Metallwerk in der Finsternis
#1
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Pain clears the mind of thoughts
Let pain clear your mind of all thought
so that the truth may be known
(Life - Charlie Crews)
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#2
Ich wusste nicht, welcher Dämon mich geritten hatte, als ich mich für den Bau des Blutbrunnens meldete. War es dieses merkwürdige Schauspiel, welches der Meister und Archont aufführten und von dem ich mir wünschte, es würde ebenso rasch wieder aufhören wie es begonnen hatte, denn es konnte nur zu einem unguten Ende führen? Oder war es doch der innere Wunsch, sich mit mehr als Sauferei und Prahlerei hervor zu tun? Ich war bei Weitem besser darin, Dinge zu zerstören, zu behöhnen, schlecht zu reden. Wie auch immer, meine Hand hatte sich gemeldet und mein Verstand polterte mit einigem Verzug hinterher und fluchte über diese Dummheit.

Die nächsten Tage verbrachte ich damit, passenden Handwerker aufzutreiben. In den schlammigen Gassen des Armenviertels natürlich, dem Teil des ach so prächtigen Löwensteins, welcher den Auswurf der Gesellschaft beherbergte. Was die Sache natürlich nicht gerade einfacher machte. Doch bekannte Namen konnte ich für diese Art von Bauarbeiten nicht einspannen; es würde auffallen, wenn ein renommierter Handwerker plötzlich von der Bildfläche verschwinden würde und unangenehme Fragen nach sich ziehen.

Schließlich, mit der richtigen Mischung aus Überredungskunst, Schmeichelei, Versprechungen, Gold und nicht zuletzt Alkohol - ja, ich wurde rückfällig, aber für einen heiligen Zweck - hatte ich zwei Kreaturen gefunden, welche fähig genug schienen, einen Brunnen zu mauern. Ich nannte sie Eins und Zwei, denn ich hielt es für besser, nicht allzuviel von ihnen zu erfahren. Zu wissen, dass der eine dank Schnaps und der andere aufgrund seiner Gutmütigkeit und faktisch nicht vorhandenen buchhalterischen Fähigkeiten alles verloren hatte, reichte mir vollkommen. Nicht, dass sie mir noch ans Herz wuchsen. Haha.

Ich führte sie zum Unterschlupf und nachdem sie das Versteck betreten hatten, schloß ich die Stahltüre klammheimlich ab. Es war vollkommen klar, dass nur ich wieder das Tageslicht erblicken würde. Dann machten wir Drei uns ans Werk, denn Material in Form von Steinen, Spachtelmasse und natürlich Rum und Schnaps für die fleissigen Handwerker, war bereits vorhanden. Ich musste mich darauf verlassen, dass die beiden halbwegs wussten, was sie da taten, als sie begannen, Stein um Stein zu bearbeiten, aufzuschichten, zu verputzen … Auch ich legte Hand an und zu den dunklen Flecken aus Morast und eingetrocknetem Blut auf meiner Lederkluft kamen nun frische Spuren aus Steinstaub und Lehm.

Unter der Erde verliert man recht rasch alles Zeitgefühl und wir hätten gerade mal einen Tag oder vielleicht schon Wochen dort unten verbringen können, hämmernd, spachtelnd, saufend. Während der ganzen Zeit musste ich Eins und Zwei bei Laune halten, entweder durch Arbeit oder durch lustige Anekdoten oder durch die Ausgabe von Fressen und Suff - ein Innehalten und Nachdenken hätte wohl dazu geführt, dass die beiden langsam aber sicher hinterfragen würden - ungeachtet der versprochenen unanständigen Entlohnung - was sie eigentlich hier unten trieben und wohin dies führen sollte, eventuell hätte einer noch da draußen gewollt und an der verschlossenen Tür gerüttelt …

Irgendwann war es endlich vollbracht: Die beiden hatten ein recht imposantes, in Stein eingefasstes Becken erschaffen. Die Mauern waren einigermassen gerade, die Innenseiten wasserfest verputzt, was sie mit Hilfe eines rasch entleerten Fasses und kurzer Wartezeit erfolgreich prüften. Ich war zufrieden und konnte nur hoffen, Meister und Archont würden wenigstens in diesem Punkt einer Meinung mit mir sein. Ein letzter Schluck vom Birnenschnaps, ehe ich den beiden Männern deutete, dass ihr Lohn auf dem Tisch liegen würde.

