Wein und Weiber
#1
[Bild: hl.png]
Welf erwachte mit flauem Gefühl in der Bauchgegend und gehörigem Durst. Er blieb still liegen, betrachtete die hölzerne Decke des Schlafraums und versuchte, den Zustand seines Magens einzuschätzen. Hm, schwer zu sagen… Entscheidend würde der erste Schluck Wasser werden. Er drehte den Kopf zur Seite. Mithras sei Dank… Dort stand ein Krug bereit. Welf konnte sich zwar nicht mehr daran erinnern, dass er ihn dort hingestellt hatte, aber er traute sich diese Vorsorglichkeit selbst im größten Suff noch zu. Halb richtete er sich auf seine Ellenbogen gestützt auf und sah sich um. Alle Schlaflager waren schon verlassen, die gesamte Familie war bereits auf den Beinen und hatte ihn gütiger weise liegen lassen. Mit schwachem Arm hob er den Krug an und setzte ihn an die Lippen. Wasser. Er trank gierig, bremste sich aber gleich wieder. Entweder mir wird jetzt innerhalb von kurzer Zeit schlecht, oder mein Magen hat doch nicht ganz auf Abwehr geschalten. Er ließ den Krug wieder zu Boden sinken und sank selber zurück auf die Matte. Während er auf die Antwort seiner Eingeweide auf die Flüssigkeitszufuhr wartete, sinnierte er über den vergangenen Abend.

Der Familienstammtisch war wegen der Ratssitzung und irgendwelcher Besprechungen in der Kirche kurzfristig verschoben worden. Da er sich aber dafür den Abend freigehalten hatte, war ihm nun langweilig. Und wenn einem langweilig war, so lohnte stets ein Blick in die Taverne. Also ging er die paar Schritte zur ‚Klingenden Münze‘ hinüber, aber da war nichts los. Naja es gibt ja noch drei andere Wirtshäuser in der Stadt. So ging er zuerst in den neuen Hafen und sah dort die Reste der Hochzeitsfeier, aber keinen einzigen Gast. Auf dem Marktplatz und in der dortigen Wirtschaft war ebenso tote Hose. Und in den alten Hafen zog es ihn irgendwie seit dieser letzten Sache nicht mehr. Also blieb er doch wieder in der ‚Münze‘ hängen. Er hockte sich draußen hin und genoss den lauen Heuertabend. Nach einem eher geschäftsmäßigen Gespräch mit einem Pärchen, das anscheinend irgendwie neu in der Stadt war, kam Tami, die Schankmaid aus dem ‚Baumelnden Wachmann‘ daher und setzte sich neben ihn auf die Bank. Deren Gesellschaft wäre ihm wohl selbst, wenn er derzeit nicht… vergeben? … gewesen wäre, eher lästig gewesen. Die gab sich allzu offen als leichtes Mädel, das war ihm irgendwie zu stumpf. Und nun wollte sie auch noch mehr über ihn wissen. Er lenkte das Gespräch aufs Schneidern und damit war sie dann auch erst einmal beschäftigt. Zu seinem großen Unbehagen saß Welf immer noch auf dem Trockenen, weil ja auch nirgends eine Bedienung zu finden gewesen war. Und die Schankmaid der einzigen Taverne, in der er noch nicht nachgeschaut hatte, saß nun neben ihm. Nichts zu machen… Aber plötzlich kam Taleris des Weges. Das änderte die Aussichten für den weiteren Verlauf des Abends schlagartig. “Na da schau her, wen das laue Sommerlüftchen daherweht!“ begrüßte Welf den Freund und stand auf.“Mithras zum Gruße!“, antwortete der und schaute dann sogleich skeptisch zu Tami, die in ihrer freizügigen Lederkluft auf der Bank saß. Manchmal hat er wirklich einen Stock im Arsch. Reuenthal schlug vor, zu sich nach Hause zu gehen, wo noch ein Faß Wein oder Met lagern dürfte. Welf war überaus froh über die Aussicht auf Trinkbares und auch darüber, seiner bisherigen Gesellschaft entkommen zu können.
Bei Taleris daheim war es dann aber doch, im wahrsten Sinne des Wortes, ernüchternd: Das Fass war nicht zu finden, er faselte was davon, dass ein Onkel es mitgenommen hatte, und so löffelten sie jeder eine Schale Fleischbrühe.
Immerhin besser als gar nichts, wie in der Taverne. Aber dann stellte sich heraus, das sein Freund ohnehin ernst mit ihm reden wollte. “Anabella hat mir gesagt, ich solle dich trösten…“. Zuerst war Welf verwirrt, aber dann dachte er, dass das mit der Aussprache zwischen Ana und ihm nach dem Faustkampfturnier zu tun hatte. Er fragte nach, wann sie das zu ihm gesagt hatte. “Gestern.“. Welf erschrak Oha! Was war denn nun wieder los? Seine Gedanken überschlugen sich förmlich, wobei er versuchte, sich äußerlich nichts anmerken zu lassen.Will sie schon wieder mit mir Schluss machen? Was habe ich schon wieder falsch gemacht? Oder war’s nur ein Missverständnis zwischen Ana und Taleris? Nein. Im Grunde ist es doch klar, ich habe mich wieder heimlich bei ihr reingeschlichen und damit mein Wort gebrochen… Er seufzte vernehmlich. Taleris musterte ihn mit besorgter Miene. Mithras, wie soll man das denn durchstehen, und auch noch ganz ohne Wein! Er beschloss, seinen Freund aufzuklären, über Anabella, ihr Problem, über diesen anderen Typen, den sie da hatte. Und er gestand ihm auch, warum es so schwierig für ihn war, sich offen zu Ihr zu bekennen.
