Hammer und Amboss - Aus dem Leben eines Schmiedes
#1
Gesellenprüfung

Am Tag vor der Prüfung brütet er über den ausgewählten Anleitungen. Der Stapel Pergament auf seinem Arbeitstisch knistert angenehm, wenn er die einzelnen Rezepte durchsieht. Laut den Zunftstatuten stehen ihm einige Stücke aus der Schmiedekunst zur Auswahl, er hat sich jedoch für die Herstellung eines Katzbalgers, einer Bartaxt sowie eines Eisenhutes entschieden. Jetzt brütet er über diesen und geht die Arbeitsschritte immer wieder durch. Die Finger streichen dabei unruhig über das Pergament und nach mehrmaligem Ansatz gibt er auf. Die Schritte kommen ganz von selbst, wenn er erst Hammer und Metall zur Hand hat. Aber was, wenn er diese mit leeren Händen rezitieren muss? Erläutern ist nicht gerade seine Stärke, wenn er kein Anschauungsobjekt zur Hand hat. Natürlich kann man daran arbeiten, aber nicht in so kurzer Zeit. Es würde schon klappen und wenn nicht konnte er noch immer mit seinem handwerklichen Geschick überzeugen.

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Wenige Stunden sitzt er an dem U-förmigen Tisch und verflucht seinen Kopf. Er kommt nicht umhin sich zu fragen, ob Ernst Jehann das mit Absicht macht. All der aufgestauten Tatendrang wird abgeklemmt, sobald er ihn auch nur auffordert sich zu setzen. Sitzen macht ihn nervös und unruhig. Zwei Dinge, die sein Denken beeinträchtigen.
Die an ihn gewandten Worte machen die Situation nicht leichter. Er hat einen Laden und Erfahrung, schön und gut. Aber die Vorgehensschritte aufführen? Zwar hat er schon zahlreiche Anleitungen ausformuliert aber wie soll er Schritte des Ausschmiedens ausformulieren, die seiner Meinung nach einfach nicht formulierbar sind. Er verdrängt den Satz 'Ich kanns euch zeigen!' in den Hinterkopf, der während der mühsamen Wortsucherei immer wieder in den Vordergrund rutscht. Irgendwie bringt er es doch zustande und erntet sogar ein 'Gut.' vom Zunftrat. Zu jenem gesellen sich mit der Zeit Weitere und er genehmigt sich den Gedanken, ob ihm an dem Abend noch irgend ein anderes Wort begegnen wird. Einerseits könnte es ausdrücken, dass der Zunftrat zufrieden ist, zumindest soweit um fortzufahren. Andererseits bringt ihn das folgende 'Gut, gehen wir zum praktischen Teil über.' zum Zweifeln. Vielleicht war es auch nur eine Floskel? Immerhin zucken seine Finger begeistert bei dem Wort praktisch.

Die Beiden gehen nach draußen zur überdachten Schmiede, wo er sein Werkzeug und Utensil ausbreitet. Die kühle Abendluft und der stetig auf die Dächer prasselnde Regen beruhigt ihn, ganz zu schweigen von dem Geruch von Ruß und Kohle. Er legt sich ein paar Lagen Arbeitsleder zurecht, sauber in Form geschmolzene Stahlbarren sowie eine langstilige Zange. Ein paar Hand voll Kohle finden den Weg in die Rundesse, um die nur noch leicht glimmende Glut wieder zu entfachen. Dazu führt er mit einem Handblasebalg Luft zu.
Er legt sich zwei Stahlbrocken in der Glut zurecht und wartet auf den Zeitpunkt an dem sie gelb zu Glühen beginnen. Mit einem Schürhaken scharrt er in den Kohlen und dreht die Metallstücke mit der Zange zurecht, um sie gleichmäßig zu erhitzen. Als die gewünschte Farbe erreicht ist, wird der erste Stahlblock von der Glut auf den Amboss gelegt und mit kräftigen, schweißtreibenden Hammerschlägen berarbeitet. Trotz der formbaren Struktur des glühenden Metalls benötigt das Werk einiges an roher Muskelkraft. Seinen Prüfer nimmt er während dessen nur noch am Rande wahr, da sich seine Konzentration auf die Arbeit fokusiert.