Während sie wie die Schweine mit ihren Schnauzen im Dreck in den prallen Beuteln wühlten, riss ich den Kopf von Eins zurück und schnitt in einer kurzen, kräftigen Bewegung seine Kehle durch. Die schockstarre Überraschung von Zwei ausnutzend, trieb ich den Dolch in seine Seite. Eins taumelte röchelnd umher, die Hände am Hals, während Zwei sich vor Schmerzen krümmte. Ich stieß die beiden Richtung Beckenrand und drückte ihre Köpfe in das Wasser, welches in friedlicher Stille immer noch darin waberte. Ob sie nun ersoffen oder verblutet waren, war mir einerlei. Ich musste ihre in Agonie zuckenden Körper noch eine Weile festhalten, ehe sie leblos über dem Rand hingen, ausblutend. Immerhin, die Umfassung brach auch mit der Last der beiden Körper nicht in sich zusammen und hielt das Blut-Wasser-Gemisch sauber im Becken.

Der letzte Akt, der dann doch eine Art von Zerstörung mit sich gebracht hatte, endete damit, dass ich die Hinterlassenschaften der Arbeit wegräumte und die Leichname entsorgte - wo und wie war wohl eine andere Geschichte. Vielleicht würden recht blutleere Körperteile irgendwo auftauchen, wo die irrgartenartige Kanalisation sich im Meer ergoss, vielleicht hätten die Ratten auch schon ihr übriges getan und sich in einem Festschmaus fett gefressen.
... wer die Hand in Blut wäscht, muß sie in Tränen baden ...
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#3
Böses Blut

Das größte Problem mit dem Meister war, dass man nicht Nein sagen konnte zu ihm. Und das war keine süßliche Aussage, die seinen Charme unterstreichen sollte. Wenn jemand charmebefreit war, dann wohl der Meister. Theoretisch war ein Nein natürlich möglich. Es war ja nicht so, als würde einen die Erde verschlucken, sobald man das Wort aussprach. Aber auszuprobieren, welche Kette von unliebsamen Konsequenzen im Falle eines Widerworts blitzschnell in Gang gesetzt würde, wenn man es ihm wirklich und wahrhaftig ins Gesicht pfefferte, war ihre Sache nicht. Die Konsequenzen für ihr eigenes Gesicht - sagen wir, sie wären ungut genug und bestünden vermutlich aus Kardes Pfeile, Mendozas Fäusten und Schätzchens Fußtritten. Das musste nicht sein. Sie mochte ihr Gesicht in seinem Urzustand. Wozu der Neue, Wallehaar, wie sie ihn bei sich nannte, so im Stande war, konnte man nicht sagen. Auch nicht, ob er sich im Fall des Falles für Pfeile, Fäuste oder Fußtritte entscheiden würde. Was in seinen hübschen Fingerchen so schlummerte, behielt er noch für sich. Er wirkte weich. Unverdorben. Lächelte zu oft. Aber der Meister sah Potenzial in ihm, dem stillen Wässerchen, und wenn sie eines gelernt hatte, dann, des Meisters Wort nicht zu bezweifeln. Jedenfalls nicht, wenn die Zweifel an sein Ohr dringen konnten. Die Aufgabe, die ihr und dem Grünschnabel gestellt worden war, würde ja zeigen, wes Geistes Kind Herr Mein-Haar-ist-so-perfekt-dass-mich-noch-die-Strastenberg-darum-beneiden-würde war. Sie sollten also den heiligen Brunnen an seinem Ursprungsort ab- und an einem neuen, besseren Ort wieder aufbauen.

Zum Inhalt des Blutbrunnens hatte ihr keiner etwas gesagt, aber wer in einer aufstrebenden Verbindung wie dieser nicht auf der Stelle treten wollte, sollte schließlich Initiative zeigen und den eigenen Hausverstand bemühen. Der sagte einem auch, dass noch der größte Schafskopf Fragen stellt, wenn man ihm aufträgt, Blut auszuschöpfen. Schafsköpfe haben eine sechsten Sinn, wenn es um Körperflüssigkeiten geht, denn auch ein Schaf hat schließlich Körperflüssigkeiten, selbst wenn es ihm an Grips mangelt.

Sie wusste nicht so genau, mit wessen Blut der Brunnen befüllt worden war. Wenn es nun aber bedeutsames Blut war - nun, sie hatte wenig Lust, im neuen Unterschlupf als Erste das Verlies auszuprobieren. Diese Ehre würde sie gerne Schätzchen, Karde oder dem Frischling überlassen. Das Blutwassergemisch mit einer Suppenkelle aus dem Brunnen auszuschöpfen wie Gulasch in Töpfe war somit nur logisch. Es fiel wohl auch nicht weiter auf, wenn jemand ein paar kleine Fässer durch die Gegend rollte. Sollte ein Wichtigtuer wissen, was drin war, konnte sie immer noch behaupten, es sei verdorbener Rotwein.

