ihm gleich, und die Tatsche, dass sie ihm etwas zu klein war, wies darauf hin, dass sie bestimmt nicht für ihn gemacht war. Dennoch war schwarz schon immer seine Farbe gewesen. Die Rüstung musste nur etwas angepasst werden.

Die Wachen an der Schmiede hatten ihm erzählt, dass Meister Hensing in der Mine war, und so stand er kurz danach schon vor dem Eingang einer der vielen nortgarder Stollen, in dem Schmiede und Bergarbeiter Erz aus dem Gebirge schlugen. In dem Moment, in dem er die Mine betrat, wurden die Erinnerungen an seine eigene Zeit als Bergarbeiter wach. Sie war vielleicht schlechter bezahlt, doch es war ehrlicherer Arbeit als jene, der er im Moment nach ging. Das ferne Hallen einer Spitzhacke, die auf Stein traf, verriet ihm wo er Meister Hensing finden würde und schon kurze Zeit später hatte er den kleinen, kräftigen Mann gefunden. Der Schweiß stand ihm im Gesicht, was Zeugnis war, dass er wohl schon ein, zwei Stunden hier unten war und unaufhörlich schuftete, sein langes rotes Haar klebte ihm im Gesicht. Er hatte ihn noch nicht bemerkt und hackte unaufhörlich in den festen Stein. Zwischen zwei Schlägen räusperte er sich schlussendlich, der Schmied hielt in seinem Tun inne und wendete sich um. Kurz kniff er die Augen zusammen, um zu sehen wer da gekommen war, dann formte sich ein Lächeln auf seinen Lippen und er hob die freie Hand zum Gruß.

Der stumme Schmied Hensing war wohl der beste Freund, den er je gehabt hatte. Er war fleißig, fürsorglich und, obwohl er nicht sprechen konnte, verstand er ihn meist auf Anhieb. Für jene Momente, in denen dies nicht klappte, führte er immer ein kleines zerfleddertes Buch mit sich, in dem sie ihre Wörter austauschten. Hensing war wohl einer der Gründe, wieso er das lesen und Schreiben lernte. Er war zwar ein Schmied, doch in dem sehnsüchtigen Blick, mit dem er die Krieger und Söldner immer ansah, konnte man merken, wie sehr er sich wünschte eigentlich ein Abenteurer zu sein. 
Als einer der wenigen, von denen er nicht wusste, was mit ihnen nach dem Zwischenfall in Guldennach passiert war, hatte er sich immer vorgestellt, dass Hensing später glücklich geworden war. Ganz gleich, ob nun als Abenteurer, oder zur Ruhe gesetzt, vielleicht zusammen mit einer Frau und Kindern, die er in die Welt gesetzt hatte. In dem Fall würde Hensing ihnen vielleicht zu sehen, wie sie aufwuchsen und ein Leben in Frieden führen.

Die nächsten Tage und Wochen gab es nicht viel zu tun, so half er Meister Hensing beim beschaffen des Materials für die Ausbesserung der Rüstung und sah ihm bei der Arbeit zu. Knapp zwei Wochen später hielt er die ausgebesserte Rüstung in Händen. Die Teile waren mit Ornamenten von Federn und Flügeln versehen worden, denn damals mochte er solche Dinge. Er erinnerte sich noch, wie er mit den Fingern die Linien, die ins Metall gearbeitet waren nach zog, wie er ein Gefühl für dieses seltene Erz bekam, dem die Amhraner göttliche Eigenschaften zu sprachen.

Eines war klar, das Rabenstahl hatte ihm gefehlt. Ein Teil von ihm bereute es, seine Rüstung für die Überfahrt nach Prenne verpfändete zu haben und so war er.... „froh“ so nahe dran zu sein, wieder komplett zu sein. Aki war es, der ihm dies ermöglichen würde. Er war gewiss kein Meister Hensing, aber er war näher dran, als alle anderen Schmiede, die ihm zuvor begegnet waren. Und so war er bereit, dem ruppigen Schmied so gut es ging zu helfen, um ihrer beider Träume zu verwirklichen.
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