Ravinsthaler Nächte sind lang...
#1
And when the war is said and done
May heaven spare our lives
For its only then we can return,
To our loved ones and our wives
We'll take them in our arms, me boys,
For a long night and a day
And we'll hope that war will come no more,
To sweet amerikay


The Wolftones - The Fighting 69th


Eigentlich sollte man meinen, dass so ein kleiner Ausflug doch seine Kompetenzen absolut nicht überschreiten sollte. Und doch, gab es da diese kleine, fiese Stimme tief in seinem Hinterkopf, die irgendwas flüsterte. Nichts, was man Dingfest machen konnte um es zu greifen und sich bei Licht zu besehen. Eben einfach dieses "Gefühl".

Pflichtbewusst ließ er die Kerze, den Ruß auf dem Schulterdolch verteilen - die Schneide mit diesem alten, aber simplen Trick für den bevorstehenden Nachteinsatz abdunkelnd. Er hob den Blick etwas an, durch die spärlich eingerichtete Hütte schauend. Da stand die kleine Galatierin, an ihrem Hausrat, stöbernd und suchend. Kurz zuckte sein Mundwinkel nach oben als er für wenige Augenblicke den Gedanken gestattet auf Reisen zu gehen. Ein etwas lauter als angedacht entweichendes Seufzen ließ Anouk über die Schulter blicken - mit einem fragendem "Mhm...?" den Soldaten taxierend. Ertappt schüttelte er mit einem kleinen Lächeln den Kopf, sich daraufhin wieder auf die Vorbereitungen besinnend. Zufrieden betrachtete er die abgedunkelte Messerschneide. Genau das richtige für die "gute, ehrliche Messerarbeit", wie es in ihren Kreisen genannt wurde, wenn es nötig war mehr als nur Fäuste in die Waagschale zu werfen. Die Halterung an dem Schultergurt wurde nochmals mit einem dunklen und dünnen Stückchen Stoff umwickelt. Er passte den Sitz nochmal penibel genau an. Linke Schulter, Griff nach unten. Nur für den Fall das jemand nahe genug kommen würde um das Schwert als primäre Waffe nicht mehr in Frage kommen zu lassen.

Wieder sah er zum Fenster, die Sonne wanderte rasch, viel zu rasch. Die Zeit des Aufbruchs näherte sich mit flinken, großen Schritten. Und auch wenn diese kleine und gemeine Stimme nicht verstummen wollte und er es niemals offen zugegeben hätte, war da doch eine Vorfreude auf den "Ausflug". Die Monotonie einer Wacheinheit war eben etwas, das ihm einfach nicht im Blut lag. Selbst als Besatzungstruppen hatten sie möglichst schnell versucht die Aufgabe zu erfüllen um sich wieder in der Vorwärtsbewegung befinden zu können. Kurz stahl sich ein Grinsen auf seine Züge als er sich der sprunghaften Gedanken bewusst wurde. Die Zeit verging schnell gefüllt mit Arbeit und angenehmen Gesprächen. Und doch ruhte der baldige Aufbruch wie ein Schatten über der Zweisamkeit.

Mit einem Ruck schloss er die letzten Riemen der Lederkluft - nicht das, was er bevorzugte. Aber genau das, was für heute nötig war. Dunkel und naturfarbend, leise und beweglich. Der Schultergurt mit der Klinge folgte als letztes. Vielleicht etwas zu penibel überprüfte er nochmals die Riemen und Gurte. Sich selbst zur Besinnung rufend, den Aufbruch nicht auf kindliche Art und Weise länger hinaus zu zögern als nötig. Worte wurden getauscht, Blicke und Berührungen. Dann schlug die Tür hinter ihm zu und der frische Wind umwehte ihn für einen Augenblick, den Duft von Wald mit sich tragend.

Die ramponierte Lippe verzog sich zu einem wölfischen Grinsen. Es gab für alles die richtige Zeit. Und jetzt war es an der Zeit den Mann zurückzulassen und wieder Soldat zu sein. Er entfernte sich einige Schritte von der Hütte, sich dem Wald nähernd. Dort beugte er das Knie, die Hand sachte über den feuchten Boden gleiten lassend. Leise kamen die Worte über seine Lippen... und es fühlte sich alles absolut so an wie es sein sollte...

„Stählerner Feldherr ewiger Kriege,
schenkt mir die Kraft meine Klinge mit Ruhm und Entschlossenheit zu führen im Angesicht derer..."

Irgendwo heulte ein Wolf.....
Lernen durch Schmerz
Motivation durch Entsetzen
Festigung durch Wiederholung
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#2
Er verschmierte die einzelnen Blutstropfen an den Fingerkuppen seiner linken Hand. Müde hing der Arm in dem gerissenen Ärmel gen Boden. Das Gesicht verschmutzt durch ravinsthaler Dreck, die Kleidung nicht wirklich in besserem Zustand, stand er am selben Waldrand, von dem er viele Stunden zuvor aufgebrochen war. Ein Seufzen entfloh seiner Kehle, als er durch die großzügigen Risse in der Holzwand das Flackern einer Kerze betrachtete. An sich gab es ja wenig, worüber er sich beschweren konnte. Sie waren alle wieder nach "Hause" gekommen - oder zumindest nach Zweitürmen, je nachdem wen man fragte. Sie hatten Stärke und Anzahl in Erfahrung gebracht, die Verbindung zwischen Räubern und Grenzwacht hergestellt und hätten eigentlich zufrieden und unerkannt zurück über die Grenze gehen können. Doch dann kam das, was er schon so oft erlebt hatte. Hybris. War es wirklich nötig Gefangene zu nehmen? Hätte er den Befehl verweigern sollen und die Soldaten nach Hause führen - oder war es richtig gewesen die Chance zu nutzen? Sei es für die Aussicht auf Erfolg oder für Arthars Empfinden?

Seit mehr als zwei Stunden stellte er sich diese Frage. Eigentlich seit dem Augenblick, als sie die Grenzsteine passiert hatten und die Stimmung kalt umgeschlagen war. Keiner sagte etwas und doch hing es wie eine Harpye im Angriffsflug über der kleinen Gruppe an geschundenen Soldaten, als sie wieder gen Zweitürmen maschierten. Wer würde der erste sein, der offen die Situation anspricht? Oder war noch genug Zeit die Wogen zu glätten und alles als eine unglückliche Fügung von Ereignissen dazustellen um die Moral nicht noch weiter zu drücken. Fast konnte er Kyrons Stimme neben sich hören: "Du weißt, was du zu tun hast, Kordian"... Ja, er wusste es. War er aber wirklich bereit zu diesem Zeitpunkt schon das Unvermeidbare anzusprechen? Vielleicht nur etwas mehr Zeit... Etwas mehr Zeit, damit er unterschwellig den Weg weisen konnte.

Zeit. Zögern. Unsicherheit. Es waren seine Worte gewesen, dass Zögern Leben kostet. Sachte presste er die Hand zur Faust, den dezenten Blutfluss dadurch verstärkend. Im diffusen Glanz der Sterne und des Mondes betrachtete er die rote Hand vor seinem Gesicht. Er würde tun was nötig war, einfach weil nichts anderes von ihm erwartet wurde. Wieder hob sich sein Blick gen der Hütte... der Mann setzte sich in Bewegung, klopfte...

...der Soldat blieb draußen, am Waldrand wartend, bis er wieder gebraucht werden würde. Bereit und nur von einer sehr löchrigen Wand aus Holz von dem Mann getrennt.
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