Arx Obscura

Normale Version: Die Hoffnung auf Freiheit
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Bis zum Morgengrauen schaffte Querida es nicht auch nur ein Auge zu zu tun. Sie saß über den Brief, dem viele zerknüllte Vorlagen zu Grunde lagen. Lange grübelte sie ob dieser Brief je seinen Bestimmungsort erreichen würde. Es gab viele Gründe weswegen er nicht in Händen von Lothar Ortega enden könnte.

Da war das Schiff, das am frühen Morgen im Neuen Hafen ablegen würde. Querida hatte vor all ihr Erspartes von fast 13 Schillingen an den Matrosen zu geben, mit dem sie schon einen Tag zuvor gesprochen hatte. Sie würde auch Proviant und ein Fässchen Cervisia spendieren in der Hoffnung, dass er den Brief am Hafen von Silendir einem treuen Boten weiter gibt.
Doch ob dieser Bote den Brief wirklich den Marsch zum Anwesen der Familie Ortega gehen wird? Vielleicht behält er die Münzen, die der Matrose ihm gibt und wirft den Brief weg. Vielleicht wird auch der Matrose schon den Brief wegwerfen, wobei er keineswegs so gewirkt hat als würde er nur ein münzengierender Heuchler sein.

Und wenn der Brief dann beim Anwesen der Familie Ortega ist, war da immernoch Lothars Frau Mutter. Wenn sie erfahren sollte, dass der Brief von Querida ist, würde sie ihn mit Sicherheit verbrennen lassen und Lothar würde nie erfahren, dass Querida ihm geschrieben hat. Sie war der Frau immer schon ein Dorn im Auge gewesen.

Selbst wenn der Brief dann in Lothars Händen enden würde, konnte sie nicht mit Sicherheit sagen, ob er bei all der Vorbereitung noch die Zeit haben würde sich mit ihr zu befassen.

Querida schüttelte den Kopf. Das war nicht der Grund weswegen sie sich Sorgen machte. Sie hatte ihm ihre Liebe offen gestanden und ihn gleichzeitig auf die schlimmste Art und Weise verletzt, die man einem Liebenden nur antun kann. Sie zeigte ihm all seine Schwächen auf. Jeder kleinste Tick, den er besaß und den sie nicht nur akzeptierte, sondern lieben lernte. Sie wollte von ihm eine Rebellion, obwohl sie wusste, dass es diese nicht geben würde. Lothar war ein Mann, dem seine Familienbande und -ehre zu wichtig war. Er war stolz, so wie Querida selbst. Wie konnte sie ihm das übel nehmen?

Am frühen Morgen brachte Querida den Brief zum Schiff und dem Seemann. Sie übergab das Essen, die Schillinge und das Fässchen mit Cervisia an diesen und hoffte, dass die Götter ihr helfen würden. Dafür würde sie Opfer bringen.

*
Löwenstein, am 28. Heuert 1401
An den geschätzten Gelehrten Lothar Ortega im Anwesen der Familie Ortega
*
Mein liebster Lothar,

es wird Dich überraschen, dass ich Dir schreibe. Tatsächlich habe ich lange überlegt ob ich mich diesen Schritt zu gehen wage. Ich schreibe Dir nicht mich für all die schwer lastenden Worte dieses einen, verhängnisvollen Abends zu entschuldigen. Mein Herz ist voller Gram und es hat auch nicht vergessen. Doch die letzten Wochen auf den Feldern und meine Hände, die sich nie davon erholen werden welchen Tribut das Leben von mir erwartet, haben mich nachdenklich werden lassen.

Ich verzeihe Dir, dass Du Dein Wort nicht gehalten hast. Ich verzeihe Dir, dass Du Deine Familie und Dein Blut über Deine Liebe stelltest. Ich verzeihe Dir, dass Du die Tochter des Hauses Alumes heiraten wirst und wünsche Dir ein Leben, das Dir Glück bescheren wird. Ich verzeihe Dir, dass wir nun nie den kleinen ehrbaren Lothar, noch die hübsche Querida aufziehen werden.

Ich vergebe Dir, Lothar Ortega.


Am gestrigen Abend habe ich erfahren, dass der Mann, der meinen Vertrag bei der Auktion gekauft haben soll, das Geld noch nicht an Dich weiter schickte. Wodurch der Handel nicht rechtskräftig ist. Dem Vertrag nach bin ich demnach noch immer Deine Leibeigene.

Ich wage zu hoffen, dass Du Dich noch an Dein Wort, Dich ebenso an die vielen Stunden meiner Anwesenheit und Nähe, meiner Loyalität und Aufopferung erinnern kannst.

Mehr als alles andere wünsche ich mir eine Zukunft, die nicht im Zwang der Vergangenheit liegt.

Wenn Du mir schon keine Zukunft mit Dir geben kannst, so erfülle mir den Wunsch eine Zukunft ohne Vertrag zu haben.

