Tagebuch einer Wissbegierigen
#15
Und so plötzlich wie in der Akademie eine zwar geringe, aber vorhandene Betriebsamkeit eingekehrt war, war diese wieder erloschen. Die üblichen 3 guten Geister der Hauses waren anwesend und gingen ihren mal mehr, mal weniger obskuren Tätigkeiten nach. 

Mehr sporadisch verirrten sich andere Gestalten in die Akademie. 
Mal war es ein mürrischer bis grobschlächtiger Kerl, der zumindest Irene bekannt war und mit dem sich die Adeptin irritierend gut verstand. Vermutlich weil sie nicht der Typ Mensch war, der sich von so etwas wie einer ungehobelten Attitüde abschrecken lies. Oder möglicherweise lag es auch daran dass er bereit war ihr für mehr als unverschämte Preise, Blumen abzukaufen und sich nicht mal darüber beklagte.
Gelegentlich war es statt dessen der Sprecher der Nekromanten, der sich die Ehre eine Unterrichts gab.
Selten waren es Boten die Post für Saturia vorbeibrachten. Meist waren es Rückläufer von unzustellbaren Mahnbriefen an verschollene Akademiemitglieder oder Bestellungen zu Pflanzen. 
Und ab und an bekam die Adeptin einfach einen Wutanfall ob der unfassbar mangelhaften Population von Fröschen, Kröten und Unken in Servano.

Als jedoch irgendwann Theobald ihr mitteilte, dass sie heute das Zimmer des Adepten Goldähren räumen mussten, da die Miete mehr als überfällig war und er nicht aufzufinden war diesbezüglich, suchte sie das Heilerhaus auf und auch als sie von dort unverrichteter Dinge zurückkehrte und den zweiten Namen innerhalb kürzester Zeit, in der Liste der Akademiemitglieder als verschollen markierte, war sie einfach nur auffallend still.
So still, dass Irene ihr wohl Abends ein Buch und etwas süßes vorbeibrachte und aufmunternd lächelte.

Erst vor wenigen Tagen, hatte sie sich wieder fast hektisch gezeigt. Vermutlich hing es mit einer Botschaft des Akademierates an sie zusammen.

Und dann, ganz unvermittelt, waren am gestrigen Abend, ganze 3 weitere Personen im großen Vorlesungssaal eingefallen und mehr als einmal wurden Dinge quer durchs Haus gebrüllt. Zudem hatte Irene ihre liebe Not damit, die zwischenzeitlich absolut aufgelöste Nekromantin zu beruhigen, die wartend in der Eingangshalle auf und ab tigerte. Erst zur späterer Stunde verließen die ersten Zwei der Anwesenden das Haus und nur die weißhaarige, nun inzwischen wohl Meisterin und ihr früherer Lehrer, blieben zurück, bis schließlich eine kleine Weile später, auch dieser sich aus der Akademie verabschiedete.
Zurück blieben nur die üblichen 3 Gesichter, von denen eines immer noch im saturianischen Äquvivalent zu tomatenrot (also etwa ein feines Dunkelrosa in den schneeweißen Zügen) erstrahlte. Und faszinierenderweise schien sie diese Nacht zu schlafen. Mehrere Stunden. Ohne wenigstens 5 Mal in den Keller, auf den Markt, die Bibliothek oder die Küche zu wandern. Und das bis in die Mittagsstunden hinein!

Allerdings hätte ein aufmerksamer oder mehr unsichtbarer Beobachter in ihrem Zimmer, Zeuge davon werden können wie sie auf dem Bett lag und ihr Blick lächelnd, ja LÄCHELND, so richtig echt und sichtbar lächelnd, abwechselnd in die Flammen der halb herunter gebrannten Kerze, zu dem Papierstapel auf dem Schreibtisch und über das wunderschön, leuchtend grüne Farbenspiel glitt, das der Inhalt einer, beinahe vollen Glasflasche auf ihrem Regal, an die Wand malte.