“Abbauen, aufschichten, wegschaffen. Klar?” Sie richtete die Kelle in Ermangelung eines Rohrstocks auf zwei abgeranzte Kerle mit Schrankstatur. Die zwei tumben, fleischigen Gesichter starrten sie einen Moment dumpf an, während sie geduldig nach Verständnis in den fahlen Augen ihrer Helfer suchte. Kardes Beispiel folgend, hatte sie sich im Armenviertel bedient, in dem die billigen Arbeitskräfte Legion waren. Des Meisters Beispiel folgend hatte sie beschlossen, sich nicht selber die Hände dreckig zu machen, wenn man diese Aufgabe auch einfach delegieren konnte. Ein scharfer Verstand war nicht notwendig für diese Arbeit, nur Hände wie Pfannen und ein kräftiger Rücken. Da konnte sie schon in Kauf nehmen, dass Anweisungen nur in Einwortbefehlen überhaupt durchdrangen.

Das war eine verdammte Drecksarbeit. In kürzester Zeit hatte sich eine feine graue Staubschicht auf Steinplatten, Haar und Haut gelegt. Aber was tat ein Armenviertler nicht für einen Beutel, der ihm den Gürtel bis in die Knie zog? Der Neuling brachte Schnaps, zeigte sein Gesicht wohlweislich nicht und ging seiner Aufgabe weiter nach, während sie die ihre erfüllte und die Schrankkerle überwachte. Der Grünschnabel hatte der-bleiche-Lord-weiß-wo einen Karren aufgetrieben, der stabil genug schien, um den Weg zu überstehen. Sie rüttelte an den Rädern. Es war ja nicht so, als hätte sie auf ein Leben voller Blutbrunnen-Abbau zurückblicken können, das sie auf diesen Moment vorbereitet hätte. Aber das Resultat war zufriedenstellend genug. Ein Steinhaufen war auf dem ersten Karren verstaut. Dem neugierigen Mütterchen, das sein Familiengrab besuchen ging, hatte sie eifrig erklärt, dass in der Kanalisation eine Wand eingebrochen war und man nun - pfiffig, wie man war als Löwensteinerin! - daran ging, die Steine für einen Mithrasschrein wiederzuverwenden. Vielleicht war die Absenz jeglichen Gefühls, als die Alte ihr gerührt den Arm tätschelte, der letzte Beweis dafür, dass ihre Seele einem Wesen ganz anderer Art überantwortet worden war.

Nun kam der heikelste Teil. Alles hing davon ab, wie es um die Kochkünste des Wallehaars bestellt war. Schmiergeld bringt einen weit im Leben, beispielsweise zum Koch der Königsgarde. Der hatte nichts weiter zu tun, als den unauffälligen Inhalt eines unauffälligen Fläschchens in den Eintopf der Königsgardisten zu kippen.

Sie sinnierte, während sie abwartete. Mit den Mächten des Abyss in Verbindung zu stehen, hatte in so mancher Situation Vorteile. In dieser war es wohl so nützlich wie noch nie, denn wenn man vorhat, die Königsgardenwachen gesammelt auf die Latrinenbank zu schicken, ist es klug, sein tatsächliches Gesicht nicht herzuzeigen, falls sie doch zu früh zurückkehrten. Sie war eine moderate und praktische Frau. Armenviertelgesocks den Garaus zu machen war das eine. Die Königsgarde angreifen das andere. Das konnte man getrost anderen überlassen. Es reichte, Zeit genug herauszuschinden, um den Steinhaufen wegzuschaffen. Wenn ein Truppe gestandener Mannsbilder sich in Verzweiflung und Bauchkrämpfen auf dem Lokus oder in den Fichtennadeln windet, sollte das ein wundervoll weites Zeitfenster öffnen.

Der Plan war ausgefeilt, wie sie fand: Wallehaar hatte nicht nur einen Karren besorgt, sondern zwei. Der eine wartete befüllt mit den wertvollen Steinen im Unterholz vor dem Königsgardentrupp, weit genug entfernt, um kein Aufsehen zu erregen, der andere auf der Flüsterwaldseite in den Büschen hinter der Palisade. Und wer würde die Steine hinübertragen? Die Schrankkerle, der Grünschnabel und sie. Die Wachablösung begann. Die Männer wurden verpflegt, bevor sie den Dienst antraten. Es sollte nicht lange dauern. Die Herbstdämmerung senkte sich herab. Und da begann es. Erst war nur ein Seufzen zu hören. Jemand raunte unterdrückt etwas. Als der Erste mit animalischem Aufjaulen losstürzte, machte sie eine gedankliche Notiz, niemals Essen von Herrn Wallehaar anzunehmen.

