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Briefe in die Vergangenheit - Varius Sasz - 22.10.2013 Manifestation eines Schattens - Prolog - ________________________________________ unversiegelt an Tajana Sasz in Guldenach, Silendir verfasst am Tag des Dienstes, 22. Gilbhart im Jahr 1400 Liebste Schwester, Ich weiß nicht wie dich dieses Schreiben erreichen soll - ich weiß nicht einmal genau wo du bist - deswegen ist diese Geschichte in Wahrheit auch eher für mich, als für dich. Ich versuche die Bilder, die ich mit meinem inneren Auge aus dem See der Erinnerung fischen kann, so detailliert in Worte zu fassen, wie es mir mit meinen begrenzten rhetorischen Fähigkeiten möglich ist - aus dem einfachen Grunde, dass ich mich an das klammern muss was noch Wirklichkeit ist. Langezeit wollte ich nichts, außer vergessen; Selbst hier und jetzt, nach all den Jahren, wünscht sich ein Teil von mir, dass alles was passiert ist einfach langsam verblasst, sich mit anderen Träumen und Erinnerungen verbindet, von der Fantasie meines Geistes verwirbelt und verdreht wird und irgendwann, ohne dass ich es noch präsent wahrnehme, in schweigende Vergessenheit gerät. Aber vermutlich bin ich an dem Punkt in meinem reifenden Leben angekommen, an dem man realisiert, dass auch die Zeit nicht jede Wunde heilen kann, dass man die wahren Monster nur in den Tiefen der Erinnerung verstecken kann, bis sie sich aus ihren Verliesen wieder an die Oberfläche des Bewusstseins hinaufgegraben haben. Wahrscheinlich habe ich mich davor gedrückt diese Geschichte niederzuschreiben, dir zu schreiben, weil diese Worte, diese Tinte, dieses Papier das Ganze zu etwas greifbarem machen - es ist leichter einem Schatten zu entkommen, als einer Festung. Aber es beginnt sich zu verselbstständigen und ist immer weniger unter Kontrolle zu halten, doch genau das wäre nötig. Irgendetwas um sich daran festzuhalten für die Momente in denen ich meinem eigenen Verstand nicht mehr trauen kann. Also, genug drumherum geredet. Aber bevor ich anfange, muss ich dir sagen wie sehr ich deine Stimme und deine Nähe sehnsüchtig vermisse und hoffe dass es dir gut geht, du gesund und glücklich bist - wo auch immer du dich gerade herumtreibst. Ich hoffe sehr, dass du ab und zu noch an mich denkst. Und ich weiß es ist nicht gerade der nobelste Wunsch - nein, er ist sogar egoistisch, aber ich hoffe du vermisst mich auch ein bisschen. Ich vermisse dich jedenfalls sehr. Aber zu mir: Ich sitze auf einem alten Apfelweinfass, vermutlich aus Candria, in einer schäbigen Taverne etwa einen halben Tagesmarsch vor Löwenstein. Ich hoffe du vergibst mir dafür den Namen des Ortes nicht zu nennen. Wusstest du, dass sich hier - im glorreichen Königslehen - ein unproportional großer Haufen an Nichtsnutzen, Tagelöhnern und Scharlatanen herumtreibt, die sich mit Händen, Füßen und Alkohol dagegen wehren ihr jämmerliches freies Dasein in den Griff zu bekommen oder sich zumindest in die Leibeigenschaft zu verschreiben? Wie auch immer. Ich habe mir hier ein Zimmer genommen, weil es günstig war und keine Fragen gestellt wurden, und weil die Bretter vor dem Fenster und das Vorhängeschloss der Tür stabil aussehen. Es ist ein wenig wie der Schuppen in dem wir uns damals bei Großmutter versteckt hatten. Ich muss für dich klingen wie ein Verrückter, aber ich denke du wirst mich verstehen, wenn ich dir erzähle wie alles begonnen hat. Am Anfang beginnen; Das scheint normal zu sein, richtig? Manchmal denke ich es ist schwer zu definieren wo eine Geschichte endet und eine andere beginnt. Wo fängt meine Geschichte an? Soweit zurück wie meine Erinnerung reicht? Mit meiner Geburt? Bereits als ich gezeugt wurde? Fängt nicht jede Geschichte letztendlich mit der Schöpfung der Welt an, wenn man die Kausalität rückwärts verfolgt? Herje, ich schweife schonwieder ab und das Pergament ist fast voll mit der Einleitung. Ich hatte einfach zu wenig Schlaf in letzter Zeit. Vielleicht sollte ich die Pergamente einzeln absenden damit du schon etwas lesen kannst während ich den nächsten Absatz zu Papier bringe und hoffe du erwartest eine Fortsetzung meiner Erzählung mit Sehnsucht. In tiefster Verbundenheit, |