Arx Obscura

Normale Version: Von Raub, Pferden und dem Meer
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Manchmal wenn man fest schlief und einem die Traumwelt in ihre Umarmung schloss, war das was einem wiederfuhr keine Fiktion. Es ist oftmals Erlebtes und Vergangenes. Eindrücke, Gefühle oder auch nur ein bestimmter Geruch. Der Schlaf kann tückisch sein. Er lockt mit dem Versprechen von Ruhe und Erholung und in mancher Nacht hintergeht er einen und bringt nur Unruhe.
In dieser Nacht war es das Schaukeln gewesen. Dhena lag da, nahe an ein galatisches Mädchen gedrängt. Zu nahe, wenn man die Beziehung betrachtete in der sie standen. Und das Schaukeln begann. Ihr Schlaf war traumlos gewesen bis plötzlich dieses elendige Gefühl aufkam. Auf und Ab.... auf und ab... auf und ab. Ein stetiger, ruhiger Wellengang. Zu dem Gefühl auf einem Schiff zu sitzen, kamen nach und nach mehr Eindrücke. Der salzig, fischige Geruch des Meeres, vermischt mit dem Gestank von fast hundert schwitzenden Männern und schlechtem Wein. Harte, kalte Holzbohlen unter ihr. Nur ein dünnes, klammes Fell auf dem ihr Kopf zu ruhen schien.

Es war stets so völlig anders gewesen als mit den Shurax. Es war unorganisiert, ehrlos und erbarmungslos. Vorallem der Moment davor. Wenn die Männer ihre Schilde zur Hand nahmen und das Schiff auf Sand lief. Das Geräusch des Bugs, wie er in den weichen Untergrund des Strandes fuhr, gab ihr jedes mal wieder eine Gänsehaut. Die Schreie begangen schon bevor sie auch nur einen Fuss an Land setzten. Warnrufe, Hilferufe, Herausforderungen, schieres, verzweifeltes Kreischen. Und das Weinen von Kindern. Letzteres konnte sie nicht ausstehen. Sie hatte es sich zur Gewohnheit gemacht ein altes, jurisches Lied zu brummen sobald dieses Weinen begann und sie schaffte es stets - wenn auch nur für sich selbst - es mit ihrer sonoren Stimme zu übertönen... oder zu verdrängen. Sie war an einem Punkt angekommen, wo es ihr schlicht egal war. Es dauerte nie lang bis das Rauschen in ihrem Kopf anfing und das Adrenalin durch ihren Körper pumpte. Es spannte ihre Muskeln, bis sie zu reissen drohten und dann floss Blut. Sie machte dabei keine Unterschiede. Es würde ihr abermals Ärger mit dem Kapitän einbringen, potenzielle Ware zu beschädigen. Doch es war ihr, wie immer, gleich. Sie war zu einer zynischen, dumpfen Person verkommen, die es einfach nicht mehr interessierte. Der Schmerz und Verlust ihres Stammes, ihrer Familie musste in irgendeiner weise kompensiert werden. Und es waren doch nur Rotschöpfe. Diese Inseln waren voll von ihnen. Sie vermehrten sich wie Ratten und waren ebenso nutzlos.
Das erste dach rauchte schon. Heute waren sie schnell bei der Sache. Dhena trieb es durch das Dorf, doch der Blick ihrer dunkelbraunen Augen fand nichts wertvolles. Ihre Kostbarkeiten hatten sie vermutlich vergraben. Und Graben wäre einfacher, wenn erstmal keine Häuser mehr standen. Ihr stellte sich ein bursche in den Weg. Schild und Schwert des vermutlich schon toten Vaters umklammert, forderte er sie zitternd heraus.
Sie machte keinen Unterschied. Als würde Morrigú selbst ihre Arme führen, bespritze sie sich noch mehr mit warmen, frischen Blut. Der Junge stand keine Minute obwohl er noch einige Momente Kopflos wankte, ehe er in sich zusammen sackte. Eine kurze Unterbrechung nur und sie ging weiter. Das würde Ärger geben....