Doch schon im Lauf des Nachmittags, wurden die Dinge in der Akademie wieder gewohnt obskur, als die weißhaarige Meisterin, mürrisch und über und über mit einer schwer definierbaren Mischung aus Eingeweide, Knochensplittern, Hautfetzen und Blut, von dem man meist nicht mal sagen, welches ihr eigenes und welches fremdes war, übersät zur Tür herein kam, Irene nur warnend ansah, was diese vermutlich dazu veranlasste sich einen Kommentar, so wie ein Lachen zu verkneifen, zumindest so lange sie in Sichtweite war, und dann nach oben verschwand. Später sah man sie dann schon wieder in gewohnter Haltung, mit gewohntem Schreibzeug und in sauberen, Sachen auf ihrem angestammten Platz neben der Bibliothek sitzen und Dinge auf Papier bringen.

Zitat:
Quelltag, 1. Gibhart 1406 im Treppenhaus der Akademie der hermetischen Künste zu Löwenstein

Hunde platzen faszinierend gut! Bisher habe ich nicht erwartet dass sie so gut platzen! Vor allem das Geräusch das sie dabei machen, ist wirklich zauberhaft und der Regen aus roter Flüssigkeit und weißen Splittern, begleitet von langsamer zu Boden segelnden Resten aus Haaren und Haut, ist schon beinahe poetisch! Bedauerlicherweise sind sie da schon tot gewesen. Vielleicht lässt sich da etwas machen.
Allerdings sollte man über der Begeisterung nicht vergessen hinter etwas in Deckung zu gehen. Denn Knochensplitter tun verdammt weh und es ist auch eine riesige Sauerei wenn man mitten in dem Hagel aus Eingeweiden, Blut und Knochen steht in dem Moment wo sie es tun.

Vielleicht sollte ich, auch wenn es langweilig ist, doch einmal an einer echten Formel zur Heilung arbeiten. Dies könnte außerordentlich nützlich sein. Und ganz sicher macht es uns auch mal etwas beliebt, was in den Zeiten wo man uns mal wieder zu Abyss wünscht, ein gutes Mittel sein kann um die kleinen und beschränkten Geister milde zu stimmen.

Gestern war endlich der Tag meiner Meisterprüfung gekommen. Zuerst schien es als würde statt Sprecher Caetano niemand erscheiden. Irgendwie war ich fast erleichtert. Und dass ich darüber ernsthaft Witze gemacht habe, zeigt mir sehr deutlich wie sehr ich mich in der Zeit verändert habe. Vielleicht ist kruder Humor und Zynismus, mein Alkohol. Ich weiß es nicht. Jedenfalls hat es sich als faszinierend erwiesen, das Verhalten und Denken von Menschen zumindest ein wenig zu durchschauen (und geflissentlich zu ignorieren).

Der Nachteil an der Sache ist, dass ich auch mich selbst etwas besser durchschaue. Auf einmal erscheint es so logisch, wieso mir warm wurde und kalt und ich rot wurde und weiche Knie bekam. Herrje. Die ganze Akademie hat es vermutlich gewusst, dass ich für meinen Meister geschwärmt habe. Aber nun gut. Es ist wie es ist und andere Leute hatten in meinen Augen wesentlich irritierendere und störendere Angewohnheiten als das. Sein wir aber auch ehrlich: Wie kann man für so eine brilliante Persönlichkeit auch nicht, zumindest ein klein wenig schwärmen?

Schließlich tauchten aber die anderen beiden Prüfer doch noch auf und das war der Moment wo meine Nerven und Körperfunktionen versagten. Weniger aufgrund einer Versagensangst im Hinblick auf die Prüfung, als bedingt durch die Tatsache, dass ich wenigstens einen der Prüfer nur zu gerne ausgetauscht hätte. Denn auch nach all der Zeit, habe ich immer Angst seinen Ansprüchen nicht zu genügen, vor seinen Augen zu versagen. Und im Grunde war mein Anspruch an mich selbst, nicht weniger als eine perfekte Meisterprüfung.
Ich kann mir vermutlich sparen zu vermerken, dass mir dies nicht gelungen ist, tue es aber dennoch.

