Tagebuch einer Wissbegierigen
#1
Eine junge Frau in einer leidlich passenden, aber sicher nicht maßgeschneiderten, Robe, die sie ein wenig zu verschlucken schien und ihre sehr zierlich anmutende Figur nicht gerade umschmeichelte, saß auf einer der Holzbänke vor der klingenden Münze in Löwenstein.
Ihre Haut war sehr blass, wenn man von den, durch die kühle Luft und die sie scheints unangenehm berührenden Gedanken, geröteten Wangen gedanklich Abstand nahm. Die Haare waren dazu passend von einem silbrigweiß schimmernden Blondton. Die ebenfalls zu hell geratenen, zumindest aber etwas grünlichblau schimmernden Augen, waren wenigstens ein ganz kleiner Farbklecks auf der Gestalt die sonst wirkte als hätten die Götter schlicht vergessen sie einzufärben, als sie ihren Eltern halfen sie zu formen. Der Gesichtsausdruck pendelte zwischen konzentriert, distanziert und unangenehm berührt, hätten die vorbeieilenden Passanten sie etwas genauer beobachtet, wärend sie in ihrem kleinen Büchlein herumkritzelte.
Sollte jemals jemand die Finger an dieses Schriftstück legen, würde er vermutlich befinden, dass die Schrift nicht ungeübt aber auch nicht sonderlich schön wäre.

