Was soll schon schiefgehen? - Druckversion +- Arx Obscura (https://forum.arx-obscura.de) +-- Forum: Rollenspiel (https://forum.arx-obscura.de/forum-23.html) +--- Forum: Geschichten (https://forum.arx-obscura.de/forum-183.html) +--- Thema: Was soll schon schiefgehen? (/thread-8971.html) |
Was soll schon schiefgehen? - Rudolph Schallerthal - 03.06.2013 Mit einem einfältigen Lächeln auf den Lippen setzte der Berg von einem Kerl einen Fuß vor den anderen. Die Sohlen der Wanderstiefel hinterließen beinahe glatte Abdrücke im Matsch des Grabens neben der Straße, als er auf die Herberge zuhielt. Das obskure Konstrukt auf seinem Rücken, das wie eine Kreuzung zwischen Buchenholzkommode und Bastkorb wirkte, war mit unzähligen kleinen Schubladen versehen, mit Stoffstücken behangen und klapperte und klirrte vor Tiegelchen, Phiolen und Zangenwerkzeugen. Am Kreuzungsschild verstummte das Konzert aus Gerappel, als er anhielt, um sich zu orientieren. Ra. Schon gar nicht so schlecht, dachte er sich. Rav. Ja, geht doch. Bin gar nicht sooo langsam. Seine Stirn furchte sich vor Anstrengung. Ravin. Aha! Seine Zunge lugte im Mundwinkel heraus, als er konzentriert die Buchstaben entzifferte. 'Ravinsthal? Ravinsthal.' schlussfolgerte er letztendlich und lächel- te stolz. Sein Magen knurrte laut und erinnerte ihn daran, weswegen er wieder auf Wanderschaft war. Die fleischigen Finger der schaufelartigen Hände strichen über den voluminösen Bauch und endeten in einem dunklen Trommeln der Fingerspitzen. "Immer dem Bauch nach, ja. Hu-hu-hu," lachte er vor sich hin, "Das hat der Meister immer gesagt, ja." _________________________________ Die, die er getroffen hatte, waren auf Pferden unterwegs gewesen. Einen jeden hatte er - ganz so, wie er es auf der Olitätenwanderschaft mit seinem Meister gelernt hatte - mit "hoher Herr" gegrüßt. Wer so hoch saß, musste ja schließlich viel Geld haben und ein hoher Herr sein. Selbst die, die beladen mit Erzsäcken oder Bündeln von Stroh umherliefen, trugen Rüstwerk und dergleichen. Entweder war er in einen komischen Krieg geraten und es gab keine Landbevölkerung mehr unter den zahlreichen Soldaten (so sahen sie nämlich aus), oder hier hatten sie wirklich alle viel Geld. Geld... dafür schienen sie sich alle zu interessieren. Ein hoher Herr warnte ihn sogar davor, allein zu wandern, weil ihn sonst Räuber überfallen würden - er müsse gut auf sich Acht geben. Es schien ihm nicht ganz schlüssig, warum ausgerechnet er überfallen werden sollte, er hatte ja kein Geld bei sich. Und wie hatte sein Meister damals gesagt? "Auf dich muss man nicht Acht geben, du Klotz gehst ja eh nicht verloren." _________________________________ Später in der Stadt verbrachte er ein wenig Zeit am Marktplatz. Da gab es viel zu sehen: Selbst bis in die Nacht verkauften die Herren Händler und die Fräuleins ihre Waren. Und so wollte auch er dann einmal seins dazu tun und seine Mittelchen anpreisen. Er stellte das mächtige Tragekonstrukt vor sich auf den Boden und befühlte die orthografisch nicht ganz korrekt eingeschnitzten Buchstaben. Was würde schon schiefgehen können? Ein wenig Lesen konnte er, Schreiben ging ja auch... nur Rechnen, davor fürchtete er sich. Aber die Leute würden wohl schon Acht geben, dass alles mit rechten Dingen zuging - waren ja wohl nicht alle Betrüger, wie der hohe Herr zu Pferd gemeint hatte. So hob er die Stimme und gab zum ersten Mal in der neuen Umgebung mit dröhnendem Bass und breitem Hohenmarschener Akzent seinen Vers von sich. RE: Was soll schon schiefgehen? - Rudolph Schallerthal - 04.06.2013 Als er am Morgen erwachte, brauchte er einen Moment, um gedanklich ins Hier und jetzt zurückzufinden. Ja, da hatte er auf dem Sack gelegen, den er eigenhändig mit Laub gefüllt hatte, um sich weich zu betten. Nur wo war er doch gleich... ach, richtig. Vor dem Tor des netten hohen Herrn Ernst. Schlaftrunken rieben die großen Hände über die kleinen Augen, die in dem bulligen Schädel weilten. Behäbig rollte er sich auf die Knie. Bei seinem Gewicht und Umfang musste er doch ein wenig kämpfen, um auf die Beine zu gelangen. Als er da so auf den Knien kauerte und sich mit den Händen hochdrückte, entblößte er seine Poritze für einen Moment durch das geschlitzte Hinterteil des Überwurfes, wo die Hose etwas nach unten rutschte. Jetzt musste er aber in den Wald, um wieder nach Kraut und Halm Ausschau zu halten. Nicht, dass ihn die Mägde und Burschen noch von seiner Lagerstatt piesackten. _________________________________ "Uh-uh...," brummte Rudi leise, "uh-uh, das is' nich' gut. Nee, das is' nich' gut. Ganz und gar nich' gut is' das." Als er da so am Rand des Hanffeldes stand und sich den reglosen Arm besah, der aus dem Ackerreich ragte und höhnisch einen Mittelfinger emporreckte, konnte ihn selbst der Anblick der hübschen Pflanzenblüten nicht trösten. Nein, er war ganz und gar untröstlich darüber. "Sowas tut man doch nich'... hmnee, das is' nich' gut." Nachdem er dem hübschen Fräulein Annabell (die so leckere Schweinsstelzen zubereiten konnte!) gesagt hatte, was er da gefunden hatte, hatte diese den hohen Herrn Ernst verständigt. Zusammen hatten er und Rudi den halben Tag damit verbracht, diese Sauerei zu beseitigen. Und doch gab es noch so viel zu erledigen, wobei er dem hohen Herrn und den hohen Fräuleins behilflich sein konnte. Und immer wieder ging ihm eins durch den Kopf: Hoffentlich gibt keiner mir die Schuld. Sowas tut man einfach nich'. |