Es gab einen Tumult, nicht weit, gen Osten. Sie folgte den Geräuschen und Stimmen und da stand eine ganze, verdammte, galatische Kinderschar eingefercht von Seeräubern. Fracht die viel Platz wegnehmen würde, aber sicher einige Gulden einbringen könnte. Weitere ihrer Kameraden standen vor dem Eingang eines der Häuser. Daher kam also der eigentliche Lärm. Die Jurin schob sich, Schulter voran, in die erste Reihe. Dann lachte sie auf.
Im Eingang stand ein ergrauter Mann, ein Langschwert in den Händen wiegend, das vermutlich seit zwanzig Jahren nicht mehr angefasst hatte. Und dahinter seine Familie, zusammengekauert am Herdfeuer. Er schrie ihnen unverständlich entgegen. Die schiere Panik und Angst um seine Familie hatte ihn ergriffen.
dann wurde Dhena voran geschoben. Die Männer johlten. "Den alten Sack packst du doch, Jure!" und sie begangen zu wetten...
Es war skurril. Der alte Schiffsbauer bot ihr sogar einen passablen Gegner. Er traf sie kein einziges mal, doch hatte sie Anfangs ihre Mühe um seine lange Klinge herum zu arbeiten.
Die ängstlichen Augen seiner Familie bohrten sich in Dhenas Unterbewusstsein und würden bis zum heutigen Tage nicht mehr verschwinden. Eine seltsame Kulisse. Doch... es machte keinen Unterschied. Der Galatier führte einen ungeschickten Seitwärtshieb gegen ihre Hüfte, als sie sich einmal halb herum drehte und den Schwung dazu nutze seine ungeschützte Seite anzugreifen. Der Hieb bohrte die Axtklinge vom Halsansatz hinab tief in seine Brust. Seine Rippen knirschten dabei so laut, das die Jurin erschauderte. Und die Klinge steckte fest.... herrlich.
Die Männer in ihrem Rücken lachten auf. Dann wollten sich schon über die restliche Familie hermachen, als Dhena nun das erste mal tatsächlich den Blick auf sie richtete. Und es war als entweiche jegliches Blut aus ihren Gliedern. Der Rausch des Mordens war verflogen und es ließ sie beinahe zusammen sacken. Plötzlich, wie ein Faustschlag in den Magen. Dort stand eine Mutter völlig handlungsfähig ob ihrer Angst. Ein kleines Mädchen - es reichte der Mutter kaum bis zur Hüfte - versuchte sich in den Rockfalten der Mutter zu verstecken und weinte bitterlich. Sie zählte vier Knaben und einen jungen Mann. Alle hatten die selben kupferroten Locken und dann mitten drin Fionnait. Einen Arm um Einen der Jungen gelegt, sah sie erstaunlich abgeklärt aus. Natürlich hatte sie Angst und sie wurde nicht weniger als die blutbesudelte, wild aussehende Jurin, die gerade ihren Vater entzwei geschlagen hat, sie direkt anstarrte. Doch etwas in ihrem Blick verriet dieser Juren, das da etwas kostbares vor ihr stand.
Dhena fragte sich immer wieder was sie geritten hatte, Besitzansprüche zu stellen. Es war wie mit einem bestimmten Schmuckstück. Man sah es auf einem Markt und musste es einfach haben. Es hatte keinen bestimmten Nutzen und doch kaufte man es. So war es mit Fionnait gewesen.
Ihre Mutter starb ebenso. Doch nicht durch Dhena's Hand. Die Männer nahmen sie, als Dhena ihre Beute zum Schiff zurück schleifte.
Sie hatte keinen Tag mehr ohne das galatische Mädchen verbracht und rückblickend war es sicher das gewesen was sie gebraucht hatte, ganz allein unter so vielen Männern. Und irgendwann gehörte sie einfach zu ihr. Alles fügt sich irgendwann ineinander....
Verdammt wo war sie? Die Augen öffneten sich flatternd und die Umgebung war ihr völlig fremd. Sie hasste das. Und es war ihr schon zu oft passiert.
Die Jurinrollte sich auf dem Bett herum... Aha ein Bett. Betten waren seltsame Dinge. Die Amrhaner schwörten darauf. Dhena wusste nicht genau weshalb. Am ehesten noch laden die Dinger dazu ein, sich Flöhe zu holen oder des Nachts runter zu fallen. Sie drehte sich auf den Rücken und starrte an die fremde Zimmerdecke.
