[Rezeptforschung] [JdR] Vom Mondstahl
#11
Gerlach war wie vom Erdboden verschluckt. Vermutlich hatte diese Mischung aus einem Schmied, einem Schreiberling, einem Träumer und einem Historiker wieder einmal irgend eine haarsträubende Geschichte über irgend einen vergessenen Schatz, den abgebrochenen Backenzahn eines Heiligen oder den Misthaufen irgend eines legendären Monsters aufgeschnappt und jagte diesem Hirngespinst jetzt wieder einmal nach wie der Dämon der armen Seele...
Goran seufzte schwer, Verlässlichkeit war leider wirklich nicht Gerlachs Stärke. Bis zum Ende der letzten Woche hatte dieser sich Bedenkzeit für die Antwort auf Gorans Angebot, den Jüngern als vollwertiges Mitglied beizutreten erbeten. Die Frist war gekommen und verstrichen, ohne das der Bursche sich noch einmal gemeldet hätte. Nun sei es drum. Die Plattenbeine aus Mondstahl würden sich nicht von selbst schmieden und so blieb es wohl am Meister hängen, endlich jenes Werkstück zu fertigen, das die Plattenrüstung an deren Herstellung er so viele Monde mühselig und schweißtreibend gearbeitet hatte, komplettieren würde.
Ärgerlich war jedoch, dass gerade dieser Teil der Rüstung einen nicht unerheblichen Arbeitsaufwand in sich barg, von den Unsummen an Materialkosten die er verschlingen würde, einmal ganz zu schweigen. Vermutlich würde Goran seinen Hort fast restlos plündern müssen, ein Umstand der ihm einiges Bauchgrimmen bereitete, Mondstahl war unglaublich kostbar und mehr als die Hälfte seines Vermögens hatte Goran in ihn investiert, in ein Metall von dem er noch nicht ein einziges Werkstück verkauft hatte. Das würde sich bald ändern müssen, denn er konnte es sich nicht leisten all seine liquiden Mittel in Werkstoffe zu stecken, dafür war der Betrieb einer Schmiedewerkstatt zu kostspielig.

Hrm... doch unabhängig vom schnöden Mammon blieb es ein enormes Stück Arbeit und er war allein. Fast ungewollt griffen seine Finger nach dem Pergament auf dem Durias ihm die Nachricht hinterlassen hatte. Durias. Er hatte sich gefreut zu hören, dass dieser zum wahren Glauben gefunden hatte, gerade weil er Durias als großzügigen und kameradschaftlichen Schmiedekollegen schätzte. Allerdings hatte ihn der Glaubenswandel des Leibeigenen auch mit gewisser Skepsis erfüllt, hatte jener doch häufig Auflehnung gegen seinen Herren und rebellische Züge gezeigt, das waren eigentlich nicht die Eigenschaften eines braven Mithrasgläubigen. Aus diesem Grund hatte er sich eigentlich Zeit damit lassen wollen, Durias in die Bearbeitung von Mondstahl mit einzubinden, doch Gerlach war verschwunden, Sarah beschäftigt und so blieb ihm kaum eine Wahl. Er horchte tief in sich hinein, fühlte auf das was sein Herz ihm über Durias zu sagen hatte und entschied sich schließlich das Risiko zu wagen und dem Mann einen Vertrauensvorschuss zu geben.
Wie so oft in den letzten Tagen ergriff er seine Feder um ein Schriftstück aufzusetzen:

[Bild: Schmiedsymbol_klein.gif][Bild: Schmiedsymbol_klein.gif]
Mithras grenzenlose Wärme mit Dir Durias!

Du findest mich zwar überrascht doch erfreut über Deine Bekenntnis zum wahren Glauben! Ich bin begierig zu erfahren, was Deinen Sinnes- und Lebenswandel hervorgerufen hat!
Deine Informationen sind überdies richtig, ich bin der Kopf der Jünger des Ranos. Wieso kommst du mich nicht morgen einmal in der Schmiede im Eisenthal besuchen? Ich könnte ein paar kräftige Hände gebrauchen die mir bei der Bearbeitung eines ganz besonderen Werkstückes helfen. Dabei kannst Du mir dann auch Deine Geschichte erzählen.

Ranos zur Ehr!

[Bild: Goransig.png]
[Bild: Goransiegel.png]
[Bild: Schmiedsymbol_klein.gif][Bild: Schmiedsymbol_klein.gif]
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#12
Goran hatte sich nicht verändert und das war eine Beobachtung, die der Mann mit einer gewissen Verwunderung machte - um sich dann umso mehr über sich selbst zu wundern. Stabilität war an sich einer der Garanten der Zivilisation und die wenigsten Menschen umarmten die Herausforderung des stetigen Wandels.