Schon mit der ersten Frage haben sie mich komplett aus dem Konzept gebracht. Und wenn ich irgendwo in meinen Unterlagen herausfinde, wer mit dem Unfug mit Feenwesen angefangen hat, dann werde ich mich bei dieser Person bitter beklagen (und eine feuerrote Warzenkröte ins Bett setzen. Und wenn ich dafür nach Hohenmarschen reisen muss und einen Dieb anheuern der bei dieser Person einbricht um sie da zu platzieren.

Ich erinnere mich noch daran, dass meine Erklärung damals beinahe wortwörtlich die war die Meister Dryander nach seiner Rüge, dass ich gerade so noch in eine Art von annähernd richtiger Antwort hineingestolpert wäre, gebracht hat. Diese Erklärung war in meinem Kopf und so schön und simpel und klar, und dann hat mich jemand mit den dämlichen Feen verwirrt!

Wie auch immer. Selbst wenn ich die Antwort gewusst hätte, wäre ich vermutlich aufgeschmissen gewesen. Die Mischung aus Aufregung und Aufregung, aus zwei unterschiedlichen Quellen und Anlässen, hat mich in regelrechte Panik versetzt. Mein Kopf war leer, mein Herz hat gehämmert und ich habe keine Luft mehr bekommen. Einen Moment war ich mir sicher, dass ich einfach ohnmächtig umfallen würde. Und dann wäre ich wirklich lieber liegengeblieben als die Augen wieder aufzumachen, da im Prüfungssaal. Vermutlich hätte ich mich tot gestellt und wäre vor lauter Panik durch ein Fenster in eine Gasse geflohen und nie wieder zurück gekehrt!

Aber gut. Ich habe irgendwie die Kurve bekommen und den Rest der Prüfung vermieden in die falsche Richtung zu schauen. Auch wenn ich sagen muss, dass ich die Nachsicht die man mir entgegengebracht hat, sich fast fehl am Platz angefühlt hat. Na ja. Vermutlich bin ich es einfach nicht gewohnt, dass jemand so freundlich ist zu mir. Freundlichkeit ist nicht so meine Welt glaube ich.


Dass Sprecher Caetano mich dann etwas herausgefordert hat, war das was ich in dem Moment gebraucht habe. Es hat mich wieder in meine normalen Denkmuster zurück geführt. Zurück in den Wunsch nach Souveränität und danach in dem was ich tue zu brillieren. Das hat mir vermutlich die Prüfung gerettet. Und auch wenn ich in dieser Frage ebenso nicht so sicher war wie ich es mir gewünscht hätte, war es etwas was sich vertraut angefühlt hat, hat er das in seinen letzten Unterrichten doch so oft getan.

So oder so, habe ich bestanden, auch wenn ich mir gerade wünschte, dass ich die Prüfung nochmals machen könnte um meinem eigenen Anspruch doch noch zu genügen. Aber das werde ich vermutlich eher durch Forschungserfolge wettmachen müssen. Ich habe so viele Ideen und weiß nicht recht wo ich anfangen soll.

