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Briefe an Mutter - Helga Bjarnifjord - 28.01.2016 Das Kerzenlicht flackerte ein wenig in der zugigen Schankstube. In der einen Ecke saß ein Mäuschen und knabberte an einen Stück herunter gefallenem Brot. Die Wirtin war so früh am Morgen noch gar nicht richtig wach und begann mit wenig Elan und großen Augenringen den Eintopf des Tages anzusetzen. Helga hatte sich einen warmen Kräutertee bestellt in der Hoffnung zumindest ihre Knochen ein wenig wärmen zu können und die langen, schlanken Finger von der schmerzenden Steifheit zu befreien, die die kalte Winternacht im Freien bei ihr hinterlassen hatte. Sie dankte Mithras dafür aus dem frostigen Regen heraus und von der matschigen Strasse weg zu sein. Jedoch nur im Stillen. Dies war kein Ort an dem man den einzig Wahren offen preiste. Und doch schien es ihr eine gute Wahl zu sein. Sie hatte silendirer Farben gesehen, auf dem Weg hier her. Sie hatte Höfe gesehen, die dazu einluden sich ein Nest zu bauen. Tiefe, dunkle Wälder die sie mit Versprechungen von reichen Jagden lockten. Sie war gestern Nacht zu einem Entschluss gekommen. Sie würde jegliche Lasten die sie noch trug hinter sich lassen. Jedweder emotionaler Ballast, der wie schwere Marmorgewichte auf ihren Schultern lag, würde von ihr abfallen. Der erste Schritt, der schmerzhafteste, war getan. Noch war ihr Herz in Eis gehüllt und die Pein über ihre eigene Entscheidung drohte sie völlig nieder zu drücken. Doch sie wollte nicht bedauern und sie wollte nicht bereuen. Zeit heilt alle Wunden - sagte man das nicht so? Der nächste Schritt war ein deutlich Schwererer. Sie hatte etwas Briefpapier in ihrer Tasche. Sie hatte immer Papier in der Tasche. Und sie würde es dafür verwenden ihrer Frau Mutter zu schreiben. Sie würde alles gut machen, keine Angst mehr haben und beten, dass die Hoffung auf Versöhnung ihr etwas den Geist leichter machen würde. Sie begann zu schreiben, als die müde Wirtin die dampfende Tasse Tee auf Helgas Tisch stellte und der Duft von frisch aufgekochten Kräutern ihrer Nase schmeichelte und sie tief und kräftig durchatmen ließ.
RE: Briefe an Mutter - Helga Bjarnifjord - 22.02.2016 Sie würde definitiv zu Carmelina gehen müssen. Dieses Desaster war allein nicht zu bewältigen. Sie brauchte eine Spezialbehandlung. Ein paar geschickte Hände und das Wissen einer Meisterin. Anders war ihr nicht mehr zu helfen. In ihrem kleinen Zuber sitzend, das Wasser dampfte noch, versuchte sie das gröbste aus ihrem Haar zu kämmen. Dieser verfluchte Schlamm war zu hartnäckig und ließ ihr blondes Haar aufgeraut und filzig zurück. Der Sand der sich auf ihrer Kopfhaut festgesetzt hatte, würde vermutlich nach zehnmaligem Waschen nicht mehr verschwinden. Missmutig brummend ließ sie die Bürste einfach ins Wasser plumpsen und rutschte tiefer in den Zuber, bis nur noch ihr blasses Gesicht hinaus schaute. Sie schloss die Augen und erlaube sich somit einige Minuten reiner Entspannung. Augenblicke in denen sie einfach nur das heiße Wasser an ihrer bloßen Haut spüren und genießen würde. Kein Gedanke würde mehr an ihr Haar, ihre Arbeit, ihre Pflichten und Sorgen verschwendet werden. Dies waren die kostbaren Minuten an jedem tage, die sie sich zugestand um einfach mal los zulassen und nichts zutun, als ihre Gedanken dahin plätscher zu lassen. Jeder Mensch brauchte solch einen Augenblick am Tag. Eine kleine Pause um Luft zu holen und den arbeitsreichen Alltag zu vergessen. Ganz allein mit sich zu sein. Fern von allen anderen Menschen. Und so zog sie sich von den Zinnen ihrer inneren Burg zurück, wo sie sonst immer stand, die Mauern bewachte und alles um sich beobachten konnte. Sie stellte sich vor wie drinnen in der Halle ein großes Feuer brannte und den großen Raum wärmte, welcher mit Fellen und dicken, groben Teppichen ausstaffiert war. Dies war ihr Innerstes. Ihr mentaler Rückzugsort und er sah aus wie Zuhause. Am Kopf des Saals war der Tisch der Familie, leer. Davor der Tisch für Gäste und die Männer ihres Vaters, ebenso leer. Sie setzte sich an ihren Platz, wickelte sich in ein altes Wolfsfell ein und sah ihren Gedanken beim wandern zu, während die Flammen friedlich in die Höhe züngelten und es so unendlich heimelig nach Gemüsebrühe und Wildbret roch.. Ravinsthal hatte ihr mehr gebracht, als sie sich hätte jemals erträumen können und es versprach noch so viel mehr zu werden. Der Kontakt zum hohen Adel war so viel einfacher. Der Umgang mit den Menschen so viel unkomplizierter und das Land selbst... schöner als sie es erwartet hätte. Sie verstand langsam, weshalb ihre Mutter immer davon geträumt hatte und so viele Menschen hier ihr Heil fanden. Es war ein starkes Land mit festen Wurzeln und einer unnachgiebigen Borke. Nortgard in so vielem ähnlich und in anderem auch wieder gar nicht. Sie sah vor ihrem Geistigen Auge wie sich die Halle ihrer Burg langsam füllte mit all den Menschen, die sie hier um sich hatte. Der Blick stahlblauer Augen trafen im nächsten Moment auch schon auf den Brauner. Ein fester, nonverbaler Kontakt der mehr sagte als Worte es jemals könnten. Da war ein schonungsloses Einverständnis zwischen diesen Augenpaaren, das keinen Platz für viel anderes ließ. Und dann spürte sie Hände auf ihrer Schulter. Große, raue Pranken, die sie Fest griffen und so ihre Aufmerksamkeit erhaschten. Halvar stand da hinter ihr, wie der Fels der er war. Die braunen Augen und sein Besitzer waren verschwunden, als sich die starken Arme ihres Zwillings um sie schlangen und sie beschützend umfingen. Zitternd atmete sie ein. Nicht nur in ihrem Kopf, in ihrer kleinen heilen Gedankenwelt. Auch im Hier und Jetzt, im stetig erkaltenden Badewasser, war das bange Aufatmen zu hören. Es würde niemals aufhören zu schmerzen und das Gefühl der Vollständigkeit würde nicht mehr Einzug halten. Es würde immer so sein, als fehle ihr der rechte Arm und das Bein noch dazu. Und sie wusste nicht ob es jemals ersetzt werden könne... Die Haut war schon schrumpelig als Helga aus dem Wasser stieg und sich in ein dickes Wolltuch wickelte. Einige Holzscheite wurden in den Ofen geschoben um das Feuer wieder etwas anzuheizen und ihre kleine Kammer etwas zu wärmen. Es war Wochen her nun und so wurde wiedermal ein Brief aufgesetzt...
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