Ich erwarte Deine Antwort.
Deine Dich ewig liebende
[Bild: queridaanderecq6v32nkdi.png]
*
*

OOC
10 Fleisch, 5 Brote, Fass mit Cervisia und 12 Schillinge und 76 Heller landen im Mülleimer.
Viele Tage gehen ins Land. Die Sonne sinkt, die Sonne steigt und es dauert noch viele Tage, ehe das Schreiben letztlich doch noch sein Ziel erreicht. Der Brief wandert dabei durch viele Hände, ehe er zu später Stunde schließlich in die langen, feingliedrigen Finger seines Empfängers fällt und geöffnet wird. Nur Stunden später macht sich ein Eilbote auf den Weg, um eine Antwort zu übermitteln. Der Bote hat die Anweisung, das Schreiben persönlich zuzustellen ... Der Empfängerin dürfte direkt auffallen, dass der Umschlag für einen einfachen Brief ungewöhnlich dick und schwer ist. Öffnet sie ihn, so findet sie neben dem hier aufgeführten Schreiben ein offiziell wirkendes Dokument: Eine Absichtserklärung zur Auflösung des Leibeigenenvertrages der Leibeigenen Querida. Der ebenfalls darin liegende Anhänger, ein in kupfer gehämmerter Vogel mit flammenden Schwingen, ein Phönix, offenbar, mag da kaum mehr ins Gewicht fallen. Was der Schreiber sich dabei wohl gedacht hatte?

Guldenach, am 4. Ernting 1401
An Querida
Mögen deine Götter dich schützen! Möge der meine mir gestatten, dein Lachen noch einmal zu hören, dein Lächeln noch einmal zu sehen!

Liebste Querida,

Obschon der Anlass deines Briefes augenscheinlich ist, obschon ich mir deine Hinwendung aus freien Stücken und nicht aus der Hoffnung auf Freiheit heraus gewünscht hätte, haben mich deine Zeilen zu erfreuen vermocht. Deinen Worten ist eine gewisse Wahrheit nicht abzusprechen, ist das Geld doch bis zum heutigen Tage tatsächlich noch nicht eingetroffen. Von der geforderten, unmittelbaren Bezahlung nach Auktion kann folglich keine Rede sein und ich bin tatsächlich geneigt, die Besitzübergabe für null und nichtig zu erklären.

Die Umstände, die zu meiner Abreise geführt haben, kann ich aus dem Jetzt heraus betrachtet nur als unglücklich und bedauernswert erkennen und in mancher Stunde bereue ich, dich zurückgelassen zu haben. Was aber, Querida, blieb mir - vor eine unmögliche Wahl gestellt - denn übrig, als meine Pflicht zu tun? So unwichtig meine Position in der Familie gewesen ist, so unwahrscheinlich deren Wendung gewesen ist, so sehr hat sich das alles verkehrt und ich stelle mir hier und jetzt nur noch die Frage: Warum ich? Warum gerade ich? Das Glück, dass du mir wünschst, ist dahin. Meine Ausbildung, die ich bereits seit so vielen Jahren angestrebt habe, ist dahin. Meine Liebe ist dahin. Die Menschen, die heute zu mir stehen, sind die, die sich ein Leben lang am wenigsten um mich geschert haben. Wohin soll das führen, Querida?

Die Heiratsvorbereitungen sind in vollem Gange und ich kann derzeit kaum einen ruhigen Atemzug tun, ohne das man mich mit Fragen belästigt. Ich schlafe schlecht. Den Brief schreibe ich bei gedämpftem Licht in meiner Schreibstube und bete zu Mithras, dass die Strahlen das Auge der Dienerschaft und der Eltern nicht erreichen, denn allein der schmutzige, salzige Umschlag hat schon genügt, um ihr Interesse zu wecken. Man liegt auf der Lauer, freilich nur, um sein Liebstes - die Familienehre - zu schützen. Ich gehöre zu einer Generation von jungen Männern, die wie Zuchtvieh herangezogen wurden, um der Selbstverwirklichung ihrer Eltern, nicht der eigenen zu dienen. Mit diesem Makel bin ich geboren, mit diesem Makel werde ich sterben und wie könnte ich deine Lage da nicht verstehen?

Ich gerate ins Plaudern und das ist dem Sachverhalt nicht angemessen. In Kürze: Ich entsinne mich deiner Dienste sehr gut, deiner Nähe und Loyalität umso mehr und deinen Wunsch kann ich, gerade ich, sehr gut nachvollziehen. Es dauert mich, ihn so vollziehen zu müssen, denn es war stets mein Wunsch, dich eines Tages in die Freiheit zu entlassen, auf das wir selbstbestimmt miteinander Leben könnten. Ein kluger Mensch hat einmal gesagt: Wenn du etwas liebst, dann lass es los. Wenn es zu dir zurückkommt, gehört es dir. Wenn es nicht zurückkommt, hat es dir nie gehört. Allein diesen Schritt zu gehen, dafür bin ich zu feige gewesen.

Ich gebe dich frei, Querida, auch wenn ich an eine Rückkehr nicht einmal zu denken wage.

Mit diesem Schreiben sende ich dir ein Auflösungsschreiben. Der Stadtrat zu Löwenstein erhält zudem eine formelle Information, dass ich die Auktion mangels Geldeingang für nichtig erkläre. Meine Liegenschaften in Löwenstein, so sie denn noch existieren, sollen dein sein. Versprich mir nur bitte, mich darin aufzunehmen, sollte ich die Stadt einmal besuchen. Vielleicht kommt doch noch der Tag, an dem ich mein Studium beenden darf. Hermetiker sind angesehene Leute.

Ich hege kaum einen Zweifel daran, dass diese Zeilen dich erreichen werden. Ich sende sie mit einem Eilboten an einen Geschäftsfreund, der den Umschlag direkt an dich weiterleiten wird. Mögen deine Götter dir beistehen. Möge der meine mir gnädig sein.


Mit meinen besten Wünschen und in warmen Gedanken an dich,
[Bild: lotharoavwb19zi2.png]