Vielleicht kann ich das ja nach ein paar Gläsern von der obskuren grüne Flüssigkeit, wirklich mit Meister Dryander ausdiskutieren. Auch wenn ich tief drin nicht überzeugt bin, dass es jemals dazu kommt. Ich sollte da nicht viel Hoffnung hinein setzen, sonst werde ich nur bitter enttäuscht. Das ist der Nachteil am Verständnis für Emotionen. Man übernimmt sie schneller wenn man sie versteht und sie mehr sind als nur eine vage nagende Frage am Rand des Bewusstseins. Aber gut. Es ist wie es ist und ich bin zufrieden damit.
Sollte er sein Versprechen halten, dann zumindest werde ich mich auf einen interessanten Abend freuen können. Egal ob die Gespräche dann eher sachlicher, fachlicher oder persönlicher Natur sind.
Allerdings frage ich mich wieso er damit umgeht wie er es tut. Es scheint mir nicht sehr wahrscheinlich, dass ihm als einzigem entgehen sollte, was jeder andere wohl längst gesehen hat. Zumal er in solche Dingen weit aufmerksamer ist als ich es bin und sogar ich es irgendwann nicht leugnen konnte. Wäre es aus seiner Sicht nicht vernünftiger Distanz zu wahren in allem was über die reine Fachlichkeit hinaus geht? Vermutlich will er es einfach nicht. Für seine Vernunft war er im Gegensatz zu seinem Wissen, tatsächlich nie berühmt. 
Dafür dass Brillianz auch immer irgendwelchen Wahnsinn mit sich bringt, sind die verbliebenen Mitglieder ein genau so gutes Beispiel wie sehr viele der verschwundenen Kollegen.

Tatsächlich vermisse ich in letzter Zeit Lichterloh und Lyn sehr. Sogar Sasz fehlt mir auch wenn er es sich ein wenig zur Lebensaufgabe gemacht hatte mir das Leben schwer zu machen. Aber sie waren eine fachlich sehr angenehme Gesellschaft.
Dass Seelenbruch und Goldähren verschwunden sind, nehme ich fast schon persönlich. Aber über solches zu jammern ist über verschüttete Milch klagen und Verschwendung von Energie die ich lieber in Forschung stecken sollte.
Zuerst werde ich mich aber noch mit meinem neu erworbenen Wissen auseinandersetzen und die Grundlektionen fertig aufbereiten um gewappnet zu sein, sollte sich doch irgendwann ein neuer Schüler an die Akademie verirren.
Ansonst hoffe ich dass sich der Sprecher, auch wenn ich nun selbst als Meister gelte, die Zeit nimmt mir noch die versprochenen letzten Lektionen aufzubereiten und mich an seinem erarbeiteten Wissen in seinem Fachgebiet teilhaben lässt.


Ansonst muss ich sagen, war ich unglaublich gerührt und überfordert über die Glückwünsche. Ich kann es jetzt immer noch schwer in Worte zu fassen. Ich habe nicht verstanden ob sie froh waren es hinter sich zu haben, stolz waren, gelangweilt... ich kann es nicht sagen. Ich selbst war unzufrieden. Die Verkündung klang auch mehr danach dass ich es mal wieder gerade so geschafft hatte. Auf der anderen Seite darf ich mir Zeit meiner Karriere an der Akademie, anhören dass ich es hoffentlich wohl noch weit bringen werde und man von mir wohl viel erwarten dürfte. In Momenten wie dieser Prüfung zweifle ich daran sehr. Andererseits sollte ich darüber auch nicht nachdenken, sondern einfach meine Energie und neu gewonnene Freiheit darauf richten, möglichst viel für die Hermetik zu erreichen. Allerdings gebe ich zu: Alleine Forschen ist etwas unbefriedigend. Es fehlt durch den mangelnden Austausch, einfach die neuen Impulse die einen voran bringen. Ich habe die Unterlagen von Meister Lyrandes zum Thema Artefaktur gefunden und sein Ansatz ist so gänzlich anders als der meine, dass ich mich wirklich frage, ob er genau so erfolgreich, erfolgreicher oder ein Hirngespinnst sein könnte. Fakt ist, dass ich ohne einen artefaktorischen Ansatz in der mir selbst gestellten Aufgabe nicht weiter kommen werde.

Aber darüber mache ich mir morgen Gedanken. Nun bin ich etwas erschöpft. Die vielen Schrammen und der Blutverlust war ungewohnt aufreibend. Ich bin wirklich außer Übung.


Nur wenig später sieht man sie in ihrem Zimmer verschwinden und es bleibt wieder eine ganze Weile, herrlich still in den altehrwürdigen Hallen der Akademie der Hermetik zu Löwenstein
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RE: Tagebuch einer Wissbegierigen - von Saturia Ansua - 12.10.2019, 21:37



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