Wein und Weiber
#3
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Über ein Jahr war vergangen, seitdem Welf und ein Großteil seiner Verdwandten Löwenstein den Rücken gekehrt hatten. Und für ihn war der Abschied besonders schwer gewesen... zumindest kam es ihm so vor. Denn seine Heimkehr nach Silendir und zu den alten Verwandten war denkbar schwerer. Natürlich, einige der anderen, wie Theresia oder Kaspar, hatten sich in Zwietracht vom silendirer Teil der Familie abgespalten. Bei Welf jedoch war es ungleich schlimmer, war er doch als Novize aus der strengen Priesterschaft des Mithrastempel fortgelaufen, um sich zu seinen aufmüpfigen Vettern und Onkeln nach Servano durchzuschlagen. Und entsprechend kühl war auch seine Rückkehr aufgenommen worden. Freilich, einige hatten sich gefreut, allen voran seine Mutter, aber alle waren sie enttäuscht und missbilligten offen sein Verhalten. Aber das hätte er noch ertragen und er versuchte tapfer, sich als Schneider für die Familie wertvoll einzubringen. Doch schon nach wenigen Wochen, in denen er sein früheres Zuhause, das er aus Kindertagen kannte, wieder erkundete, musste er ernüchtert feststellen, dass es sich kaum verändert hatte. Und alles was ihm als Kind so viel Spaß gemacht hatte war natürlich mittlerweile langweilig, vorallem verglichen mit der Hauptstadt des Reiches. Und auch die Mädchen, von denen er damals in den Nächten in der Einsamkeit des Mithrastempels geträumt hatte, waren eine Enttäuschung. Es waren gewiss einige hübsche dabei, aber im Grunde waren es doch allesamt plumpe Bauerntöchter und die wenigen Pfiffigen oder Gescheiten, mit denen man noch einen interessanten Abend hätte verbringen können, waren schon verlobt, wenn nicht gar verheiratet. Und so stieg sein Unmut von Woche zu Woche und die Zeit, die er in der Schneiderstube verbrachte wurde immer weniger - zugunsten der, die er in der Dorfwirtschaft hockte, das köstliche Silendirer Bier trank, und dem immer gleichen Gejammer und den lahmen Geschichten der Stammtischbrüder lauschte. Eines Abend jedoch kam ein fahrender Händler in die Schänke und Welf schnappte einige Fetzen über Servano auf, auch Neuigkeiten aus der Hauptstadt. Der Händler selbst war natürlich nicht dort gewesen, aber ... nun Gerüchte eben.
Von da an wartete Welf jeden Abend fiebrig darauf, es möge doch irgend ein Reisender mit Neuigkeiten aus dem Osten kommen, was jedoch fast nie geschah, denn nach wie vor war die Grenze nach Servano geschlossen und auch keine Schiffe durften Löwenstein anlaufen. Erst Wochen später würde ihm wirklich bewusst, wie sehr es ihn wieder zurück nach Löwenstein zog. Und einmal gedacht, war der Gedanke, an eine Rückkehr von der Rückkehr sozusagen, aus seinem Hirn nicht mehr auszusperren. Freilich, der Abschied würde nicht leicht, da doch auf unbestimmte Zeit. Zwar nicht von den Verwandten, denen er ohnehin nichts wert war, aber doch von seiner Mutter, Onkel Janusch, Tante Theresia und allen voran seiner kleinen Schwester Gwendolyn. Doch im Grunde war der Entschluss schon gefasst.
Nach drei Tagen entbehrlicher Reise war Welf durch das Stadttor von Löwenstein geschritten. Er hatte nur das Nötigste mit sich nehmen können, denn zum einen wurde ihm dafür, dass er "die Familie schon wieder aufs schändlichste im Stich lasse" nicht erlaubt einen Esel, geschweige denn ein Pferd, aus dem Stall der Familie mitzunhemen. Zum anderen hätte er es damit sowieso nicht über die gesperrte Grenze geschafft. Es war auch so schon schwer genug gewesen, und seine gesamten Ersparnisse waren für das Schmiergeld der Grenzwache draufgegangen.
Wieder einige Tage später hatte er sich bereits prächtig eingelebt und eine Anstellung bei der Familie Fuchsenfelde gefunden, über die er recht glücklich war. Er war sich noch nicht ganz sicher, wie genau er seinen Lebensunterhalt am besten bestreiten sollte und stellte solange der Familie seine Dienste als Schneider. Jedoch war er gewillt, auch andere Aufgaben zu übernehmen. Denn neuerdings war er erfüllt von Zuversicht und Tatkraft wie selten in seinem Leben und er vermutete den Grund dafür in der allgegenwärtigen Betriebsamkeit, die in der Hauptstadt, vorallem aber auch in Candaria herrschte, einem Landstrich, den Welf noch nie zuvor besucht hatte und der ihm mit seinem windigen Klippen und dem wunderbaren Strand erfrischenden Schwung verlieh. An einem lauen Spätsommerabend dann befand er es an der Zeit, sich die Tavernen der Stadt genauer anzusehen und vielleicht neue Freunde oder alte Bekannte zu finden. Doch es war eine herbe Enttäuschung, denn es schien, als hätten sich alle Schankwirte zugleich gegen ihn verschworen, war doch in keiner Wirtschaft eine Menschenseele zu finden! Doch sein Glück hatte ihn nicht vollkommen verlassen - so hatte es zumindest vorerst den Anschein: Im neuen Hafen kam er ins Gespräch mit einer jungen Dame, recht hübsch sogar, die ihn bald schon auf ein paar Becher Rotwein zu sich einlud, was wohl selbstredend seiner charmanten Art zuzuschreiben war. Sie hatten gute Unterhaltung und zu fortgeschrittener Stunde dann... Nun, Welf wusste am nächsten Morgen nicht mehr, was ihn geritten hatte. Auf die berauschende Wirkung des Weins konnte er sich leider nicht herausreden, wie er es vielleicht schon manches Mal getan hatte, dafür waren die Mengen zu gering gewesen. Und außerdem konnte er sich noch an Alles erinnern, auch als es dann etwas... inniger geworden war. Nein, es musste etwas mit seiner inneren Aufgewühltheit zu tun haben, seiner entgütligen Entwurzelung aus der Heimat, vorallem aus dem Verwandtenkreis. Sein Selbstvertrauen schien darunter wohl doch gelitten zu haben, das gestand er sich zähneknirschend und mit einem gewissen Maß an Scham ein - besonders wenn er an den vorigen Abend zurückdachte.
Nun - und den Entschluss hatte er gefasst, sobald er sich auf leisen Sohlen aus ihrem Haus geschlichen hatte - so etwas würde nicht mehr vorkommen! Das war ihm zu... billig? einfach? zu oberflächlich gewesen? Irgendetwas in diese Richtung jedenfalls. Es widerte ihn schon beinahe an, dass er sich so leicht hatte hinreissen lassen, wie es doch tatsächlich gar nicht seine Art war - auch wenn vielleicht viele es anders argwöhnten, wenn sie über ihn sprachen.
Es blieb ihm deshalb nichts, als es so weit es ging wegzuschieben, ihr so gut es ging aus dem Weg zu gehen und vorallem möglichst schnell zu beweisen, dass er es anders konnte. Sich selbst beweisen. Gelegenheit würde es geben. Gab es immer.
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Wein und Weiber - von Welf - 09.07.2013, 16:03
RE: Wein und Weiber - von Welf - 15.07.2013, 14:52
RE: Wein und Weiber - von Welf - 01.10.2014, 07:31
RE: Wein und Weiber - von Welf - 14.10.2014, 20:12



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