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Normale Version: Norwin muss mehr Männchen machen
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Das also war Löwenstein! Stundenlang hätte er sich allein die Statuen an den Toren anschauen können, die Verzierungen an den Gebäuden, die Architektur und doch... war der erste Eindruck irgendwie ernüchternd.
Lag es an dem Gefühl von Fremdheit in einer riesigen Stadt, die doch spürbar mehr auf Funktionalität setzte als auf verschwenderischen Prunk und verspielte Schönheit?
Lag es an seinem klammen Geldbeutel, der ihn immer wieder zwischendurch nach Möglichkeiten spähen ließ, sich ein paar Heller zu verdienen?
An den überfüllten Straßen und der Unruhe der Menschen, den kalten Scheiterhaufen, Leichenkarren und dem fast greifbaren Gespenst der "Hexerkeuche"?

Vermutlich an einer Mischung aus allem.
Und siegen taten sein Geldbeutel, sein (knurrender) Magen und die Suche nach einem billigen Dach über dem Kopf für die Nacht. Verdammte Realität. Das vorläufige Ende seiner Reise in eine glorreiche Zukunft befand sich also bei einer etwas abgehalftert wirkenden Krämerin namens Miriam in der Nähe des großen Stadttores, die ihm anbot, die Nacht in einer schäbigen Kammer im oberen Stockwerk zubringen zu können, wenn er ihr dabei half, drei Bündel Fackeln zurechtzumachen und das dafür nötige Holz selber in den nahen Wäldern zu beschaffen.
Na schön.

Nach der Reise durch Hohenmarschen hatte er sich eigentlich geschworen, so schnell kein Holz und erst recht keine Axt mehr anzufassen, aber das eine war, was er sich wünschte, und das andere... verdammte Realität.
Einige Stunden später saß er über dem Krämerladen auf der Kante eines wurmstichigen Gebildes, das man großzügig noch als Bett bezeichnen durfte, zu seinen Füßen ein die Arme füllender Stapel aus einigermaßen brauchbaren Ästen, um daraus Fackeln zu machen.
Die kleineren Ästchen und grobe Unebenheiten wurden beseitigt und das Ganze auf ein gut greifbares Format zurechtgestutzt.

...

Bei Mithras, war das öde!
Seufzend bestätigte er seine eigene Ahnung, dass diese "Arbeit" ihn schon nach kurzer Zeit wahnsinnig machen würde. Äste zu Fackeln schnitzen, sowas stupides. Wenn man wenigstens etwas netteres aus diesem Ast machen konnte, vielleicht diesen Knubbel da lassen, der fast wie eine Nase aussah und...
er schnitzte zwei kleine Kuhlen darüber, die der Fackel fortan bis zu ihrem tragischen Ende im Feuer als Augen dienen würden. Ein Schmunzeln grub sich in seinen linken Mundwinkel und sein Blick wanderte gezielter suchend über den wirren Haufen aus trockenen Geäst. Da!
Genau, solches wirres Zweigleingestrüpp an einem Ende hatte er gesucht. Das Holzstück darunter bekam einen panischen Blick mit weit aufgerissenem Mund, und er formte das Gebilde so, dass jedem Deppen klar werden würde, dass diese "Fackel" sich zu ihrer Zeit über ihre brennenden wirren Haare beschweren würde.
An einem weiteren Ast ließ er unter anderem zwei nach oben gebogene Seitenzweiglein stehen, ein Rock und eine Hakennase im Gesicht wurden angedeutet, dass etwas Fantasie in der Fackel eine beschwörende Hexe sehen mochten, die es selbstverständlich anzuzünden galt!

Dass längst nicht alle Äste für diese Spielereien taugten, trübte das aufgekommene Vergnügen an der Arbeit nicht allzu sehr, und gerade, als er da oben in der Kammer auch so gut wie nichts mehr ohne Licht sehen konnte, war er fertig.
Sehr schön.
Von unten hörte er etwas Gelärme, und als er mit den fertigen Fackeln im Arm die knarrende Stiege herunter kam, hatte die Ladenbesitzerin wohl gerade hoch kommen wollen. "Bist ja doch noch fertig!", erklang es vorwurfsvoll, "Dachte schon, du wärst da oben eingepennt, und nichts gemacht!"
"Nein, hier sind die Fackeln, wie gewünscht. Das Angebot gilt also?", entgegnete er etwas unruhig und drückte ihr wie als bekräftigende Beweislast das Holz in die Hände. "Ja ja, gilt...", murrte Miriam und brachte den Stapel unbesehen in eine Ecke, wo noch weitere lagen und schmiss den Haufen oben drauf. "Dann bis morgen. Und mach ja keine Dummheiten!"

Dummheiten? Er? Pff... aber egal, nickend war Norwin froh, für die Nacht zumindest ein trockenes Lager zu haben und schlich sich wieder nach oben. Am nächsten Morgen verschwand er in aller Frühe, mit dem recht festen Entschluss, sich für die nächste Nacht ein Bett mit wenigstens etwas weniger Ungeziefer zu suchen.

Und so blieb es mehr dem Zufall überlassen, dass die gute Miriam irgendwann später feststellen musste, dass ein gutes halbes Dutzend ihrer Fackeln doch...
etwas...
anders. aussahen.

[Bild: xWoodFigures.jpg]