Arx Obscura

Normale Version: Gold und Silber
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Dinge, die beim Namen genannt werden müssen, sind zumeist der Nennung nicht wert.

Das erste Mal, als sie den Hünen getroffen hatte, war sie völlig durchnässt und nach Seewasser stinkend durch das Marktviertel gestapft. Vermutlich hätte er sich jedem so armseligen Würstchen gegenüber erbarmt, aber ohne diese knappe, spontane Entscheidung wären wohl viele Geschehnisse danach niemals eingetreten.

Der Tanz begann an jenem Abend.
Zuerst war es nichts als ein kleiner Chanson der Wortketten und zweideutigen Witze. Eine Bemerkung hier, ein Konter dort, nichts, was jemanden abseits erröten hätte lassen. Als sie jedoch vor dem Kamin der Taverne im neuen Hafen zur Ruhe kamen, und irgendwo zwischen hier und dort Flynns nasse Kleidung den Weg von ihrem Körper und an Haken am Kaminsims fand, drohte das Tänzchen zum ersten Mal seinen Takt zu verlieren.
Von allen Dingen, die in solchen Momenten geschehen konnten - Momente, in denen eine Frau ohne Hosen und Schuhe eine Axt in der Hand hielt, und mit irrem Blick eine Türe anstarrte - war ausgerechnet eine Prügelei der Retter.

Es war nur eine kurze Pause, die zwischen den Tänzen stattfand. Zwei Tage, nicht mehr, bevor die nächste Melodie einsetzte, und zum Marsch rief.
Märsche benötigten stets eine Flagge, ein Wappen oder eine Unform, zu der man feierlich die Gassen beschreiten konnte, und wie zum Spott - oder zur Bestätigung - war es das Wolfssiegel, das sie und den Nortgarder im gleichen Takt über die schmutzbedeckten Gassen des alten Hafens schickte. Gleichschritt, Gleichklang, der Grundstein war gelegt, der Tanzpartner bekannt und fast schon gewohnt.

Gewohnheit aber war dem Schicksal stets zuwider, und die alte Dame war es auch, die die Paukenspieler von ihren Plätzen schubste, den Trompetern die Hörner mit Speichel verstopfte, und schließlich dem Zeremonienmeister den Taktstock stahl.
Die Melodie riss ab, und sollte für gute zehn Tage nicht mehr erklingen.

Wie zum zweiten Akt jedoch schlichen die Musikanten erst dann wieder auf die Bühne, als Flynn den Tanz schon beinahe für beendet erklären wollte. Nicht dass das Interesse am Wiegen und Drehen gefehlt hätte, oh nein - eher schon war es die Ungeduld, die Midir ihr in die Wiege gelegt hatte, die sie zappeln und trippeln ließ.

Der erste Takt wollte nicht recht passen, zu beschränkt und beengend erschien Flynn die Melodie des Ringtanzes, der Männer und Frauen so streng trennte. Rollen waren noch nie ihre Stärke gewesen, und wie die zehn Tage der Spielpause bewiesen hatten, lag ihr auch das Händehalten mit sorgsam und lieblich aufgereihten Genossinnen nicht sonderlich.
Sie verließ an diesem Abend die Tanzfläche, noch bevor die Musik zuende gespielt worden war.

Erst später nachts schienen die Musikanten endlich Mitleid mit ihren Schwächen und Unzulänglichkeiten zu empfinden, und eine Melodie erklang, die Finn erst aufhorchen, dann auf die Tanzfläche des Lebens stürmen ließ: Der Tango.
Wie der Nortgarder sie gefunden hatte, war ein Rätsel, das sie nicht zu lösen gedachte. Die hintersten Ecken der Stadt boten so viele Schlupfwinkel verschiedener Geschmäcker, dass ihre einzige Annahme eine Ähnlichkeit der Absichten für den besuch der versifften Herberge weitab beschrieb, denn Mutter Schicksal erneut auf die Bühne zu rufen wollte sie nicht einmal in Gedanken wagen.
Der Tango begann langsam, und war in seiner Ausführung regelrecht traditionell. Annäherung, Erforschung, Entfachen des Feuers. Ein Lodern, ein Ringen, und dann der Ausbruch der Gefühle in einer Form, die symbolisch genug war, um den Wirten die Augen rollen zu lassen, und sich dann wieder mit dem Dösen zu beschäftigen... Und wie in jeder guten Liebesgeschichte wurden heimliche Blicke gehascht, heimliche Momente gestohlen, und am Ende verklang die Melodie mit einem disharmonischen Klang, der Sehnsucht symbolisieren sollte, und die Tänzer mit dem Unwillen schlug, die Tanzfläche so schnell wieder zu verlassen.

Aber selbst, als die Tavernentüre in der Dämmerung hinter Flynn zu schlug, die Haare noch etwas zerzaust und mit rasch pochendem Herzen, vermochte sie die silberblauen Augen nicht zu verdrängen. Wie sie wohl nebeneinander aussehen mochten, mit diesen Augen?

Wie Silber und Gold.