Der Plan funktionierte wie am Schnürchen, was wohl alle Beteiligten überraschte. Im Grunde hatte sie damit gerechnet, auf mindestens einen zu treffen, der gerade an dem Tag beschlossen hatte, bei seiner fürsorglichen Mama zuhause zu essen und den Spezialeintopf verpasst hatte. Das Glück war eben doch mit den Dreisten. Mit gespitzten Ohren verfolgte sie das Soldatengejammer im Wald aufmerksam und erlaubte sich ein hämisches Auflachen, als man dem Koch mit Stockschlägen drohte.

Wallehaar trug zwar eine Kapuze, aber selbst die vermochte seine wilde Mähne nicht im Zaum zu halten. “Man sieht dich von zwanzig Schritt Entfernung, schieb das mal drunter”, herrschte sie ihn unwirsch an. Er folgte. Immerhin. Abgesehen davon wurde nicht gesprochen, sondern geschuftet. Stein auf Stein wurde hinübergeschafft von dem einen auf den anderen Karren. Als der letzte auf die Tragfläche gehievt worden war, nickte sie dem Grünschnabel zu. Er wusste, was zu tun war. Während er den Karren zurückschaffte, schlug sie sich mit den Schränken und den Steinen in die Büsche. Der Weg war beschwerlich, aber Grünschnabel klug genug gewesen, einen kleineren Karren für die zweite Etappe zu wählen, der wendig genug war für die verschlungenen Wege.

“Voran! Gezahlt wird erst, wenn er wieder aufgebaut ist.” Es wurde Tag, bis es endlich soweit war. Die Arbeit konnte auch im Fackelschein erledigt werden, auch wenn die zwei Tunichtgute aufbegehrten und nach Aufschub verlangten. Mit Schnaps und Wurst bringt man noch die widerständigsten Menschendrohnen zur Arbeit. Und weil die Geschichte sich gerne wiederholt, blühte ihnen dasselbe Schicksal wie ihren Vorgängern, sobald sie den Brunnen an seinem neuen Ort zu stolzer, ursprünglicher Form wieder aufgerichtet hatten. Die Harpyien taten ihr Übriges.
Ich packe meinen Koffer
Und ich nehme mit: nichts
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#4
Ich hasste Gartenarbeit.

Vielleicht weil sie mich an meine Mutter erinnerte. Meine schöne, zarte, blonde Mutter, nach die mein Bruder geschlagen war, nicht aber ich. Ich war ein Tier wie Vater - dunkel, roh, skrupellos. Aber letztendlich hatte mir genau das mein Leben gerettet und mein Bruder ist an seinem zarten Gemüt zugrunde gegangen. Mutter hatte sich zu ihrer Rosenzucht zurückgezogen und die Augen vor den Taten ihres Ehemannes verschlossen, aber genau genommen hätte sie auch nichts anrichten können.

Hatte ich mich für diese Arbeit freiweillig gemeldet oder war es ein Befehl des Meisters gewesen? Keine Ahnung. Ich wusste nur, dass mich, wenn ich nicht gegen den ausufernden Wucher im Innenhof angehen würde, eine unerfreuliche Strafe treffen würde, also schnappte ich mir eine Forke, die sich annährend für die bevorstehende Arbeit eignete, und ging mit Ingrimm ans Werk.

Es war dann doch überraschenderweise irgendwie eine Befriedigung, den Innenhof zu säubern. Ich harkte, kratzte, riss mich durch die Steinreihen und säuberte rabiat die Fugen. Manchmal löste sich eine der Bodenplatten durch mein Zerren; mit einem kräftigen Tritt sass dann allerdings alles wieder an Ort und Stelle. Ich war sicher den ganzen Nachmittag bis Abend beschäftigt und am Ende hatte meine ohnehin zerschundene Lederkluft ein paar Gras- und Erdflecken mehr. Doch ich blickte mit einigem Stolz auf mein Werk: Der Innenhof war sauber gejätet und kein unerwünschter Grashalm störte das saubere Gesamtbild.

Ich schnaubte. Gartenarbeit hasste ich trotzdem.

[Bild: 7efc64-1504639960.jpg]
... wer die Hand in Blut wäscht, muß sie in Tränen baden ...
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