Er formt und erhitzt die beiden Stahlbrocken abwechselnd und arbeitet sie fortschreitend zu gleichmäßigen Metallplatten aus. Die letzten Hammerschläge werden gesetzt, wobei er die jeweilige Platte immer wieder dreht um letzte Unebenheiten aufzuspüren und auszubeulen. Zwischenzeitlich lehnt er die beiden Platten an die Steinsäule neben dem Amboss und widmet sich dem nächsten Arbeitsschritt. Zwei weitere Brocken Stahl finden in die Glut und werden dort bis zur Formbarkeit erhitzt, wobei er sich nah an den Schmelzpunkt heranwagt. Die eine Komponente wird zu einer flachen Stahlzunge ausgearbeitet, wobei er das Metall erst in die Länge streckt und schließlich flach zuarbeitet. Jene Zunge ist in etwa 3 Finger breit und wird nun an dem abgerundeten Horn des Ambosses gebogen. Dabei dient ihm nur das Augenmaß als Hilfe, um die Schiene gleichmäßig zu biegen.
Der zweite Brocken wird in ähnlicher Weise in die Länge gezogen, jedoch in etwa doppelt so breit ausgehämmert wie die erste Zunge. Auch dieser Rohling wird zurecht gebogen, diesmal in der Absicht die beiden Metallkanten übereinander zu legen. Es entsteht der Haubenring, welcher eine tellerähnliche Biegung verleiht bekommt. Die überlappenden Enden werden nochmals angeheizt und mit gezielten Schlägen miteinander verschweißt.

Anschließend verbindet er mithilfe von Nieten die Scheitelzunge mittig mit dem Teller. Das Rohkonstrukt des Helmes wird kurz auf dem eigenen Kopf angesetzt und die Passform von ihm als zufriedenstellend abgetan. Als nächsten Arbeitsschritt biegt er die beiden Platten zurecht, wobei vorerst nur das Augenmaß Anleitung gibt. Erst als die beiden Platten seiner Meinung nach angemessen zurechtgehämmert sind, legt er die beiden Hälften in die Helmkonstruktion. Ein knappes Nicken, dann werden die Platten neuerdings erhitzt und direkt innerhalb der Helmkonstruktion um die letzten Millimeter zurechtgebogen. Als letzten Arbeitsschritt an der Esse wird die Außenseite des Helmes erhitzt und die, sich noch abzeichnende Zunge mit dem Rest verschweißt.

Unter dem Adlerblick des Prüfers macht er sich an die Feinarbeit. Zuerst schleift er die Helmaußenseite mit einem groben, dann einem feinen Schleifpapier ab und poliert mit einem Tropfen Öl über die glänzende Oberfläche. Daraufhin wird eine Lage Arbeitsleder zurecht geschnitten und an der Innenseite festgenietet, um den nötigen Tragekomfort zu garantieren. An einer beliebigen Stelle wird ein geflochtener Halteriemen mit dem Innenleder vernietet und an der gegenüber liegenden Helmseite an einem zweiten Punkt befestigt.

Heilfroh, dem Prüfer endlich etwas handfestes vorweisen zu können wird der Eisenhut überreicht und nochmals von allen Seiten gemustert. Wieder kassiert er ein 'Gut' ein, kann an der Miene jedoch einschätzen, dass es Ernst zufrieden stellt. Spätestens als dieser nach der Ausstellungegebühr für den Brief verlangt hat Aki seine Antwort. Nach einem eher wortreichen als arbeitsreichen Abend wird ihm der handliche, zusammengerollte Brief ausgehändigt.
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