Zitat:Freiungstag, 4. Gilbhart im Jahre 1400, Löwenstein

Gerade in der Akademie aufgenommen, ergreife ich bereits wieder die Flucht und suche mir eine ruhige Stelle zum schreiben. Eigentlich ironisch, denn die Akademie bietet mit ihren Arbeitsräumen und Bibliotheken, durchaus genug ruhige Orte um konzentriert und ohne Ablenkung zu arbeiten. Sollte man denken. Doch sobald ich einen der Arbeitsräume verlasse, stolpere ich beinahe unweigerlich jedes Mal über Meister Dryander. An sich wäre dies nicht störend, so er doch ein eigentlich durchaus angenehmer Zeitgenosse ist bisher. Ein kluger und gefasster Mann mit einem wachen Geist, einer bodenständigen Geisteshaltung die ihn aber wie es scheint nicht vom Streben nach Fortschritt abhält, ein höfliches, zuvorkommend und dennoch angenehm distanziertes Gebaren in Verbindung mit einem für meine Augen sehr angenehmen Äußeren, steht mir dann immer gegenüber. Zudem ist er der Sprecher des nekromantischen Zweiges der Akademie und somit die Person die, im Hinblick auf meine Interessen, mir vermutlich aktuell am meisten vermitteln kann.
Dummerweise scheint die Energie zwischen und jedoch gestört, ohne dass ich es genau benennen könnte. Seine Anwesenheit scheint mein Denkvermögen massiv einzuschränken und meine rhetorischen Fähigkeiten zu begrenzen. Zudem sind teils sogar die anatomischen Fähigkeiten gestört. Mein Temperaturempfinden, das üblicherweise gegen kühl tendiert, ist häufig durch spontane Hitzeschübe gestört, so wie die Hautspannung deutlich erhöht ist und die Färbung meiner Wangen ungewohnterweise recht rasch in einer Weile gegen rot tendiert, die ich lediglich von ausgeprägter Kälte (aktuell noch nicht vorhanden) und stark erhöhter Umgebungstemperatur (ich war nicht in der Nähe eines Kamins oder Lagerfeuers), kenne. Des weiteren sind auch Anfälle von Unkonzentriertheit wie wenn ich vergessen habe während meiner Lehreinheiten zu essen, und spontanes Versagen der ohnehin in zu geringem Ausmaß vorhandenen Muskelkraft (bevorzugt in den unteren Extremitäten) zu verzeichnen, was heute dazu geführt hat dass ich abgelenkt von seinem unerwarteten Gruß in Verbindung mit einer gewissen Ablenkung, induziert durch eine seltsames spontanes Aufwallen von Heiterkeit , zu einem sehr schmerzhaften und vor allem peinlichen Sturz die Treppe hinunter geführt hat.
Ich hoffe dass solche Zurschaustellung von Unfähigkeit, ihn nicht dazu veranlasst zu beschließen, dass ich ungeeignet bin weiterhin für kleine Assistenzdienste zur Verfügung zu stehen. Denn zum einen empfinde ich es als sehr angenehm einen Nutzen zu Erfüllen, vor allem einen so klar definierten, zum andren erhoffe ich mir davon eine gewisse Nützlichkeit auszustrahlen und Kompetenz in meinem Tun zu beweisen, auch ein etwas ungestörteres und von bürokratischen Hindernissen unbelasteteres lernen. Und, was zugegebenermaßen seltsam ist, da ich sonst üblicherweise keine solch sentimentalen und unberechneten unstrukturiert diffusen Überlegungen erliege, empfinde ich es als angenehm ihm mit Kleinigkeiten zur Seite stehen zu können.
Den Rest des Lehrkörpers, so wie die Schar meiner Mitstudenten, konnte ich bisher noch nicht kennenlernen. Ich hoffe dies ändert sich mit den ersten mir zu besuchen möglichen Unterrichtseinheiten. Eine Option das Geld dafür aufzutreiben hat sich noch nicht ganz ergeben. Aber die Gebühren sind überschaubar und etwas Geld scheint sich mit dem Verkauf von einfachen Gebräuen verdienen zu lassen. In so fern sehe ich das ganze eher unbelastet.
Lediglich eine weitere Eleve die mit mir aufgenommen wurde und einen Adepten der sich ihrer angenommen hat, habe ich getroffen. Sie scheint mittellos zu sein und sehr verschüchtert zu sein. Ihren persönlichen Wert scheint sie nicht hoch einzuschätzen und sie scheint nicht bereit zu sein um Hilfe und nach Lösungen zu fragen, sei es aus einem falschen Stolz oder aus Angst abgewiesen zu werden weil sie sich nicht dessen Wert einschätzt. Es scheint ihr einfacher zu sein auf der Straße zu schlafen und zu betteln. Mit dieser Einstellung ist sie in meinen Augen an der Akademie gänzlich falsch. Wer sich auf die Studien konzentrieren will, sollte in der Lage sein, mit Vertrauen mit andren zu arbeiten und sein Leben so zu organisieren im Vorfeld, dass die Störungen von Außen möglichst gering gehalten werden. Und zu solchen Störungen gehört auch ein über Gebühr knurrender Magen so wie diverse Krankheiten, zugezogen durch Kälte und Dreck auf der Straße. Ich jedenfalls möchte nicht angezündet werden weil sie sich nicht konzentrieren kann und in Gedanken schon dabei ist wo sie heute Abend einen sicheren und unbeschadeten Platz zum schlafen findet. In so fern ist es für sie erfreulich, dass der Adept sie mitgenommen hat und ihr Arbeit gegeben. Allerdings möchte ich festhalten, dass solche Weichheit und ausgeprägte Fürsorge für mich in der ernsthaften Umgebung von Hermetik und Forschung, gänzlich fehl am Platz sind. Wer so gänzlich nicht für sich sorgen kann, sollte erst einmal diese Dinge regeln, ehe er sich solchen Dingen widmet. Und wer seine mütterliche Ader ausleben will, der sollte diese Herzenswärme und dieses Mitgefühl , vielleicht lieber Kirche oder Armenhaus zur Verfügung stellen. Nicht dass ich dies nicht achte oder schätze und ganz sicher war es auch angenehm von einer Meisterin Drakenquell so herzlich empfangen und herumgeführt und versorgt zu werden, aber letztendlich sehe ich eine Verschiebung in den Prioritäten der Lehr- und Forschungsanstalt, wenn solches Schule macht.

An dieser Stelle verließ sie sehr sichtlich die Lust und Konzentration, denn kurz war der vorher ernste und fokussierte Blick abgeschwiffen, einem versonnenen Lächeln gewichen, das jeder andre, außer der verkopften und zwar höchst intelligenten und sehr gut organisierten, aber in emotional und sozial gefassten Thematiken, so gänzlich fern ab jeder Realität existierenden , jungen Frau, vermutlich bestens zu deuten vermocht hätte.
Und so hatte sie irgendwann, den Faden verloren, aber im Grunde alles wichtige notiert habend, das Schreibzeug und das Buch eingepackt und war zurück zu den vielen Büchern und Notizen und auch den Phiolen und Pülverchen, die ihre Existenz einrahmten und ihr gleichermaßen Halt, wie auch Grenze waren, zurückgekehrt.
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Tagebuch einer Wissbegierigen - von Saturia Ansua - 04.10.2013, 17:48



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