Ein tiefer Atemzug, der puren Schmerz durch ihren Körper jagte, ließ sie sich wieder erinnern. Sie lag in Serbitars Bett. Ihr Kopf drehte sich doch er war nicht zu sehen. Dann hob sich ihre Hand und sie betastete die Nase. Geschwollen... sehr schön. Ein Seufzen in der Dunkelheit, dann schloss sie wieder die Augen. Wie sie damit überhaupt einschlafen konnte, konnte sie sich nicht erklären. War es der Alkohol? Das plötzlich schwindende Adrenalin? Oder vielleicht seine komische Salbe...
Ein leises Murren von der Jurin, dann ein Knarzen als sie sich wieder herum drehte. Dieser verfluchte Skaskar und seine verfluchte Faust. Warum mussten sie immer alle auf die Nase zielen? Aber immerhin hatte sie ihn zum kotzen gebracht. Ein kleiner Triumph, an einem Abend der eigentlich ganz anders hätte laufen sollen. Doch sie machte sich einen Namen, genau wie sie ihn sich schon in der Juretai machen musste und später unter der Schiffsmannschaft. Es ist anstrengend und schmerzhaft, doch jeder Krieger musste seinen Ruf pflegen. Sie wollte gefürchtet unter den Schwachen und respektiert unter den Starken sein. Und die wenigsten Amrhaner würden das wohl so unterschreiben, aber selbst solch dreckige Prügeleien mehrten diesen Ruf.
Sie vermisste Fionnaits pflegende, sanfte Hände. Nach Candaria reiten? Bei den Dreien, nein. Lieber kuschelte sie sich wieder in das erstaunlich kuschlige Bett, was sie natürlich nie zugeben würde. Und hätte sie riechen können, dann hätte sie vielleicht sogar verstohlen an den Kissen geschnuppert, was sie erst recht nie zugeben würde. Mit den Gedanken an Fios Hände, Serbitars Geruch und Skaskars Faust, ganz abgelenkt von den Schmerzen im Gesicht, schlief sie dann nochmal ein.
Er hatte sie einfach so gepackt, auf den Bauch geworfen und sie genommen gehabt. Er war ihr erster Mann gewesen, damals in diesem fremden Stamm. Er hatte ihr seinen Samen gegeben - Sein Sohn unter ihre Herz gepflanzt. Er hatte sie sich als Gefährtin genommen. Und er hatte sie Nacht für Nacht bestiegen, bis sie zu rund war um bestiegen zu werden. Also hatte er andere bestiegen.
Das was die Amrhaner Liebe nennen kannte sie nicht. Sie kannte Besitz. Leidenschaft. Wildheit. Wollust. Sie hatte ihre Söhne geliebt, ja. Sie hatte ihre Familie, ihren Stamm geliebt. Aber einen Mann zu lieben war ihr fremd. Hass hingegen war etwas Greifbares. Etwas Wundervolles. Eine treibende Kraft, die immer in großen Taten resultierte. In Blutdurst, Wahn und Tod. Das war ihre große Liebe. Der Hass und die Kampfeslust. Und so hatte sie nie Männer geliebt. Sie hatte mit ihnen gekämpft. Ob auf dem Schlachtfell oder in den Fellen. Und irgendwann war sie es gewesen die die Oberhand hatte. Sie hatte bestimmt wen sie ritt. Wer ihr Anerkennen verdiente und wer nicht sterben brauchte.
Er war nicht ertrunken, wie ihr Sohn ertrunken war. Wie so viele andere ertrunken waren. Er starb mit einem Messer in der Brust und niemand hatte es bemerkt. Niemand hatte gesehen wie sie sein Blut vergoss. Wie sie sicher ging, dass er diese Nacht nicht überstehen würde. Und sie hatte sich geschworen, dass er der Letzte sein würde. Nie wieder würde ein Mann derartig über sie bestimmen - Sie besteigen wie eine Zuchtstute. Einen Bund mit ihr eingehen, den sie nicht wollte. Und irgendwie doch wollte, weil es sich so gut anfühlte, wenn er sie nahm.
