Tagebuch einer Wissbegierigen
#10
Heute sitzt sie marnierlich am Tisch im Gemeinschaftsraum. Verteilt am Tisch einige obskure anatomische Zeichnungen einer Ziege aufgerichtet auf 2 Beine, Notizen mit Stichworten aus denen wohl sonst keiner Sinn erkennen würde, dienen sie offenbar nur als Gedankenstütze, eine Abschrift einer Akte, so wie ein langer Text, in der üblich krakeligen Schrift "Notizen, Erstüberlegungen Seminararbeit Elevin Fionola, Adeptin Ansua (Adeptin Lichterloh?)"

Aber aktuell scheint sie sich ihrem Tagebuch zu widmen.

Zitat:Freiungstag, 16. Wonnemond im Jahre 1401, Gemeinschaftsraum im Wohnbereich der Schülerschaft, Akademie der Hermetik, Löwenstein

Heute war wieder ein sehr erfreulicher Tag. Unsere zweite Forschungsgruppe hat einen guten Verlauf genommen. Die Notizen von Magisterin Glutpein waren erfreulich gut strukturiert und aufschlussreich. Anders als bei der ersten Forschungsrunde, ist ein Misserfolg diesmal auch weniger potentiell tötlich, sondern schlicht, höchstens schmerzhaft. Es freut mich dass unser Zweig zusammenrückt und gemeinsam die Dinge vorantreibt. Leider ist es immer das selbe. Es sind stets die Gleichen, die Denken und etwas zusteuern und die Gleichen die mit Unwissen glänzen oder schlicht, sich nicht beteiligen.

Ich bin gespannt wie sich Elevin Fionola entwickelt. Sie ist interessiert und engagiert, aber bedauerlicherweise eben noch merklich auf dem Wissensstand eines Eleven. Ich hoffe ich kann ihr kritisches Denken weiter anregen im Austausch. Ich hätte natürlich die Seminararbeit alleine verfassen können. Aber wie hätte es mich vorangebracht, mein bisheriges Wissen nochmal darzulegen, statt mich auszutauschen und Einwände zu hören?

So war auch der Austausch über die Selvetik heute sehr interessant. Viele verschiedene Ideen. Manche absurder als andre. Und es zeigt mir, dass wir alle die Mysterien der Selvetik noch lange nicht durchschaut haben.

Da muss ich an das Gespräch mit der früheren Magnifizenz zurückdenken. Wir müssen so denken, dass wir uns immer wieder in Frage stellen, andre hinterfragen und die Ziele jedes Mal aufs neue, knapp außerhalb unserer Reichweite stecken, wenn wir im Begriff sind sie zu erreichen. Stetige Unzufriedenheit mit dem Erreichten, als Antrieb zu Neuem.

So viele kluge und kritische Geister in allen Rängen, aber bedauerlicherweise auch so viel gefährliches Halb- und Unwissen vor allem auch in den Meisterrängen.

Zwei kleine Wehmutstropfen schleichen sich aber dennoch in meine Freude über den regen Austausch und die fortschreitende Forschung. Zum einen dass mein Meister bisher, wie leider so oft, keine Reaktion auf meine Anliegen gezeigt hat. So sehr es mich erfreut ihn bei Veranstaltungen anzutreffen und von seinem Wissen dort zu profitieren, so sehr bedauert dieser Umstand mich, weiß ich das Ausbleiben einer Antwort docvh nicht einzuordnen.
Nun habe ich in letzter Zeit oft gehört, dass mein Denken und meine Antworten, die Handschrift meines Lehrers tragen. Einerseits erfreut es mich, ist er doch in seinem Gebiet eine echte Koryphäe, andererseits klingt es doch sehr danach dass ich keine eigene Handschrift mitbringe. Vielleicht zu wenig in Frage stelle?

So oder so, unabhängig davon, ich vermisse ihn. Den Austausch mit ihm, nicht nur fachlicher Natur, schlicht, seine Anwesenheit. Der Wunsch gewissermaßen Zeit außerhalb der akademischen Arbeit mit ihm zu verbringen, fühlt sich etwas paradox an, hege ich doch im Grunde nie de Wunsch, die Hallen der Akademie überhaupt zu verlassen. Sie ist mein Hort, mein Schutz, mein Zuhause.

Und dies führt mich zum zweiten Wehmutstropfen. Ich hatte heute ein Aufnahmegespräch mit einer Anwärterin. Und ich habe mich sehr darauf gefreut. Freut es mich doch jedes Mal, neue und interessierte Gesichter willkommen zu heißen, in diesen Hallen die ich so liebe und hoffe dass es für sie auch Zuhause sein kann. Diese jedoch, zeigte keinerlei Interesse daran. Sie scheint mit gesundem Ehrgeiz gesegnet, aber ich fürchte sie hat gänzlich verkannt dass reines Wissen nicht alles ist. Es geht auch um Verantwortung. Es ist nicht unsere Pflicht, angehende Hermetiker einzufangen und zu registrieren, sondern ihr Privileg Mitglied an der Akademie zu werden. Es schützt sie vor Ärger mit der Umwelt und sichert ihnen eine Ausbildung. Aber es verpflichtet sie auch sich zu integrieren und mit ihrem Verhalten Ärger von der Akademie fern zu halten. Am Ende geht es um Verlässlichkeit. Ich weiß dass etliche nicht diese innige Bindung zu unserem Institut haben wie ich, ich weiß auch dass es bei uns schwarze Schafe gibt, die kein gutes Licht auf uns werfen, ich weiß auch dass es Meister gibt die nur den Hexereitest durchführen und nach Prüfung der Grundlagen kein echtes Gespräch mehr führen um die Eignung zu garantieren. Solche Leute hat es hier vom Eleven bis zum Meister. Aber nur deswegen muss ich an mich und mein Handeln ja nicht die selben viel zu niedrigen Maßstäbe ansetzen.
Ich hoffe dennoch, trotz aller Respektlosigkeit die sie mir als potentieller zukünftiger Kollegin entgegengebracht hat, innständig dass sie sich noch besinnt und nochmals mit einer etwas anderen Haltung vorstellig wird.

Etwas Besorgnis erregt in mir, wie seltsam sich in mir langsam Gefühle regen. Verantwortlichkeit, der Wunsch sich um unsere Einrichtung zu kümmern, dass alles seinen Gang geht. Es fühlt sich gut an, seinen Platz gefunden zu haben, Kollegen zu haben mit denen man gut zusammenarbeiten kann. Ich habe das Gefühl angekommen zu sein, da wo ich hinwollte.
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RE: Tagebuch einer Wissbegierigen - von Saturia Ansua - 16.05.2014, 22:51



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