Hammer und Amboss - Aus dem Leben eines Schmiedes
#11
Kapitel III - Taranis

Die Tage ziehen ins Land und Aki hat das Gefühl, die Götterstatuen starren ihm fordernd in den Nacken. Und das, obwohl der ungeduldige Gott noch nicht einmal dargestellt wurde. Taranis, Aki's vierter Schicksalsgott. Er würde sein nächstes Werkstück sein. Die wenigen Stunden, die er sich in Ruhe in seinem Laden in Rabenstein zurück ziehen kann, nutzt er für die Steinkunst. Die Skizze hat er bereits gefertigt, dafür reichen ihm die Stunden, die er bei Orestes verbringt, wenn jener noch Aufgaben erledigen muss.
Wie gewohnt stellt er sich den Steinamboss zurecht und plaziert das ausgewählte Stück Basalt darauf. Er selbst lässt sich auf einem Hocker nieder. Die Skizze in sichtbarer Nähe plaziert, macht er sich mit Hammer und Meisel an die grobe Vorarbeit. Während er konzentriert arbeitet, besinnt er sich auf die Charakterzüge, die Taranis nachgesagt werden. Er soll ungeduldig sein, wankelmütig und stürmisch. Seine Laune ändert sich manchmal so schlagartig wie das Wetter, oder umgekehrt, da er dafür zuständig ist. Die Gedanken an die Eigenschaften, finden auch bei dem Schmied und Steinmetz seinen Anklang.
Etwa einen Stundenlauf beschäftigt er sich mit den grob formenden Hammerschlägen und scharrt mit dem Meisel über den Basalt. Dann geschieht es – Taranis sei Dank – das sich die Ungeduld in die arbeitenden Hände schleicht und er gleitet ungewollt mit dem Meisel ab. Der Hammer schlägt mit voller Wucht gegen den Basalt und zerbröselt die Kontur unwiederruflich. Ein wüster Fluch entfährt ihm beim Abrutschen und erwächst zu einem rauen Brüllen, als er mit der Rückhand gegen die verdorbene Statue schlägt und sie auf dem Pflasterboden aufschlägt, wo sie an der schmalsten Stelle entzwei bricht. Wütend und unruhig wendet er sich von dem Trauerspiel ab und schnappt sich die Spitzhacke von der Werkzeughalterung an der Wand. Er macht sich in die Mine auf und bearbeitet mindestens einen Stundenlauf lang Gestein, bis ihm die Kraft soweit aus den Muskeln gezogen ist, dass eine Feinarbeit denkbar ist. Tatsächlich prickeln seine Finger überanstrengt von der schweren Arbeit und sehnen sich förmlich nach präzisem und filigranen Werk.
Er fordert einen rohen Brocken Basalt aus dem Lagerfass und plaziert ihn auf dem Amboss. Der zweite Versuch schreitet besser voran. Aki lässt sich nicht von seiner Ungeduld hinreissen und wenn er dazu neigt, zu angestrengt zu blinzeln oder ihm die Arme schwer werden, gönnt er sich eine Pause.
Die Taranis-Statue zeigt schließlich einen Mann, der von Sturm umgeben ist. Das Haupthaar ist mittellang und die Strähnen wehen zottelig im Wind. Ebenso zerrt eine Böhe an dem Bart, der ihm fast bis zur Brust reicht. Die schlichte Robe, die er trägt, liegt an bestimmten Stellen eng am Körper und zeigt den sehnigen Muskelpartien, die darunter verborgen sind, als wäre der Stoff nass. Eine Hand hat er zur Faust geballt in die Höhe gereckt und blickt grimmig und ungeduldig wartend drein. Die andere Hand hängt hinab und die Handfläche liegt fordernd offen, die Finger aneinander gedrückt. Zu Taranis Füßen sitzt eine Frau am Sockel, die soeben im Begriff ist, ihm einen Blitz zu reichen. Der Blitz ähnelt im Entferntesten der Klinge eines Klingenstabs, gezackt und scharfkantig. Neben der Frau schmiegen sich flauschige Wolken an die Statue, etwa drei an der Zahl.
Nach der abschließenden Pinselarbeit, hebt der Erschaffer die Statue hoch und sieht Taranis von oben herab an. "Du hast mich viel Geduld gekostet," ermahnt er den Stein-Gott, "Ab zu den anderen, leiste ihnen Gesellschaft." Er plaziert Taranis neben seinen drei Kollegen auf dem Wandregal und macht sich daran, die Werkstatt zu säubern.

[Bild: mouhmfko.jpg]
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