Kein Mann würde jemals mehr ihr Gefährte sein. Sie war eine freie Frau.

... und ihr Blick fiel hinab zu dem schlafenden Mann in ihren Fellen. Wie friedlich er aussah. Ganz ohne Angst, Zweifel und Unsicherheit. Wie vertrauensvoll er war, dabei könnte sie ihm jeden Moment die Kehle aufschneiden und er würde nicht einmal merken, das er starb. Kein Mann würde jemals mehr ihr Gefährte sein. Sie war eine freie Frau. Und doch kam er genau dem Stück für Stück näher... vielleicht sollte sie einfach das Messer nehmen, ehe es zu spät war.
Auch sie wäre unerwünscht im Stamm sollte Saresh es jemals herausfinden. Es war ihr schrecklich zuwider etwas vor ihrem Khan zu verheimlichen. Doch war sie nunmal nicht nur Gast bei den Shurax. Sie war Teil der Shurax von Geburt an. Und hier lag sie nun hell wach neben dem Mann mit dem unnaturlich hellen Haar. Ihre Gedanken von seinem Schnarchen begleitet. Sie hatte einige Male in vergangener Zeit bei Fionnait gelegen. Es war der reine Drang gewesen irgendeine Form von Nähe zu spüren. Zu einer Zeit in der sie nur von Menschen umgeben war denen sie, trotz engstem Raum, möglichst fern bleiben wollte. Es hatte das Gefühl von Geborgenheit simuliert und ihr mehr Kontrolle über eine Menschen gegeben, der ihr jederzeit ein Messer in den Rücken hätte rammen können. Sie war keine Frau die nur mit Frauen schlief. Sie hatte es davor nie getan und würde es, nun da sie wieder im Schosse ihres Stammes weilte auch nicht mehr tun. Sie hatte seit langen Jahren wieder den festen Griff eines Mannes an ihren Hüften gespürt. Diesem bestimmenden Druck dem sie nur all zu gerne nachgab. Erst ein galatisches Mädchen... nun ein amrhanischer Mann.
Was war nur aus ihr geworden? Seltsam wo ihr Lebensweg sie hingeführt hatte und vorallem wie sehr er sie geprägt hatte. Und nun hatte sie den Stand inne den sie immer begehrte. Sie war Schattenreiterin und sie belog ihren Khan um dies auch zu bleiben. Sie sah die Welt nun mit anderen Augen. Die Steppe war so weit weg und Amrhan lockte mit Komfort und Überfluss. Und das brachte Langeweile mit sich. Serbitar beschäftigte sie, ja. Doch war es hier allzu friedlich und sie war eine Schattenreiterin ohne Aufgabe... ein Kind gäbe ihr eine Aufgabe. Es gäbe ihrem Dasein im Stamm einen Sinn. Kein Kind der Liebe. Ein Kind der Vernunft. Eine Zukunft für die Shurax und eine ewige Verbindung mit dem Mann an ihrer Seite. Und da fiel ihr Blick auf genau diesen. Eben noch waren ihre Körper schwitzend mit einander verbunden gewesen. Und so wie sein Körper sie an ihn band - wie eine Droge von der sie am liebsten jeden Tag kosten würde - so schlich er sich langsam aber sicher in ihr Herz. Er würde ihr Gefährte sein. Diese Entwicklung zu verleugnen wäre töricht. Wie lange das Band hielte war jedoch eine andere Frage....
Und so starrte sie nach Norden. Seit Stunden schon war nichts geschehen. Nur mal ein Rascheln. Schnell als Wildschwein identifiziert. Immerhin hatte sie nun etwas zu essen. Das Feuer loderte immernoch spärlich und die Luft war schwer von Geruch bratenden Fleisches. Nach dem kleinen Überfall des Rockträgers war es ruhig geblieben und so erlaubte sie es sich ab und zu zur Grenzfeste zu reiten. Immer mal wieder hielt sie dort Ausschau. Hoffte auf das eine bekannte Gesicht. Nach dem was Saresh ihr erzählt hatte und den Gerüchten zufolge war es nun vorbei. In einer nebensächlichen Geste strich sie sich über den Bauch. Ein servanoer Baron... wenn er denn wirklich einer werden würde, war sein Ansehen wichtig. Es zählte jede kleinigkeit und das verstand sie und würde sich zurück halten. Und doch wurde ihr Blick immer wieder in diese Richtung gelenkt..
