Arx Obscura

Normale Version: Gefangen im Wahnsinn
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Als ich an diesem Abend zu Bett ging oder eher zu Holzboden, fiel mir das Schlafen besonders schwer. Ich hatte mich zwar gewaschen, aber es kam mir noch immer so vor, als hätte ich sein Blut an den Fingern. Ich rieb immer wieder die Hände aneinander und irgendwann gar so stark, dass es mir schon weh tat. Seufzend ließ ich die Arme herab fallen und rückte sogleich das Fell zurecht, welches mir Seytz noch vor ein paar Tagen gab. Es war zwar nicht so, dass es der Schlafkomfort sich dadurch erheblich verbesserte, aber es war zumindest ein Anfang. Desweiteren hatte ich diese Nacht mal kein Bedürfnis danach, mich über die lächerlichen Einrichtungsverhältnisse zu ärgern. Diese Nacht war eigentlich eher bedrückend. Nicht solch ein Gefühl, welches mich heulen ließ, aber auch keines, welches in irgendeiner Art und Weise ein Lächeln in mein Gesicht zauberte. Die Zustände waren grauenhaft und es kotzte mich an, das ich daran nichts ändern konnte, auch wenn ich es zutiefst wollte.

Es war nicht einmal so, dass ich großartiges Mitleid mit Durias hatte oder doch, hatte ich vermutlich, auch wenn ich mir nie eingestehen wollte und wahrlich auch nie jemanden gesagt hätte. Aber dieser Abend war wieder ein Moment, wo ich mich fragte, wo das alles hinführen sollte. Seine Worte, die er heute mir mir sprach, waren alle so wahr und es ärgerte mich zutiefst, dass dies der Fall war. Selbst als ich mich darum bemühte, heilende Substanzen für ihn zu erwerben, fragte ich mich dabei innerlich, warum ich mir überhaupt so viel Mühe machte. Warum gehe ich nicht einfach, irgendwo hin, wo ich nicht zusehen müsste, wie irgendwelche Leute blutig geschlagen werden? Ich war einst so egoistisch und gab nichts auf andere Menschen, kaum war ich in diesem Haus angestellte, hegte ich das Bedürfnis auf alle aufzupassen. Recht lächerliche Vorstellung, was konnte ich schon ausrichten. Aber trotzdem wollte ich von diesem Gedanken nicht abweichen. Ich wollte dienlich sein, in den verschiedensten Arten und Weisen, denn ich hatte nie das Gefühl, ich würde genug leisten.

"Sie ist eine Petze."

Ich atmete tief durch und als das Schnarchen der Anderen an mein Ohr drang, hätte ich aufschreien können. Ich wäre am liebsten aufgestanden und hätte jedem einmal ins Gesicht getreten. Doch ich blieb liegen, ich erinnerte mich an Oswalds Worte und ich erinnerte mich daran, dass er Recht hatte. Ich schwörte mir allerdings auch zeitgleich, dass ich diesen Ruf loswerden würde, denn es müsste zumindest eine starke Schulter geben, in diesem durchgedrehten Haushalt, mindestens eine, die dafür sorgt, dass nicht alle elendig an ihrem eigenen Blute erstickten...


In der Nacht, wenn alles ruht,
Träumend von der Ferne,
Hat der Himmel auf der Hut
Nur das Aug der Sterne.

Doch wenn in die Welt zurück
Kehrt des Tages Wüten,
Braucht er schon den Sonnenblick,
Um sie zu behüten.
Hermann Rollett - Schutz
"Sie will ihn nur einmal zwischen den Beinen haben. Nur zu, frage ihn, er wird dich lassen."

Bevor ich noch einen weiteren, klaren Gedanken fassen konnte, knallte meine Faust in Njal's Gesicht. Ich spürte seine Haut auf der Meinen und ich fragte mich ernsthaft, ob es ihm nun mehr weh tat als mir. Ich schüttelte diverse Male meine Hand, als ich annahm, es würde keiner sehen und ich musste mir wiedermal eingestehen, wie schwach ich eigentlich war. Langsam hasste ich es hier, ich hasste es so nutzlos zu sein und am meisten hasste ich meinen schwächlichen Leib. Dies wurde mir um so mehr bewusst, als Njal dann die Hand gegen mich erhob und mir eine pfefferte, das sich in meinem Kopf alles drehte. Ich starrte eine ganze Weile auf die leere Straße und ich fragte mich, wie viel schlimmer es noch werden konnte. Ich konnte nicht jeden retten und ich konnte auch nicht immer da sein und Beherrschung, das war etwas, was ich nicht einmal im Ansatz in mir trug. Seine Worte verletzten mich und das mehr als seine Hand in meinem Gesicht. Der Abend hätte nicht schlimmer werden können, dachte ich und wiedermal stellte ich fest, wie falsch ich doch lag...

