Arx Obscura

Normale Version: Schritt für Schritt, den Weg voran ins Sonnenlicht
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Alles hatte schleichend begonnen und schon vor einer langen Weile angefangen.
Eigentlich, um genau zu sein, wohl in dem Moment, wo sie den Fuss das erste Mal auf die Hafenplanken in Löwenstein gesetzt hatte.
Ihre Eltern hatten sie fortgeschickt um vor der Keuche in Sicherheit zu sein.
Noch heute sah sie die Gesichter der beiden, wie sie dem Boot hinterher winkten.
Sie hatten alle nicht geahnt, dass dies das letzte Mal sein würde, dass sie sich sehen würden.
Ihre Eltern waren fleißig und rechtschaffen und voll von all der Geschichten der Götter. Sie waren glücklich und liebten sich und die Tochter, die ihnen geschenkt wurde.
Würde man einen Makel in der Idylle suchen, wäre es wohl, dass sie ihre Tochter zu sehr liebten und ihr so manch Sachen erlaubten, die andere Eltern ihren Kindern nicht durchgehen ließen.
So kam es, dass Leira lieber den Wald erkundete, als mit ihren Eltern Sermos aufzusuchen. Dass sie lieber Geschichten von dem allseits bemunkelten Drachentöter Walther Drechsler hörte, als von den Taten der Einundzwanzig.
Und doch gab es in ihrem Elternhaus niemals Grund an den Göttern zu Zweifeln.

War es Löwenstein, war es ihre errungene Selbstständigkeit, war es die Grausamkeit der Keuche, die sie so intensiv miterlebt hatte, war es der Disput zwischen den Glauben, ausgelöst durch eine große Liebe, den sie miterlebt hatte oder war es schlicht und einfach Zeit?

Jedenfalls im Hier und Jetzt gesehen hatte sie einen langen Weg schon hinter sich, in dem sie Schritt um Schritt tat und die Götter scheinbar nicht mitliefen.

Als die ersten neuen Gedanken kamen und die Fragen zum anderen Glauben, hatte sie diese noch gut versteckt, mit sich allein ausgemacht. Hatte, wann immer von Mithras gesprochen wurde, die Ohren weit aufgestellt und so Puzzlestück um Puzzlestück zusammengefügt.
Vegard war der erste, mit dem sie über ihre eigene Unruhe hatte sprechen können.
Bei ihm durfte sie zweifeln, sich verändern und war doch geborgen und frei von Verurteilung.

Nach und nach wurden es mehr Vertraute oder offenere Fragen, die sie sich zu stellen traute und kaum hatte sie, vor allem sich selbst, diese Gedanken erlaubt, wurde sie mit einem Lichtschein auf ihren Weg belohnt.
Lisbeth Winkel selbst kam in ihr Haus und sprach über den Glauben.
Nach all den leisen, fließenden und unbemerkten Schritten, war dieser wie eine Tür zu öffnen. Und hinter der Tür ein noch unklares, doch wohliges, Bild.

Während Leira noch blinzelte und versuchte zu erkennen, was auf sie wartete, kam der Tag der Flüsterwaldoffensive.
Hannah war zu Anfang bei jedem Schritt hinter ihr und kurz stockte Leira der Atem, als sie mit einem Mal von diesem Gefühl erfüllt wurde. Diese Stärke, diese Zuversicht, dieses Gefühl jeder Herausforderung des Abends gewachsen zu sein..
Doch vorerst bliebt keine Zeit weiter nachzudenken, der Kampf war im vollen Gange und sie musste einfach nur reagieren.

Erst am Tag danach erfuhr sie von Hannah, dass diese einen Segen Mithras über sie gesprochen hatte.
Leira wollte unbedingt mehr erfahren, doch blieb gerade keine Zeit.
Was war dies für ein Gott, der solch Segen auf eine einfache Jägerin sprach, die sich ihm gerade erst zuwandte?
Immer öfter kreisten ihre Gedanken um Mithras und die Kirche.
Und nun, wo die Offensive überstanden war, blieb endlich die Zeit sich durch die Bücher zu arbeiten, die sie sich bei Asmodan hatte ausleihen dürfen.
Mit jedem Wort, das sie las, wurde das Gefühl größer, dass ihr Weg sie an einen neuen Ort führen würde.

Das Aspekt der Ordnung.. das war das Kapitel, dass sie heute in der Früh gelesen hatte.
Wie oft schon hatten Vegard und die anderen Bundler liebevoll über Leira gescherzt, weil diese auf penible Ordnung im Keller, Hof und Hort pochte.
Es war interessant zu lesen, dass sie sich in den Schriften mehr wiederfand als in denen ihrer Kindheit.
Doch natürlich war es niemals leicht etwas hinter sich zu lassen.

Heute Abend würden die letzten Kapitel des letzten Buches folgen. Und vielleicht würde sie jemanden finden, mit dem sie ihre Fragen klären könnte.