Man kann sich ganz einfach ziemlich fehl am Platze fühlen. Dafür brauchte es nicht viel. Ein Haufen Amrhaner, eine Priesterin des Mithras und ihr komisches Rumgerutsche auf den Knien, das sie Abendgebet nannten. Morrigùs kalte Klinge sollte sie treffen, würde sie jemals so kriecherisch vor den Göttinnen kauern. Es war armselig, wie sie alle ihren sonst so wichtigen Stolz wegwarfen und sich benahmen wie niederste Sklaven. Und wofür? Um immer und immer wieder die selben Litaneien zu laiern? Wäre sie Mithras gewesen und müsste sich das Jahrhunderte anhören... die Menschen hätte schon lange der Schlag getroffen. Aber ihr sollte es gleich sein. Sollten sie auf dem Boden herum rutschen. Es war gar lustig anzusehen. Nur bei Serbitar war es ihr ein Dorn im Auge. Nicht das sein Glaube sie störte. Das war ein anderes Thema. Er war nun Wolf unter den Schafen. Er führte sie an, stand weit über ihnen. War Edel wo sie unedel waren. Und dann warf er sich in den Schmutz. Hinab auf ihre Ebene, wo er viele blumige Worte finden musste, um Untergebene los zu werden. Und warum? Um ihre Gefühle nicht zu verletzten! Sie verstand es einfach nicht. Sie würde es niemals verstehen. Sie gehörte dort nicht hin. Und sie wäre auch nicht dort, wenn es nicht der Befehl ihres Khans gewesen wäre. Gebeugt ritt sie im Trab durch Südwald, während diese Gedanken durch ihren Kopf flossen wie ein unendlicher Strom der Geringschätzung.

Sie wünschte sich zurück auf ein Schiff. Sie wünschte sich die starken Böhen, die sprühende Gicht und das ewige Schaukeln zurück. Sie wünschte sich die Aufregung eines Angriffs und den Respekt der Mannschaft. Hier war sie nur die Wilde. Dank der verfluchten Bogenschützen und dicken Eisenpanzern, nicht einmal in der Lage zu zeigen was sie konnte. Alles versteckte sich hinter dickem Metall, nicht bereit einen ehrlichen Kampf zu führen.
Der trottende Gang ihres Hengstes wirkte einschläfernd. Sie hatte seit Tage eine Lethargie erfasst, die sie einfach nicht abschütteln konnte. Ob es nun an dem Kind in ihrem Leib lag oder an dem ständigen Nichtstun, konnte sie nicht ausmachen. Und doch wirkte alles so unendlich viel langsamer als sonst. Jegliche Aussicht auf Aufregung war ernüchternd. Jedes hitzig gesprochene Wort wurde zu bitterer Asche in ihrem Mund. Alles hatte seinen Reiz verloren. Jedes Ding etwas von seiner Farbe eingebüßt. Was war nur los mit ihr? Oder lag es nicht an ihr? War es vielleicht die Welt um sie herum, die sich veränderte? Vielleicht lag es an den Amrhanern die aus den trivialsten Dingen ein Aufhebens machten, als würde die Welt plötzlich umkippen? Ja sie liebten ihre Zeremonien und großen Feiern auf denen niemand feierte. Ihre Papierstapel und Vorschriften.

Dhena fühlte sich genau dazwischen gefangen.