Jeden verdammten Tag, jeden dreckigen, verdammten Tag standen hunderte von Hauswachen vor dem Anwesen und starrten penetrant die Straße entlang. Jedoch als der Dieb um die Ecke kam und die Frauen der Familie, welche sich dort befanden, mich eingeschlossen, zu Boden schlug, da war keine einzige Dreckswache anwesend. Wieder donnerte es in meinem Kopf und ich merkte nur noch, wie ich auf den Boden aufknallte und sich in meinem Geist alles drehte. Ich hätte weinen können, ich habe geweint und ich fühlte mich erbärmlich.
So flossen die Tränen und ich konnte nicht mehr aufhören, das Pochen und der Schmerz in meiner Wange nahm auch kein Ende und ich wusste nicht mehr ein noch aus. Mein verworrener Geist hatte es gedankt, das Nicolas da war und mich von der Straße zog, um zumindest den Rest an Würde mit ins Haus zu ziehen, die ich eventuell noch besessen hatte...

Verloren zu sein, sich nicht mehr finden.
Einsam sein, die Kälte tief im Herzen zu spüren.
Verzweifelt sein, kein Ende der Dunkelheit erkennen.
Verloren sein, keine Ahnung zu haben, wie es weitergehen soll.
Das Gefühl haben, als würde sich die Kälte,
wie Hände um den Hals legen und immer fester zudrücken.
Verloren sein, dieses Gefühl nicht zu wisssen,
wohin der eigene Weg führt.
Ich saß einfach nur da. Den Stuhl, den ich mir in die Sonne gestellt hatte, vollkommen einnehmend. Meine Arme hingen schlaff herab und meine Beine waren ausgestreckt. Auf keinen Fall eine ordentliche Position, aber zumindest ordentlich genug, damit die Sonne den kompletten Leib erreichte. Mein Kopf hing weit hinten und ich ließ mich von den Strahlen der Sonne bescheinen. Es war alles so friedlich, als wäre keinerlei Sorge auf jenem Grundstück vorhanden, keinerlei Qual. Doch jeder der hier lebte, wusste es besser, mich eingeschlossen. Aber mir sollte es egal sein, eigentlich ging es mir gut. Ich befand mich noch nicht an dem Punkt, wo mich die Verzweiflung überrannte und alle anderen Gefühle über die Flanke warf. Aber vermutlich bewegte ich mich darauf zu, wie jeder irgendwann.

Ich redete mir ein, dass es mir egal sei und eigentlich war es das auch. Ich machte eben meine Arbeit, so gut ich es konnte und ich ließ das Ganze, was sich mir offenbarte, an mir vorbei ziehen. Nur eine Person schaffte es, dass ich genauer hinsah und es nervte mich. Ich wollte gar nicht genauer hinsehen, denn ich fühlte mich eigentlich wohl. Ich wusste das es naiv war und ich wusste auch, dass die Ignoranz nicht für mich sprach. Aber zeitgleich war mir auch klar, dass es alles nur ein Spiel der Maskerade darstellte. Eine Maskerade, die zwar bei mancher Stelle vollkommen dämlich wirkte, an anderer Stelle nicht bemerkt und an wieder anderen Orten für ernst genommen, aber auch eine Maskerade, die mir das Aufstehen leichter machte.

Vor einigen Stunden wurde allerdings mein ganzes Spiel etwas zerrissen, durch eine Information, die ich eigentlich nicht haben wollte und die für mich so ein Schlag ins Gesicht war, das ich kaum noch wusste, wo hin ich laufen sollte. Ich musste stark bleiben, ich nickte alles einfach nur ab und formte, schweren Herzens, ein höfliches, heuchelndes Lächeln. Er wusste das es eine Lüge war, diese Emotion, ich wusste das es eine Lüge war und trotzdem hielt ich all dem Stand. Es wurde alles düster und ich hatte mein Lichtblick verloren. Die nächsten Schritte ging ich im Dunkeln und mir kam alles wie neu vor. Fast schon ein wenig albern. So ein elender Idiot...

Also saß ich da, mitten in der Sonne und genoss die Ruhe und wartete darauf, dass wieder irgendwas passierte, was mir den naiven Schleier von den Augen riss und mich zurück in die Realität holte. Ich konnte allerdings nicht behaupten, dass ich gefangen war im Ganterhaus, es waren Ketten, die ich selbst um meine Beine legte und Gitter, die ich mir selbst errichtete. Es war meine Wahl und verdammt, eigentlich fühlte ich mich doch wohl...


"Wenn sie wunderbar ist, wird's nicht einfach sein. Wenn es einfach ist, wird sie nicht wunderbar sein. Wenn sie's wert ist, wirst du niemals aufgeben. Wenn du aufgibst, war sie's nicht wert.
Die Wahrheit ist, jeder wird dir wehtun, du musst nur diejenige finden, die es wert ist, dass man für sie leidet."
Bob Marley
Ich fragte mich die ganze Zeit, ob es sich überhaupt lohnte, sich so viel Sorgen um alles zu machen. Ob sich der Kummer lohnte, das Leid und der Stress, den man sich dadurch im Geist machte. Die helle Sonne, welche mir ins Gesicht schien, am frühen Morgen, ließ mich eigentlich recht schnell alle Sorgen vergessen und erwärmte mein Herz. Wie groß konnten diese Sorgen also sein, wenn ein einziger Sonnenstrahl sie mir aus dem Geist treiben konnte? Ich beugte mich langsam vor und griff nach meinen Sachen, ich begann damit, meiner Arbeit im Hause Ganter nachzugehen. Ich hatte beschlossen, kurzfristig, wieder all das zu tun, was ich immer tat. Obwohl ich nicht mit Godwin sprach, der heutige Tag hatte einen Film Glück über sich gezogen und jenes trug ich durch die Gegend, über die Etagen hinaus, bis hin auf die Straße.

