Das Triummulierat der Lügen
#1
„Warum haben wir noch nichts gefunden?“ Wollte die Vermummte wissen und schritt unruhig auf und ab.
„Weil sich keine von uns mit Kräutern auskennt?“ Schlug eine junge Frau undeutlich vor und genehmigte sich sogleich die nächste Gabel mit Kuchen.
„Kinder, beruhigt euch!“ Gebot eine Frau im fortgeschrittenen Alter, die mit der jungen Frau am Tisch saß.
„Sag du mir nicht, was ich zu tun habe! Du bist nicht älter als ich.“ Fuhr die Vermummte sie an.
„Achja? Ich könnte deine Mutter sein! Euer beider Mutter!“ Empörte sich die Dunkelhaarige mit den ersten grauen Strähnen im Haar.
„Wir hätten nie zu ihr werden dürfen!“ Brummte die Vermummte finster die junge Frau mit dem Kirschkuchen an. Diese zuckte nur mit den Schultern, während sie mit vollem Munde kaute.
Die Vermummte brummte etwas und hob unwirsch die Hand, als die ältere Frau etwas sagen wollte.
„Zwist ist uns nicht förderlich! Also, Vorschläge?“ Die Vermummte funkelte die beiden anderen ungeduldig an. Die junge Frau wars, die sich zuerst regte. Sie würgte ihren Bissen hinab und ergriff das Wort.
„Wir brauchen einen Kräuterkundigen. Einen der uns sagen kann wie Alraunen aussehen. Einen Mordplatz finden wir schon selbst, es ist ja nicht so, dass wir keine kennen würden.“
„Kennen wir einen Kräuterkundigen, der uns helfen kann ohne fragen zu stellen?“ Hakte die Vermummte nach und nun mischte sich die Ältere wieder ein.
„Der Neffe! Er könnte uns helfen. Er kennt bestimmt einen Kräuterkundigen.“
„Hm... ja... das wäre eine Möglichkeit. Ihn zu fragen schadet zumindest nichts.“ Nickte die Vermummte.
„Ich kann auch die Söldner fragen.“ Schlug die junge Frau vor und lächelte wie die Unschuld selbst. „Ich bin mir sicher, dass es unter ihnen auch Kräuterkundige gibt. Dort gibt es ja bekanntlich alle möglichen Leute.“
„Oh, der Meister wird nicht erfreut sein, wenn er erfährt bei wem wir Wissen suchen, wer von uns verlangt eine Alraune an einer Mordstätte zu finden. Sie mögen sich nicht, hörten wir.“ Wagte die ältere Frau den Einwand und diesmal reagierte die Vermummte nicht unwirsch, sondern nickte nachdenklich.
„Wir müssen es ihm ja nicht sagen. Es wäre wenig förderlich, wenn er uns zürnen würde. Wir benötigen sein Wohlwollen noch eine Zeit lang. Wenn wir selbst die Meisterschaft errungen haben werden wir sehen, wie es weiter geht.“
„Ich bin dafür, dass wir zu Vater zurück kehren und von ihm lernen, unsere Ausbildung abschließen. Wir sind die kommende Iverstyn!“ Meinte die junge Frau eifrig und schob sich den nächsten Bissen Kirschkuchen in den Mund, während die anderen beiden Frauen nickten.
„Es ist sicher wichtig, immerhin schulden wir es unserer Blutlinie.“ Stimmte die ältere der drei Frauen zu, wirkte jedoch nicht wirklich überzeugt. „Aber wir haben uns hier etwas aufgebaut, das möchte ich nicht zurücklassen. Und... da ist noch die andere Sache... wir benötigen einen geeigneten Mann.“ Damit faltete sie die Hände über dem flachen Bauch.
„Du weißt was ich von Männern halte...“ Brummte die Vermummte.
„Geht mir doch genau so, aber wir schulden es der Blutlinie, sie darf nicht enden.“ Nuschelte die junge Frau mit vollem Mund und widmete sich ihrem Kuchenstück, welches seit die Unterhaltung begonnen hatte nicht kleiner wurde.
