Arx Obscura

Normale Version: Der Tod des Silberberg
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Es ist schon spät in der Nacht. Und die Nacht ist kalt. Dennoch bewegt sich die magere Frau ohne schützenden Umhang oder Mantel durch die Stadttore Löwensteins. Ihre Schritte sind fahrig und es scheint, als treibe sie mit schier unbändiger Gewalt eine große Rastlosigkeit auf einem lethargischen Pfad voran. Auch Rins Mienenspiel kennt nur diese eine Szene noch: Trostlosigkeit.

***

Es trifft stets die Falschen. So war es schon immer.

Der arme Hund. Er hatte lange Zeit gelangweilt und unbeachtet im Anwesen der edlen Herrschaften vegetiert. Sein Herrchen war längst verschwunden und ließ sich nicht blicken und der zurückgebliebene Hauswächter hatte alles im Kopf, nur nicht, sich um das Tier zu sorgen.
Ihm wurde die Langeweile genommen - dann wurde er vergiftet. Er wurde geheilt und gepflegt, bis er wieder bei Kräften war. Ein stolzer Hund, ein braves Tier, das fortan treu und pflichtbewusst seine neuen Herrchen begleitete.

Doch Löwenstein ist ein gefährlicher Ort. Dort wo Männer und Frauen aller Schichten in ständiger Gefahr leben - wie sollte ein so kleines Wesen sich da in Sicherheit wiegen können?

Nun ist das Tier tot. Es erlag den kränkenden Bissen seuchentragender Nagetiere.


***

Es dauerte eine ganze Weile. Die Erde war kühl und hart. Der lange Winter tat sein übriges. Unbarmherzig. Und Rin fehlte die Energie, der Elan nach den letzten beschwerlichen und entbehrungsreichen Tagen, mehr Kraft in das Werk zu setzen.
Doch schließlich war ein kleines Grab mit bloßen Händen ausgehoben.

Und während ein einsamer Wanderer sich wunderte und Anteil nahm am Schicksal des Tieres und seiner Herrin, bestattete sie das graue Fellbündel unter der Erde und errichtete ihm eine Grabstätte, die seiner Abstammung nicht würdig, doch einem guten Freund angemessen erschien.

Hier war er gerne. Der große Felsen war ein guter Ort für einen Hund. Es gab viel zu sehen, viel zu riechen. Und die Erde, die war auch voller Getier zum Jagen.

Als Rin schließlich die Ruhestätte verließ, beschien nur noch der Mond das kleine Grab.
Ein diletantisches Gesteck aus dünnen Zweigen - die Form eines Sonnenkreises - aufgebahrt auf der flachen Erhebung der frisch umgegrabenen Erde. Und mitten darin gesteckt das edle Halsband aus rotem Hirschleder mit dem fein gearbeiteten Holzanhänger, auf dem die Gravur zu lesen war: "Silberberg".

[Bild: 4moohk89.jpg]

Leb' Wohl, Silberberg.