Den Verlust konnte sie nicht nachvollziehen. Sie wusste nicht wirklich wie es war jemanden tatsächlich zu verlieren der ihr Herz berührt hatte. Es gab kein tiefes, inniges Verhältnis zu einer Mutter oder einer Schwester. Es gab nichts was ihr das Gefühl gab diese Sachen nachempfinden zu können. So gab es auch keine reichende Hand, es gab eigentlich nichts außer diese unglaubliche Wut. Der Verlust der Kontrolle, der unaufhaltbare Schmerz, der sich nur um so mehr festigte als sich ihr die kalte Mauer entgegen streckte und sie erneut gegen Steine schlagen ließ. Es gab nur diese Blessuren die sich immer wieder aufs Neue entzündeten, weil sie immer wieder aufs neue gegen die feste Substanz schlugen. Sie wollte hinein, sie wollte immer nur hinein, die Mauer, den Wall überwinden und eine Liebe erfahren, die in Nortgard so kalt und erschütternd über sie her fiel, wie eisiger Schnee der die Glieder lahm machte. Wie konnte sie nur so ein abartiges Miststück auf offener Straße sein und in ihren vier Wänden so verzweifelt und so unfähig? Hatte sie sich unter Wert verkauft oder gar verschenkt und den Faden verloren der sie wieder in die eigenen Richtungen schickte? Sie wollte schlagen, wollte rammen, sie wollte einen Hort der Ruhe, irgendwas was ihr half mit dem Leben außerhalb dieses Hauses fertig zu werden.
Sie zweifelte und das hatte sie in dieser Hinsicht eigentlich noch nie getan. Irgendwas ließ sie so sehr wanken, dass selbst fester Boden sich anfühlte wie ein Sumpf, wie Treibsand. Es war eine Schwäche, sie war schwach geworden oder war es schon immer. Ihre Fassade ist gerissen, ihre Mauer wurde gestürmt, bereits vor Jahren und doch war es erst dieser Tag der sie so sehr ins Schleudern brachte, dass die Luft in der Lunge zusammengezogen wurde, flüssig wurde und nichts mehr her gab. So brauchte sie etwas Würde, ein wenig Stolz. Etwas was er angeblich bereits schon vor Jahren abgelegt hatte, etwas was sie aber nie ablegen wollte. Er sollte merken was er hatte oder eben merken was er eigentlich nicht brauchte. Sie war dieses Ballspiel leid. So redete sie es sich zumindest ein. Eventuell war aber auch nur der Tag gekommen, dieser Tag, wo sie auch die letzte Person in ihrem Umfeld von sich stieß, sie verscheuchte wie Ungeziefer. Er war frei, sie hatte sich entschieden, sie ist gebunden, er nicht - Er war frei, also sollte er auch frei sein.
Zitat:Durias,
wie war das noch mit den Fäden?
Jakobine
Und so sammelte sie ein paar Dinge ein, nicht viele, nicht alle, aber alles was verdeutlichte, dass sie nicht unbedingt die nächsten Tage wiederkommen müsste: Die Rüstung war weg, diverse Hemden waren aus dem Regal verschwunden, das Bett so gemacht als hegte man nicht das Interesse daran sich alsbald wieder hinein zu legen - abgezogen und auf einen Haufen platziert.
Doch das war es nicht gewesen, sie war keine zwanzig mehr. Sie konnte die Stadt nicht verlassen, nicht fliehen vor der Konsequenz. Vielleicht lag das auch gar nicht in ihrem Interesse, vielleicht sollte der Schorf nur wieder abheilen, dass wieder Fläche war für neue Wunden.