Die Vermummte seufzte vernehmlich. „Ist ja gut, aber eines nach dem anderen. Erst müssen wir wissen wie eine Alraune aussieht, dann müssen wir eine an einem Mordplatz finden, damit der Paktierer uns etwas über die Artefakte lehrt, wobei wir es nicht unbedingt dem Meister erzählen sollten. Dann können wir uns weitere Gedanken über unsere Meisterschaft machen und wer ein geeigneter... Vater für unser Kind wäre. In dieser Reihenfolge, meine Damen. Sonst werden wir nie dazu kommen zu erledigen, was Vater uns aufgetragen hat. Können wir uns darauf einigen?“
Sie sah die beiden anderen an, die zustimmend nickten.
„Gut, dann können wir jetzt ja weiter.“


Das Zimmer verblasste und sie schlug die Augen auf. Sie zog die Maske aus dunklem Karmesin über und eilte durch die Löwensteiner Kanalisation. Sie würde ihren Neffen aufsuchen müssen, das war der nächste Schritt auf ihrem Weg.
[Bild: raddessein.gif]
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#2
„Hat eine von Euch eine Idee?“ Kam es dumpf unter der Maske aus rotem Karmesin hervor.
„Ich habe auch so schon genug Sorgen...“ Seufzte die ältere Frau mit dem graugesträhnten Haar.
„Vielleicht weiß Bastian etwas?“ Erklang es von unter dem Tisch und die ältere Frau beugte sich hinab und hob das Tischtuch an.
„Was machst du denn dort unten?“
„Ich versteck mich!“ Kam es leise zurück von der jungen Frau die dort unten saß und eine flackernde Kerze in Händen hielt.
„Wovor denn?“ Wollte die Älteste im Raume mit mütterlicher Liebenswürdigkeit wissen, doch krabbelte die Jüngste nur noch weiter ins kerzenerhellte Dunkel unter dem Tisch, während sie leise hauchte: „Vor den Toten... die Toten haben mir weh getan...“
Die Ältere nickte, deutlich bleicher geworden, ließ das Tischtuch wieder sinken und erhob sich, die Karmesinrote anblickend.
Die seufzte nun ihrerseits, wenn auch genervt.
„Bastian hat nichts gesagt.“ Brummte sie und handelte sich von der Älteren einen tadelnden Blick ein.
„Er hätte sicher mehr zu sagen gehabt wenn du ihn nicht gewürgt hättest!“
„Ich habe ihn nicht gewürgt!“ Widersprach die Karmesinrote zornig.

In einem idyllischen Tal in Laskandor, wo Fuchs und Hase sich Gute Nacht sagen, Gräber und Ritualkreise nur einen Schritt voneinander entfernt sind und der Leben fressende Düsternebel jenseits des Tales dafür sorgt, dass es keinen unliebsamen Besuch gibt hallt der Schrei einer Frau durch die trotz des Sommers kühle Luft.
„WAS SOLL DAS HEIßEN DU WEIßT ES NICHT? WIE KANN EIN VERMALLEDEITER, VON DEN GÖTTERN VERFLUCHTER KRÄUTERHÄNDLER NICHT WISSEN WO ICH DIESE ELENDEN ALRAUNEN FINDEN KANN? BAS MALLAICHTE! WIE SIEHT DIESES DEINGEAD KRAUT AUS? LOS SPUCK ES AUS!“
Der arme unglückselige Kräuterkundige Bastian entschied sich indes zur Antwort einen noch dunkleren Blauton anzunehmen, während er zunehmend kraftloser versuchte die in dunkles Karmesin gehüllte Hände von seinem Hals zu lösen. Zu seinem Glück war er in diesem Tal aber nicht alleine mit der wütenden Vermummten, so dass ein paar der Anwesenden eingriffen und ihn vor dem Erstickungstod bewahrten.
Eine Antwort konnte er der Frau jedoch dennoch nicht geben, auch wenn er es liebend gern getan hätte... er hing an seinem Leben.


„Nagut, vielleicht ein bisschen, aber dieser Kerl ist auch unfähig.“ Brummelte die Karmesinrote in ihre Maske.
„Das hat der arme Bastian nicht verdient.“ Kam es von unter dem Tisch.
