Tagebuch einer Wissbegierigen
#12
Da die Akademie den Großteil der Zeit außerhalb der Unterrichte eher verlassen scheint, werden wohl in erster Linie die beiden guten Geister des Hauses die Veränderung im Verhalten der verbliebenen festen Bewohnerin des Hauses, bemerken.
Nach wie vor schleicht sie zwar zu den unmöglichsten Zeiten durchs Haus, ist meist in ihre Bücher versunken oder liegt scheinbar tot im Keller, aber seit neuestem ist sie auch immer öfter länger aus der Akademie verschwunden und wenn sie wiederkommt  weisen ihre Arme oft feine Schnitte auf und  ihre Sachen müssen des öfteren genäht werden.
Aber die größte Veränderung scheint, dass sie nach jedem dieser Ausflüge etwas größer wirkt. Nicht körperlich natürlich, aber als wäre ihre Präsenz, vielleicht einfach nur ihr Selbstbewusstsein auf andere Weise gewachsen.
Irgendeine Veränderung scheint in ihr vorzugehen.


Auch wenn sie nach wie vor selbst keinen modischen Geschmack aufzuweisen scheint, scheint sogar ihre Garderobe inzwischen nicht mehr in erster Linie praktisch, sondern auch tatsächlich zu ihr passend und sie deutlich ansehnlicher zu gestalten. Zumindest wenn sie nicht wie ein Michelinmännchen in dutzende Schichten eingewickelt ist.

Ihr Verbrauch an Paraphernalien ist eindeutg gewachsen, so oft wie sie neue heranschleppt. Und... Irene mag es für ein Gerücht gehalten haben als Theobald behauptete er hätte kurz durch die geöffnete Tür in ihrem Zimmer gesehen dass sie BLUMEN ZÜCHTET!
Als Saturia sie irgendwann aber ganz verschämt nach dem Buch fragte, das sie vor ein paar Jahren gelesen hatte und ihr einen Vortrag hielt, dass sie sich mal tatsächlich seichtem Schreibwerk statt immer nur Fachbüchern widmen solle, da die Phantasie anzuregen ein ausnehmend gutes Training für die Vorstellungskraft wäre. Irgendwas mit Frühlingsmärchen oder Sommermärchen oder so. Sie wolle ja tatsächlich einfach nur mal ihre Vorstellungskraft trainieren. Und irgendwie klang das als wäre es schon richtig aber nur ein Teil der Wahrheit.

Schließlich verschwand sie tatsächlich mit dem Buch nach oben.

Zitat:Quelltag, 23. Lenzing 1406, Akademie der Hermetik zu Löwenstein

Es ist so viel passiert und das eigentlich nur wegen einem einzigen Abend. Die erste Vorbereitung für die Meisterprüfung bei der ich nach meiner Rückkehr dabei sein durfte, war ausgerechnet eine Exkursion! Ins Grüne! Zu den Harpyen! Ich hab mir wirklich so gewünscht dass ich im Bett geblieben wäre. 

Rückwirkend bin ich nun ausnehmend froh es nicht getan zu haben. Es war tatsächlich in gewisser Weise lebensverändernd. Ich habe begriffen was ich tun sollte und war dennoch nicht dazu in der Lage. Es war grässlich sich schwach zu fühlen und ich habe beschlossen dass das nie wieder so sein wird.

Also bin ich am nächsten Tag zurückgekehrt und am Tag drauf und an beinahe jedem folgenden und jedes mal habe ich gemerkt wie es einfacher wurde, wie die Kräfte sich besser lenken ließen, wie es immer einfacher wurde sie aufzuschneiden mit meinem eigenen Blut und zuzusehen wie das Leben langsam aus ihnen rann oder den Vorgang zu beschleunigen und zu betrachten wie sie zusammenbrachen. 

Nach wie vor sind das keine heldenhaften Motive, andere zu beschützen oder dergleichen, aber ich will in dem Moment in dem ich nicht weglaufen kann, keine Beute sein. Ich will die Wahl haben nicht laufen zu müssen sondern zu wissen dass sich die Realität meinem Willen beugt und das was mich bedroht zu Staub zerfallen zu lassen.