Sie erinnerte sich an die Steppentiger in Chucai. Wie diese stolzen, wilden Tiere, so wunderschön und majestätisch anzusehen, in kleine Käfige gesperrt wurden - kaum genug Platz um aufrecht zu stehen. Wie sie gebrochen wurden um hübsche Kunststücke für ihre neuen Besitzer vor zu führen. Wie ihnen ihr Stolz, ihre Freiheit und ihre Schönheit genommen wurde. Die einzige Freiheit die die Jurin noch verspürte war die auf dem Rücken ihres Pferdes. Der einzige Rückzugsort, an dem sie ihren Kopf heben konnte und das sein konnte was sie nun einmal war. Ein wildes Tier dem Instinkt und Ehrlichkeit das wichtigste war. Würde sie dieses Gefühl ihrem Kind weitergeben können? Es würde Amrhaner sein. Ein Mischblut. Nichts Halbes und nichts Ganzes. Hatte sie es von vorn herein verdammt oder würde etwas Größeres daraus erwachsen? Sie wusste um die Stärken des Vaters. Inzwischen würde sie gar sagen es sei ein Kind der Liebe, nicht mehr nur eines der Pflicht. Doch war das genug? Für diese Welt hier wäre es am Ende doch nur ein Bastard gezeugt mit einer jurischen Hure. Und noch dazu mit einer Entstellten. Sie wusste ganz genau was hinter ihrem Rücken für Worte herum zogen. Früher oder später würde sie den Weg für die Heilerin frei machen müssen. Ihr Kind nehmen und sich um den Stamm kümmern. Sie hatte die Blicke gesehen, die zwischen Eirene und Serbitar ausgetauscht wurden. Wieder etwas bei dem sie unterschätzt wurde. Doch sie war nicht dumm. Sie sah vermutlich klarer als alle Amrhaner zusammen. Und sie sah, dass sie im Moment noch im Weg stand. Mit voller Absicht. Bis sie das Kind hatte, das sie begehrte, würde sie dort stehen bleiben, die Gesellschaft ihres Barons Schildkröte geniessen. Erst wenn sie bekam was sie wollte, würde sie ihr Herz ignorieren können, den Schmerz hinunterschlucken und gehen.
Es war noch ein langer Weg. Er fühlte sich endlos an und ihr stiegen beinahe die Tränen in die Augen, als sie an die Anstrengungen dachte, die noch auf sie warten würden.

Auch ein Schattenreiter hat Angst. Angst ist es die ihn am Leben hält. Doch irgendwann ist der Reiter, allein mit sich selbst, auch mal nur Mensch und die Angst überschwemmt sein Herz bis es weint.
Sie hätte sich gern noch verabschiedet. Der Gedanke kam ihr als sie hinter der Barrikade lag, zu Askir robbte und seinen bewusstlosen Körper begutachtete. Der Pfeil steckte in ihrem Leib. Hatte ihren Sohn durchbohrt. Serbitars Sohn... sie spürte wie das Blut aus ihr floss und sie den Preis an Morrigú zahlen musste. Es war gut wie es war. Und alles würde gut werden. Das dachte sie zumindest bis diese Bastarde kamen uns sie alle einfach über die Wehr warfen. Dann kam der Schmerz der ihr den Verstand zerriss und sie versank in Argonie. Sie bekam noch mit wie der Ritter - welcher von denen war es? - sie nach hinten schliff und ablegte. Und dann lag sie dort und wartete auf den Tod. Inzwischen war ihr klar dass er kommen würde. Sie wurde immer schwächer und ihr fielen immer wieder die Augen zu.
Sie hatte ihn noch einmal gesehen. Hatte seine Schläge gespürt doch... sprechen kostete so viel Kraft und sie war so furchtbar müde. Sie wollte ihm sagen wie sehr es ihr leid tat.
Dass er niemals sein Kind in den Armen halten würde.
Dass sie ihm nicht die Frau sein konnte, die seiner Person entsprach.
Dass sie niemals ehrlich sagen konnte, wie sehr sie ihn liebte und wie stolz sie auf ihn war.
Dass wohl kein jurischer Mann ihr Herz derart erreichen könnte, wie er es tat....
Er war das letzte was sie sah, bevor der Blutverlust seinen Tribut forderte. Und dann war sie bei ihrem Stamm, bei den Lebenden wie bei den Toten. Ihre Söhne waren da, Rakhal war da... ihre Schwestern. Und ihr Khan... Saresh.. nein. Nicht ihr Kahn. Ihr Freund... ihr Bruder. Er war so jung... hatte moch so viel vor sich. Er durfte nicht in den Krieg ziehen. Das wollte sie ihm noch sagen... und vieles anderes noch dazu. Er musste doch auf Vish acht geben. Sie konnte es nun nicht mehr. Und dann... dann war sie fort und es wurde dunkel.