„Wohl wahr,“, stimmte die Älteste der Frauen zu und blickte nachsichtig auf den Tisch, „aber leider war er bislang der einzige greifbare Kräuterkundige. Wann immer wir gefragt haben bekamen wir zwar Namen, aber auch nur eine dieser Personen zu treffen gelang uns bislang noch nicht. Oh, gewiss können wir in der Akademie nachfragen, aber dann werden Fragen gestellt. Was wollen wir denn mit solch einer magischen Pflanze? Wir können keine unverdächtige Erklärung liefern.“
Die Karmesinrote massierte sich indes die Schläfen und brummelte etwas von „nur Unfähige“.
„Wenn wir nicht bald so eine deingead Alraune finden laufen wir Gefahr es dieses Jahr nicht mehr zu schaffen. Den gesamten nächsten Mond werden wir nicht in Amhran sein.“
„Was? Wieso denn das? Ich soll schon wieder mein Geschäft leer stehen lassen?“ Die Ältere war alles andere als begeistert, als sie die Karmesinrote anfunkelte, doch die Erklärung folgte von unter dem Tisch.
„Ich muss zu Vater. Die Zeichen sind beschädigt. Tut mir Leid...“ Erklang es leise und wehleidig.
„Die Zeichen? Ach Liebes... ist das wirklich so wichtig?“ Seufzte die Ältere ohne Begeisterung, nur um von gleich zwei Seiten niedergeschrien zu werden.
„DIE ZEICHEN SIND HEILIG!“ Es klingelte ihr regelrecht in den Ohren.
„Du verbringst zu viel Zeit in Gegenwart der Rotkutten!“ Schalt die Karmesinrote die ältere Frau und gab ihr eine Hand voll Zuckersteine.
Diese verkniff sich einen bissigen Kommentar dazu und beugte sich mit den Zuckersteinen etwas am Tisch hinab. Sie vermied es wegen ihrem schlimmen Bein in die Hocke zu gehen, doch waren die Zuckersteine auch so von unter dem Tisch zu sehen. Es verging eine geraume Zeit in der sich die Ältere überlegte sich nicht doch wieder aufzurichten, da ihr allmählich der Rücken weh tat. Andererseits war das wohl nur gerecht. Sie vergaß nur all zu gern was wichtig war und die Zeichen waren wichtig, sie waren heilig.
Endlich bewegte sich das Tischtuch und eine Hand kam zögernd darunter hervor und griff sich einen der Zuckersteine aus den Händen der älteren Frau. Die Hand verschwand wieder und das charakteristische Knirschen erklang, wenn jemand einen Zuckerstein zerbiss.
„Komm her Liebes, dann gibt es so viele du essen willst.“ Sprach die ältere Frau mit einem wärmenden Lächeln.
„Versprochen?“ Erklang es misstrauisch, aber auch begierig von unter dem Tisch.
„Ganz fest versprochen!“
„Und die Toten?“
„Hier sind keine Toten, denn wir beschützen dich.“
„Ehrlich?“
„Großes Jurenehrenwort und drei mal auf den Boden gespuckt.“
„Na gut.“ Meinte die Stimme unter dem Tisch und langsam kam die junge Frau darunter hervor gekrabbelt, setzte sich davor auf den Boden und ließ sich die restlichen Zuckersteine in die hohle Hand geben.
Zufrieden naschend saß sie da, während die beiden anderen sich an ihre Seiten stellten und auf den Rücken der Jüngsten blickten.
Das Hemd verschwand und offenbarte die heiligen Symbole die unter die Haut ihres Torsos gestochen worden waren, ebenso wie die frische noch nicht besonders gut verheilte Narbe. Noch einen viertel oder einen halben Mond und die Wunde, die der Tote auf ihrem Rücken gerissen hatte würde aussehen wie vor Jahren geschlagen und sie verheilte jetzt bereits besser als es das Bein je getan hatte. Dennoch waren die Zeichen an dieser Stelle zerstört worden.
„Ich gehe davon aus du hast bereits ein Schiff, welches uns zu Vater bringen wird?“ Wollte die ältere Frau von der Vermummten wissen, welche nickte.
„Ay, Ende dieses Mondes läuft eines aus.“ Meinte diese und verblasste gemeinsam mit der jüngeren Frau und dem Zimmer.

Die ältere Frau erhob sich in Ruhe, legte ein paar Münzen in die Opferschale und verließ nach dem Gebet die Kirche des Mithras um nach Hause zu gehen.
[Bild: raddessein.gif]
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