Ich war alleine, eigentlich den ganzen Tag und ich fand es nicht sonderlich schlimm. Es war so viel Zeit zum Nachdenken, Gedanken, die ich mir vorher nie wirklich machte, weil ich viel zu sehr damit beschäftigt war, mich über Dinge zu ärgern und mir Kummer deswegen aufzuhäufen. Heute sollte das anders sein und so ließ ich meinem Gedankenfluss freien lauf:

Ich dachte an ihn, wie ich oft an ihn dachte. ich überlegte, was er gerade trieb und welche Frau sich nun seinem Gegaffe stellen musste. Auch wenn es innerlich klar war, dass er sich zu jener Zeit noch in den Minen befand und doch ließ mich dieses Misstrauen ihm gegenüber nicht los. Ich wollte ihm vertrauen, ich versuchte es wirklich, aber selbst nach so vielen Gedankengängen über dieses Thema, war es mir nicht möglich. War ich unfair? War er unfair?`Er verwirrte mich, egal ob ich oftmals so klare Worte hörte. War er zu verbittert oder war ich zu misstrauisch... Ich hob die Hände langsam in die Höhe und raufte mir das Haar, was ich noch nicht einmal gemacht hatte. Er machte mich wahnsinnig und aus meinem Kopf wollte er auch nicht raus. Vielleicht ein sauberer Schnitt, vielleicht wäre es besser, für mich, für ihn und dann dachte ich wieder daran, dass mich mein Gewissen zerfressen würde, würde ich ihn... zurück lassen. Ich fühlte mich in gewisser Weise mit ihm verbunden, wie ein unsichtbares Band. Auch wenn ich es ihm wohl so nie sagen würde.

Dann dachte ich an Nicolas. Ich glaube er war der Erste, mit seiner Schwester, der mich in diesem Haus beachtete. Ich danke ihm für so viel und unweigerlich, sobald ich an ihn dachte, folgte ein Lächeln in meinem Gesicht. Er war irgendwie mein bester Freund und irgendwo in meinem Herzen war er noch mehr für mich oder vielleicht nicht, oder doch... Auch er brachte mich um den Verstand, aber in einer vollkommen anderen Weise. War ich verrückt geworden? War ich ungerecht, war ich unfair? Ich wollte ihn auf jeden Fall baldigst wiedersehen, die Zeit nutzen, die ich hatte, bevor er wieder in Studien versank und zeitgleich sträubte ich mich dagegen, denn immer mal wieder schlug eine mentale Faust in mein Gesicht und erinnerte mich an ihn.

Verrückt war, würde ich eine Liste anfertigen, um herauszufiltern, wer die bessere Option wäre, wüsste ich, bereits beim ersten Punkt, wer gewinnt, ohne es verglichen zu haben. Ich wurde langsam verrückt und so stürzte ich mich lieber in meine Arbeit, als mir über solch Unsinn Gedanken zu machen!

Das Haus das mich hütet, die Knospen und Blüten, sind finster und kalt.
Der Stoff den ich trage, von schneeweißer Farbe, verschnürt mir den Hals.
Ich würde gern schreien, mich von allem befreien, zum Sprengen der Ketten der Angst.
Doch alles was Hoffnung bringt liegt in der Ferne, wie Sterne, ich breche zusammen...


Das Haus das dich hütet schreibt Kummer und Leid, wenn ich dich seh'.
Dnd Dunkelheit breitet sich aus in meinem Geist, auch wenn ich Licht seh'.
Der Stoff den du trägst ist noch weißer als Schnee, es sind Fesseln die nie mehr vergehen.
Ich suche doch find' dich nicht - stelle mich hinter dich, wie lange muss ich noch flehen...


Stimmen die rufen denn hinter den Fluten aus Tränen und Schmerz.
Treff' ich dich wieder, ich möchte dich wieder - als Seele und Herz.
Das endlose Leid sei endlich vorbei und Wärme kommt in mir auf.
Das was ich brauch’ kommt langsam hinauf, Zweisamkeit nimmt ihren Lauf.


Ich weiß wo du bist und ich eile herbei, denn es fügt sich.
Der Stoff legt sich langsam herab auf mein' Geist und verschnürt sich
Das Feuer, das glüht, ist nie wieder trüb die Flammen sind stärker denn je.
ich brauche nichts anderes, brauche kein anderen bleib mit dir ewig im Schnee.