Er war einfach noch nie jemand gewesen, der seine Frauengeschichten - wie man so schön sagt - an die große Glocke hängt. Er hatte das bei anderen immer als prahlerisch empfunden und das war nicht seine Art. Auch gegenüber den Mädels empfand er es als… uncharmant. Hinzu kam, dass seine Familie derlei Sachen eher missbilligte. Fast die Hälfte seiner Verwandten hier in Servano waren Priester, Novizen oder hatten sonst etwas mit der Kirche am Hut. Die schüttelten so schon oft genug den Kopf über seine Liebeleien. Und er wusste auch, dass selbst sein Onkel Janusch sich lieber ein Eheweib für ihn wünschte, anstatt immer wieder neuen Mädels. Also hatte er sich eine Heimlichkeit zugelegt, eine Art, seine Affären so zu gestalten, dass möglichst keiner davon Wind bekam. Und das ging zuweilen sogar recht weit, wie vor wenigen Nächten, als er sich in finstrer Nacht übers Dach durch ein offenstehendes Fenster in Anabellas Zimmer geschlichen hatte, nur um nicht von ihren Mitbewohnern erwischt zu werden, als er ihr einen Krankenbesuch abstatten wollte. Und das, obwohl er ihr kurz davor versprochen hatte, das mit dieser Geheimnistuerei Schluss sein würde.
Und genau das war es nun, was ich falsch gemacht habe. dachte er wieder bei sich, als er Taleris dies alles darlegte. Er musste unbedingt mit ihr reden, bald. Bevor sie wieder so viel grübelt!
Die Fleischbrühe war aufgegessen und beide hatten die Nase voll von diesem Gesülze über Beziehungen.
Ohne was zu Trinken ist das ja kaum auszuhalten dachte Welf und war sich sicher, dass auch der äußerlich so brav wirkende Taleris das Selbige dachte. Sie entschlossen sich, es doch noch im ‚Baumelnden Wachmann‘ zu versuchen, vielleicht war Tami ja dorthin gegangen, als sie sie einfach sitzen gelassen hatten. Leider war dem nicht so: Bis auf einen unbekannten, stillen Typen in einer Ecke war die Taverne leer. Taleris schlug, wohl der Verzweiflung nahe, vor, sich einfach selbst zu bedienen und dafür das Geld am Tresen zurückzulassen. Welf war einverstanden und zapfte die ersten beiden Becher Wein, denen noch viele folgen würden. Der Mann in der Ecke hatte auch nichts dagegen. Sie exten den ersten Becher sogleich, sie hatten ja etwas nachzuholen. Jedenfalls wurde Welfs Erinnerung von da an löchrig. Er wagte einen weiteren Schluck Wasser, es schien ihm - Mithras sei Dank! - zu bekommen. Einzelhafte Bruchstücke des weiteren Abends schwirrten durch seinen Kopf, wie Taleris‘ Idee, eine eigene Taverne zu eröffnen, die den Namen ‚Zur unentschlossenen Jungfrau‘ oder so ähnlich, tragen sollte. Oder Taleris, wie er, in beiden Händen einen Becher, den Zapfhahn des Weinfasses mit dem Fuß bediente, und eine mittelgroße Weinlache auf den Boden verursachte. Und dann war da noch irgendeine, sicherlich geistreiche Diskussion über durstiges Holz… oder war es verzaubertes Holz? Irgend so etwas jedenfalls.
Bestens erinnern jedoch konnte er sich an das Ende des Abends: die Tür war krachend aufgeflogen, ein griesgrämig dreinblickender, gewaltiger Mann war hereingekommen, brüllend, was hier los sei und war sogleich an den besoffenen Taleris herangetreten, der hinter dem Tresen den Schankwirt mimte. Die Faust des Kerls, der sich als der Tavernenbesitzer Nikolaj herausstellte, schlug fast genauso krachend in Taleris‘ Gesicht, wie zuvor die Türe gegen die Wand. Welf hatte das Ganze mit der Gelassenheit des Betrunkenen beobachtet und wollte nun bereitwillig die Zeche bezahlen, wenn nun schon der Wirt persönlich da war. Plötzlich plärrte eine aufgebrachte Frauenstimme hinter ihm, was denn diese Brutalität solle. Erst jetzt ging Welf auf, dass sie ihn bereits Augenblicke zuvor freundlich mit seinem Namen begrüßt hatte, und er konnte sich nun dunkel an sie erinnern… Analope Jehann, oder so… Er lächelte blöde, während die aufgebrachte Dame sich anscheinend tatsächlich mit dem Wirt ernsthaft anlegen wollte.
“Komm, wir gehen. Ich glaub die hat was am Kopf.“ flüsterte er relativ laut seinem Freund zu, den die Abreibung anscheinend wieder um einiges frischer gemacht hatte. Der freundliche Wirt schenkte ihnen beiden noch je eine Flasche billigen Fusel, bevor sie aus der Tür fielen und Reuenthal erst einmal auf die plattgetrampelte Erde kotzte. Das Röcheln seines Freundes war das letzte, an das sich Welf noch erinnern konnte. Danach war er wohl heimgestolpert.
Welf kratzte sich grübelnd am Kopf. Es war Zeit aufzustehen. In ein, zwei Stunden würde er ehrfahrungsgemäß ein wenig Zwieback essen können…
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Wein und Weiber - von Welf - 09.07.2013, 16:03
RE: Wein und Weiber - von Welf - 15.07.2013, 14:52
RE: Wein und Weiber - von Welf - 01.10.2014, 07:31
RE: Wein und Weiber - von Welf - 14.10.2014, 20:12



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