Arx Obscura

Normale Version: Letzte Worte
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Es ist seltsam wie viele Dinge einem klar werden wenn ein Leben zu Ende geht. Man merkt wie man wirklich fühlt, malt sich Bilder was alles hätte sein können und denkt darüber nach was man alles hätte sagen sollen. Die kleinen Dinge sind es dann die man doch am meisten vermisst. Das Kauen von Keksen, das Plätschern von Wasser wenn man morgens aufwacht, oder schlicht das Quietschen der Truhen aus dem Nebenraum.

Nun saß die junge Frau in ihrem Haus das einsamer nicht sein konnte. Nur das Knistern des Kachelofens in der Küche, unterbrochen von den metallischen Klopfen dass der Dolch von sich gab den sie auf dem Tisch zwischen ihren Fingern drehte. Die letzten Tagen waren alle verschwommen und surreal. Der Grund dafür stand noch auf dem Tisch. Die Flasche Kornbrand war zur Hälfte geleert, doch kann auch der Alkohol die Gedanken nicht dauerhaft wegsperren.

" Pass.. auf, ja?", waren die letzten Worte die sie von Ayween gehört hatte. "Keiner belagert mein Haus!" die schlichte Antwort darauf. In ihrer Naivität und Arroganz hatte Kalirana gedacht unantastbar zu sein. Sie würde zum Haus gehen, die Wölfe vertreiben und alles würde wieder gut werden. Sie hatten gesagt dass sie sie finden werden, doch hatte sie Einars Worten nicht geglaubt und sie nicht mal wirklich wahrgenommen. Doch sie hatten sie gefunden. Das nächste Mal als sie Ayween sah war kein Leben mehr in den Augen und das Gesicht bleicher als es ohnehin immer war. Sie würde den Augenblick niemals vergessen als Dalbir rief: "Dein Problem hat sich erledigt!"

Es war auch schwer den Moment der grausamen Realisierung zu verdrängen. Sie war antastbar. Diesmal würde nicht alles gut werden. Sie hatte Ayween unwissentlich belogen als sie ihr sagte dass es immer irgendwie weitergeht. Erst wenn die Leute sterben merkt man was man für sie empfindet, vor allem wenn man es zuvor selbst nicht geahnt hat.

Die Grauwölfe hatten ihr gezeigt dass es so schnell enden kann wie es beginnt. Eine Lüge und ein Strick, ist alles was was es brauchte.

*Zack!* Der Dolch wurde erhoben und die Spitze in das Holz des Tisches getrieben. Die Wucht des Schlages lies die Teller scheppernd die Ayween noch einige Tage zuvor aufgestellt hatte, als noch alles gut war, ihre größte Sorge das sie eine Frau nicht lieben könnte. Die Flasche verteilte umgekippt seinen Inhalt über das Holz und färbte es dunkel.

Ruhig betrachte sie den Dolch und das Spiegelbild auf der polierten Klinge. Die Augen rot und verweint, die Haare unordentlich und zerzaust. Sie konnte nur eine Sache tun um ihrer Seele Frieden zu schenken. Sie würde mächtiger werden, so wie es die Stimme dereinst gesagt hat. Sie würde kämpfen lernen, bis sie bereit war. Die Liste der Namen war kurz, doch die Vergeltung wird kommen. Dann wenn die Leute wahrscheinlich nicht mal mehr wissen dass sie das kleine verrückte Mädchen gehängt haben. Das Mädchen das Jeder außer ihr abgeschrieben hatte. Niemand würde ihr jemals wieder etwas nehmen dass ihr gehörte. Etwas dass sie mehr liebte als sie sich selbst zugestanden hatte...
Da lag sie also nun, aufgebahrt und still. Es war seltsam sie sie ruhig zu sehen, ohne eine nervöse Regung oder Worte die aus ihrem Mund fallen. Es hatte Kalirana Minuten gekostet über die Schwelle in den Raum zu treten, musste sie sich doch erst überwinden der Realität die langsam wieder verblasst war ins Auge zu sehen. Doch schien es gut zu sein, denn es floss nur die ein oder andere Träne als sie sich einfach neben den Sarg setzte und begann mit der Toden zu sprechen. Sollte man zuhören kann man durchaus den ein oder anderen Wortfetzen mithören.

"Irgendwie trauern mehr Leute um dich als du geglaubt hast. Hattest doch wohl mehr Freunde als du dachtest. Nara ist oft bei mir, weiß nicht warum, ich glaub die ist so ein bisschen wie du... also das mit dem auf Frauen stehen. Sie hat gesagt du wirst auf jeden Fall anständig begraben werden und sogar eine Zeremonie bekommst du. Eine von einem Druiden weil die Kirche doof ist. Die haben gesagt sie können dich nicht nach ihren Riten bestatten lassen weil du nicht indoktriniert warst oder so.

Schon komisch dass es für solche Riten erstmal einen Bürgen und was weiß ich was alles braucht. Shareen war da ganz betrübt, aber mich hats gefreut. Vater hat damals gesagt: 'Mithras ist neumodischer Quatsch vor dem nur Städter rumrutschen, und die sind alle Idioten.' War irgendwie seine einzig sinnvolle Aussage die er emals gesagt hat.

Ich weiß noch gar nicht wen ich zu deiner Trauerfeier einladen soll. Njal auch? Ich meine irgendwie wirkte der nett und niedergeschlagen als du verbannt wurdest. Der hatte dich wohl doch lieber als ers zeigen konnte.

