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Normale Version: Ein bisschen gefürchtet, die Knochen gebrochen
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Ein bisschen gefürchtet, die Knochen gebrochen -
Hauptsache aus dem Keller gekrochen
(Sprichwort aus dem Armenviertel)


1398, Wandelmond, Guldenach

 
„Schaffst du es immer?“
 
„Meistens.“
 
„Wer hat’s dir beigebracht?“
 
„Willst du nicht wissen.“
 
„Machst du es oft?“
 
„Nicht zu oft. Es ist gefährlich. Wenn ich geprügelt werde.“
 
„Wirst du oft geprügelt?“
 
„Ein paar Mal im Jahr. Es ist die Arbeit. Sie hassen uns.“
 
„Wieso hast du keine andere? Warum beim Abyss bist du Steuereintreiber geworden? Das war ja wohl die dümmste Idee der Welt. Dabei hattest du schon so viele dumme.“
 
„Ich kann nichts Gescheites.“
 
„Beschreib es mir.“
 
„Ich tue es nur, wenn es nicht mehr anders geht.“
 
„Es klingt wie Zauber. Bring es mir bei.“
 
„Ist es nicht. Es ist nur Übungssache. Du musst rückwärts zählen. Dein Körper und dein Geist sind mit zehn Bändern verbunden. Mit jeder Zahl löst der Geist sich mehr. Mit jeder Zahl ein bisschen weiter. Du musst nur loslassen lernen. Beginn bei 10. Ich sag dir, wie es geht. Zähl in Zweierschritten.“
 
„Zehn.“
 
„Du steckst in deinem Körper fest. Weiter.“
 
„Acht.“
 
„Dein Körper und dein Geist sind zwei verschiedene Dinge. Konzentrier dich darauf.“
 
„Sechs.“
 
„Du bist eine Handbreit von deinem Körper entfernt und schaust ihn an. Mit Abstand. Er ist zunehmend fremder und verschwommener.“
 
„Vier.“
 
„Du erhebst dich vom Boden. Das da bist du, aber dann doch nicht. Der Schmerz ist gar nicht deiner.“
 
„Zwei.“
 
„Dein Körper reagiert ohne dein Zutun. Lass ihn. Es ist gleich. Lass los.“
 
„Eins...“
 
„Du bist frei. Du schwebst weit über dir selbst. Du achtest nicht mehr darauf, was deinem Körper passiert. Erst wenn es sicher ist, kehrst du zurück. Erst wenn sie fort sind.“
 
„Wie machst du weiter?“
 
„Versuch gar nicht, dich zu erinnern. Du betrittst ein Haus, das eine Sturmflut überstanden hat. Sei einfach froh, dass es noch steht. Es wird nicht besser, wenn du zu genau hinschaust. Dein Haus lässt sich nicht versetzen. Also leb damit.“
 
„Versteh nicht, wie du das kannst.“
 
„Es muss eben sein.“
 
„Für wen machst du das überhaupt?“
 
„Ach komm, Lix. Sparen wir uns das. Du lachst mich ja doch nur aus.“
 
„Probier’s mal.“
 
„Für die Ordnung.“
 
„Mithras... dir ist nicht zu helfen.“
 
„Schutz und Ehre, Lix. Schutz und Ehre.“
 
„Sag deiner Ehre, sie soll mir einen Schnaps zahlen.“
 
 
1405, Brachet, Löwenstein
 
Irgendwie kroch sie von dem einen verfallenen Haus in Richtung des anderen. Wie, das wusste sie selbst nicht so genau. Hauptsache weggekrochen.
 
Sei einfach froh, dass du noch stehst.
Sei einfach froh, dass du noch stehst.
Sei einfach froh, dass du noch stehst.
"Eh Lawin... Schau mal, wer kreucht denn da?" Ein lumpiger Viertelbewohner lehnte an der Mauer bei der "Armenvilla" und deutete mit seinen vernarbten Fingern in Richtung einer leidend wirkenden Person. Sein Blick war glasig und er schien Mühe zu haben überhaupt etwas zu erkennen."Sieht ja scheiße aus... ob da was zu holen ist?". Die Frage klang trotz des trägen Lallens seiner Zunge ekelhaft gierig und enthusiastisch.

"Mhn?", erwiderte der Blondsschopf erst einmal nur elanlos summend und drehte nur langsam den Kopf, um in Richtung des potenziellen Opfers zu blicken. "Ich bin gerade nicht in St..." Er verschluckte das letzte Wort und seine Augen weiteten sich erschrocken, als er seine alte Freundin erkannte.
"Das ist Lix, Du ..."  Die Beleidigung ging in einem besorgten Murren unter und er eilte sofort auf sie zu.

"Die hat nur zu viel gesoffen..." Nun war es der angetrunkene Viertelbewohner, der völlig elanlos wirkte, seine Arme sogar bockig vor der Brust verschränkte. Die Enttäuschung auf eine leichte Beute zu verzichten, stand ihm ins Gesicht geschrieben. Ähnelte dem eines kleinen Kindes, dem der Nachtisch verweigert wird.

"Steh nicht rum, halt die Tür auf... bitte". Lawins Worte klangen mehr gereizt als freundlich.
Dafür aber umso liebevoller hob er die junge Frau in seine Arme. Als wäre sie eine schläfrige, kleine Prinzessin, die man nach einem überanstrengenden Tag nun ins Bett tragen muss.

"Alles wird gut Lix, ich bin bei Dir..."
"Du musst dich nicht unter dem Kissen verstecken...
Ich weiß, dass du wach bist...
Es tut mir leid, dass da noch so ein Lärm war...
Ich hoffe, du hast nichts Peinliches gehört...?
Das Schnarchen klingt niedlich, aber ich kaufe es dir nicht ab...
Ich habe dir eine warme Fleischbrühe gebracht...
Isst du auch bitte deinen Lebertran...?
Wein kannst du danach haben...
Jaja, ich höre schon auf zu nerven...
Klingel einfach das Glöckchen hier, wenn du etwas brauchst..."