Und anders als diese kleinen Geister die nur mit Flammen und Wind spielen, werde ich die Möglichkeit dazu haben. Sicher kann ein Blitz dich erschlagen oder Flammen dich verschlingen, aber Flammen sind schnell gelöscht. Doch was tust du dagegen wenn einfach das Leben aus dir rinnt, wenn dich dein eigener Tod einfach überwältigt?
Seit Jahren nun begebe ich mich beinahe jede Nacht an die Schwelle zwischen dem hier und dem dort. Inzwischen kenne ich ich diesen Ort so genau wie meinen eigenen Herzschlag und dennoch gelingt es mir nicht den Blick von dort aus mit zurück zu nehmen. Aber eines Tages werde ich es können. Jedes Mal ist mir der Weg vertrauter. Wenn ich bei den ersten Versuchen danach noch mit plötzlich rasendem Herzen hochgeschreckt bin (und beim ersten Mal beinahe Orestes Nase zertrümmert habe), bin ich dann nach und nach immer ruhiger und langsamer ins Hier und Jetzt zurückgekommen. Inzwischen muss ich nicht einmal mehr den Umweg übers wirkliche Erwachen nehmen wenn ich den Weg zum Schlaf suche. Es scheint mir fast als wäre der Weg zwischen den Grenzen unserer Welt und den Träumen kürzer.

Wie dem auch sei, mein Ehrgeiz ist geweckt. Ich will diese neuen Dinge lernen. Ich will mehr Stärke, mehr Macht, mehr Erfahrung. Ich will sogar diese seltsamen Dinge verstehen die anderen so wichtig sind. Ich habe damit angefangen mir von Irene dieses Buch zu leihen. Sie meinte damals so etwas würde mir helfen meine Vorstellungskraft anzuregen und das würde mir helfen Dinge aus einer anderen Perspektive zu sehen und und besser zu begreifen. 
Warum das Experiment also nicht wagen. Vielleicht hilft es mir ja auch sogar die Menschen um mich besser zu verstehen. Nur weil ich sie verstehe kann ich ja dennoch ignorieren was sie wollen und denken, wenn ich das möchte. Ich muss mich nicht um ihre Befindlichkeiten scheren, nur weil ich sie begreife.

Die Vorbereitungen für die Meisterprüfung ansonst laufen so weit ganz gut, allerdings habe ich schrecklich Bauchschmerzen seitdem ich gehört habe wer der dritte meister sein wird der der Prüfung beisitzt. Ich weiß nicht wie ich darauf reagieren werde ihn wieder zu sehen. Denn all die Jahre in der Ferne, haben mich begreifen lassen, auch wenn ich es noch so sehr zu leugnen wünsche, dass Lyn damals recht hatte. Ich weiß nun was sie meinte und ich denke sie hat in gewisser Weise recht behalten. Egal wie sehr mir dies nicht gefällt.Ich denke gar darüber nach einfach nicht anzutreten. Dem Zwei von Nutzen sein kann ich doch dennoch. Nichts würde mich davon abhalten. Auf der anderen Seite widerstrebt es mir aus Furcht ich könnte mich nicht planbar Verhalten, nicht auf meine Fähigkeiten und mein Wissen vertrauen. weiß ich doch dass ein Versagen keinesfalls de  zuzuschreiben wäre, dass ich nicht in der Lage bin dazu. Nein, ich werde mich nicht drücken und zulassen dass diese unerträglichen Stümper die nur dilletantisch mit Feuerbällen und Wasserpfützen spielen, herumstolzieren und denken sie wären besser als ich, nur weil sie es doch hinbekommen mit unserer Hilfe ein paar Formeln und fakten zu zitieren. 
Außerdem... will ich auch nach all den Jahren immer noch irgendwie dass er stolz ist auf mich.
Nachdem sie sich dieses Mal in ihrem eigenen Zimmer ausgebreitet hat, das Buch wieder gut verstaut, die Worte gesprochen, den Fokus in die Tasche gesteckt und die Kette um das Handgelenk gewickelt, wird ihr Atem flach und scheint ganz zu ersterben.
Zitieren


Nachrichten in diesem Thema
RE: Tagebuch einer Wissbegierigen - von Saturia Ansua - 24.03.2019, 02:49



Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 1 Gast/Gäste