'Was ist das Problem mit meinem Umgang, dass ich über einen Mann staune, der ist, was er ist. Ohne Falsch und ohne Zweifel?'

Der Gedanke war den ganzen Abend über geblieben, ein kleinen Flüstern im Hinterkopf, während er den Erläuterungen des Meisters lauschte und mit der Zange arbeitete, mit der Walze und dem schweren Hammer. Der alte Mann, daran gab es keinen Zweifel, war viel erfahrener als er selbst, viel geübter und routinierter im Zusammenfügen der Metallverbindungen, im Zurechtbiegen und Formen, im Abschätzen, was brauchbar war und was nicht. 

Trotz des ungewohnten Materials ging die Arbeit viel rascher voran als der Mann gewohnt war - und er machte sich nicht die Mühe das warme Gefühl von Neid im Magen zu unterdrücken.

Neid, das hatte er schon vor langer Zeit gelernt, war gut. Neid war Leben und Streben und die Wendung zu Mithras hin, hatte dieser Ansicht keinen Abbruch getan. Den Meister bei seinem Tun zu beobachten, zeigte was möglich war.

'Was auch für mich möglich ist.'

Natürlich waren das nicht die ersten Plattenbeine, an denen der Mann gearbeitet hatte: Unvergessen waren die zahlreichen missglückten Versuche aus Stahl und Bronze bevor das gewollte Zusammenspiel das erste Mal den Vorstellungen entsprochen hatte und die Erinnerung an die Schmerzen der aufgeriebenen Schienbeine war genauso lebendig. Form allein war nicht alles - eine Lektion, die nicht nur in Bezug auf die Frauenwelt ihre Berechtigung hatte. 

Und trotz aller Ähnlichkeiten war die Arbeit heute anders und das lag nicht allein an der Anwesenheit und den Hinweisen des Meisters: Das mondsilberne Metall zu bearbeiten fühlte sich eigenartig an, jeder Hammerschlag erinnerte daran, dass dies nicht nur schnöder Stahl war, dem die Form aufgezwungen sein wollte.

Dieses Material war in der Esse gereinigt und geschmolzen worden, der gleich zwei Heilige ihren Segen verliehen hatten. Der Esse, die all die Zeit verborgen unter dem Stein gewartet hatte, gar nicht so weit von den Tunneln entfernt, in denen der Mann selbst fluchend taubes Gestein nach Reichtümern durchwühlt hatte.

'Und dann fand ich den Reichtum gar nicht im Berg.'

Die Erinnerung an das daheim wartende Gold brachte ein Lächeln auf die Züge des Mannes, trotz der tadelnden Ermahnung des Meisterschmiedes.

"Nochmal Durias. Besser aufpassen."

Die Aufmerksamkeit heftete sich einmal mehr an das Werkstück, aber ein Teil der Gedanken blieb dort in der Ferne beim wartenden Schatz.
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#13
Die Tage waren wie Fieberträume gewesen - zusammenhängend, ineinanderübergehend, beunruhigend und heiss.

An die Kühle von Kellern gewohnt, hatte Gerlach ohne Unterlach geschwitzt und die Speicher verflucht, die Schreiber vergangener Zeit und die Archivare, die der Meinung waren, dass ihre wertvollen Schriften luftig gelagert werden mussten.
Luftig. 

In Anbetracht der Hitze ein Gedanke, der einen Mann zum Brandstifter machen konnte.

Es waren nicht einmal nur fremde Schriften, die Gerlach in diesen Tagen studierte, sondern auch eigene Notizen, zusammengeworfen während früherer Forschungen: Über die Kanalisation, über den Flüsterwald und das Treiben des Liches. Historische Hetzschriften gegen Indharim gemeinsam mit neueren Kriegsrufen, die bereits drei Jahrzehnte lang in Archiven verblichen waren.

Und das, so begriff Gerlach, während er eine der Rollen wendete, war die eigentliche Erkenntnis bei all der Suche: Er war noch immer nicht bereit zu dienen. Unfähig zu vergessen, unfähig zu vergeben. 

Kaum ein Wassermass später machte sich ein Bote auf den Weg ins Eisenthal



Zitat:Mithras Segen,

Ich hatte einige Zeit über dein Angebot nachzudenken - mehr als mir zustand. Du ahnst den Grund für die Dauer, für das Herauszögern des Unvermeidlichen aber Richtigen: Ich bin nicht bereit. 

Nicht heute. Nicht nächsten Monat. Vielleicht nie.

Wie vereinbart, werde ich über das erworbene Wissen schweigen, zu keiner Menschenseele davon oder darüber sprechen.

Die Jünger des Ranos werden auch ohne mich den Ruhm und die Ehre von Mithras mehren.

Gerlach Ganter
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