Shareen ist übrigens traurig, aber ich bin immer noch wütend auf sie. Wär sie nicht zur Kirche gelaufen wärst du nie verbannt worden und dann wär das alles nicht passiert. Aber ich will keinen Streit lostreten, nicht jetzt, irgendwann mal vielleicht. Ihr Mann soll den Grabstein machen, Nara hat gemeint das die Baronin Elfie den vielleicht sogar machen soll. Könntest du dir das vorstellen? Ne Edle die deinen Gedenkstein macht?

Wir haben dir übrigens ein tolles Grab ausgesucht. Ich weiß nicht ob du die Farells mochtest aber das sind Mondwächter, die liegen neben dir, und vor dir liegt dann ein Veltenbruch und du mitten drinnen! Wir wollten dass du es schön hast und nicht alleine bist und auf deinem Grab wachsen sogar rote Blumen, weil du rot ja mochtest.

Ich hoffe du bist mir nicht böse wenn ich zuhause einiges umgeräumt habe. Hat mich einfach zu sehr an alles erinnert und ich muss weiterleben, hab da noch 3 Pläne die ich ausführen muss. Aber ich hab nicht alles umgeräumt. Das Schlafzimmer ist noch wies war und der Tisch auch. Deine Werktstatt wird vielleicht ein Gästezimmer oder so, aber mal sehen.

Shin hat gemeint ich könnte beim ihm hinter der Theke arbeiten, also nicht als Hure sondern nur als Wirtin und Nara hat mich zur Hohenqueller Wache gebracht. Da lern ich jetzt kämpfen! Ich muss nur aufpassen dass ich nie mit so einem Juren alleine bin, letztens erst konnte ich nur knapp entkommen als mich eine an ihre Pferde verfüttern wollte.

Die Baronin ist nett, macht lecker Kekse, die hätten dir gefallen. Sie ist auch nicht so arrogant wie die anderen Edlen, hat direkt böse geguckt als ich mich verbeugt hab.

Alles in allem, es geht weiter, aber du fehlst mir. Ich konnte dir nie sagen wie sehr ich dich geliebt habe. Ich hoffe zumindest das wusstest du am Ende auch wenn ich nicht da sein konnte als es passiert ist. Tut mir leid..."


Gegen Ende hin werden die Tränen wohl etwas mehr. Sie sitzt dann noch eine gute Stunde schweigend neben dem Sarg, fast als hoffe sie auf eine Antwort, ehe sie der Toten über die Wange streicht und sich erhebt.

Der Tod ist ein grausamer Begleiter. Er nimmt uns meist jene Menschen die es am wenigsten verdienen und reißt sie aus unserem Leben. Doch vielleicht sind gerade diese Menschen – die Guten – die die den Tod wirklich verdienen? Vielleicht ist der Tod jener erstrebenswerte Zustand dem wir langsam entgegen siechen, wie ein geschlagenes Weib dass sich an seinem betrunkenen Ehemann festhält weil sie es nicht besser weiß. Die Mondwächter feiern das Leben derer die gestorben sind, die Diener des Mithras finden Ruhe in der Gewissheit, dass ein guter Mensch im Elysium ewiges Glück finden wird. Haben sie recht? Ist der Tod eigentlich erstrebenswert?

Es ist interessant wie sehr man merkt, dass einem die Menschen fehlen, wenn sie nicht mehr um einen herum sind. Viele Kleinigkeiten die einen vielleicht sogar genervt haben werden auf einmal so essenziell, dass man sich ein Leben ohne sie gar nicht mehr vorstellen kann.

„Blümchen“ hatte sie mich immer genannt, die kräftige Kriegerin. Es ist wenig dass ich an ihr beneidet habe, doch wenn es etwas gibt dann war es ihre Stärke. Nicht die körperliche, sondern die geistige. Jene Stärke die einem ins Kindbett gelegt wird und die man nicht einfach antrainieren kann. Die Kraft in ein fremdes Land zu gehen, jemanden zu finden und für ihn bis zum bitteren Ende zu kämpfen. Oder die Kraft jemanden zu lieben obwohl man weiß, dass die Menschen um einen herum einen wie Vieh betrachten. Ihr war es egal, den sie hatte die Kraft alle Hindernisse beiseite zu schieben.

Und der Hauptmann? Er ist der Grund warum ich an der Stelle stehe an der ich nun stehe. Ich bin mir sicher dass er nicht mal selbst wusste wie wichtig er für mich war. Er gab mir die Kraft und die Stärke die nur ein Vater einem Kind geben kann. Askir glaubte an mich vom ersten Moment an dem wir uns sahen. Es wirkt wie ein Wink des Schicksals, dass ich ihn nur weniger Meter von der Stelle entfernt zum letzten Mal lebend sehen sollte, an der ich ihn das erste Mal traf. Er wollte mir beibringen mit dem Schwert zu kämpfen und jedes Mal wenn ich etwas richtig gemacht habe, war er der Erste der sich bedankte. Ich kenne keinen Mann der treuer zu seinen Brüdern und ehrlicher zu seinen Schwüren stand als Hauptmann Ganter.

Die Zeit des Trauerns wird kommen, wenn die Briganten geschlagen sind. Und wie die Mondwächter es halten, werde ich auf ihr Leben anstoßen und mich all der guten Dinge erinnern. Jene Erinnerungen die mit Leben gefüllt sind. Jene Erinnerungen die düstere Gedanken vertreiben. Jene Erinnerungen die es wert sind erinnert zu werden.