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Normale Version: Dem Fisch den Kampf angesagt.
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Seit Tagen war Nestra dabei ihr Reich der Mode einzurichten. Sie schrubbte die Böden, legte hübsche Teppiche aus, entschied für die passende Position von Tischen und allerlei Schneidertand, war gerade schon dabei die ersten Kleidermuster in das Haus zu bringen, da sah sie den Übeltäter mit dem Fischeimer. Sorglos brachte Adrian die Fische in die sauber geschrubbten Fässer, in denen sie die teuren und feinen Stoffe für die hübschen Kleider lagern wollte. Den Fischgeruch hatte sie zuvor schon Tage lang mit offenen Fenstern und abgebrannten Kräutermischungen aus dem Gebäude heraus räuchern wollen, was ihr zumindest teilweise auch gelang. Aber nun sollte noch mehr widerlicher Fisch ihre Pläne durchkreuzen!

Nestra war den Tränen nahe. Hilflos beobachtete sie wie Adrian die Fässer mit Fisch füllte, ohne, dass sie hätte irgendetwas tun können. Die Legitimation war eine ziemlich aussagekräftige: Godwin.

Schnell rettete sie die Kleider, bevor man den Fisch hätte einfach über diese in die Fässer hinein fallen lassen und rannte weinend zurück in die Gantergasse. Was sollte sie tun? Sich ihrem Gemahl widersetzen? Wegen eines Traumes? Sie weinte schrecklich. Was sollte sie tun?

Kaum waren die Tränen getrocknet, geschüttelt von der Ungerechtigkeit dieser Welt, entschied sich Nestra für einen Weg, der ihr sicherlich noch Konsequenzen einbringen musste. Der Fisch musste weg.

Sie wartete, bis Adrian fort war, dann ging sie zurück in ihre Schneiderei, packte die Fische in viele Jutesäcke zusammen und brachte sie an einen geheimen Ort... nach kurzer Zeit stank nun das Lager im Keller der Gantergasse. Überall dort fand man Jutesäcke mit Fisch.

Nestra war dafür nun wieder dabei mit schrubbenden Bewegungen die Fässer zu reinigen, den neuen Fischgestank durch Fensteröffnen und Kräuterverbrennen erneut los zu werden.

Ob sie dafür Konsequenzen zu erwarten hatte? Bestimmt.
Früh am Morgen, die Sonne ging gerade erst auf, schlurfte Adrian wieder in Löwenstein herum. Er kam vom Fluss zurück, bei der Geschwindigkeit musste er dort zweifellos des Nachts aufgebrochen sein.
Bis er schließlich den Weg zur Villa hinter sich hatte war die Sonne schon ein gutes Stück weitergewandert. Er zog die Türen auf und sah sich um, es schien verändert, doch er war sich zunächst nicht ganz sicher wo der Unterschied lag...
Minuten vergingen, das Augenpaar sondierte jeden Millimeter genauestens während der Rest des Körpers wie ein unbeweglicher Felsen die Tür blockierte.

Ah, da war der Unterschied! Es lagen einige Kräuterreste auf dem Boden!

Ordentlich wie er nunmal war, trottete er behäbig drauf zu. Vor ihnen kam der Körper wieder zum Stehen. Was nun also damit tun war die Frage der Stunde. Adrian entschied sich, sie aufzuheben und auf den Tisch zu legen. Allerdings sah eine Entscheidungsfindung beim Leibarzt Godwins ein wenig anders aus als bei den meisten Menschen. Sorgfältig wurden einzelne Faktoren berücksichtigt, der Untergrund, die Uhrzeit, das eigene Hungergefühl und unzählige weitere. Entscheidungen, ja die traf Adrian stets mit Bedacht!

Als die Reste auf dem Tisch lagen verharrte der Kerl einmal mehr. Voller Stolz betrachtete er die Leistung. Wirklich gut hatte er das gemacht, da könnte sich jeder noch etwas von abschneiden. Die anderen Mitglieder der Familie vor allem. Neben Godwin gab es eigentlich niemand dort, dem er eine vergleichbar gute Leistung (das akurate Aufheben der Reste) zugetraut hätte...
So sinnierte Adrian noch eine Weile, ehe er schließlich damit begann den Fang des Tages auszupacken.
Der alte Fisch war weg, sicher hatte sein Herr ihn abholen lasse. So wars recht, dann konnte er direkt neuen holen. Dieses mal hatte er nur eine Hand voll Krebse ergattert ehe ihm die Köder ausgingen. Aber jetzt wo hier wieder Platz war... er musste neue kaufen, dringend!
Tja und wenn bei Adrian dem Ardennen etwas dringend war, dann war er nicht davon abzuhalten. Mit einer Agilität die sonst nur Greisen innewohnt bahnte er sich den Weg hin zum Köderhändler des Vertrauens. Sicher würde es noch eine Weile dauern, bis er diesen erreichen würde, aber einmal ins Rollen gekommen war er schwer bis gar nicht zu bremsen.

Verräterisch hinterließ er direkt hinter der Tür eine einzelne kleine tote Flusskrabbe. Ob nun absichtlich oder ausversehen, das dürfte wohl ein Rätsel für die Götter selbst sein.
Unheilverkündend lag sie nun jedenfalls da, ein düsteres Omen was vor nahender Gefahr für saubere nicht duftende Stoffe warnte.
Tränenschwer kniete Nestra in der Mitte eines hübsch geknüpften Teppichs und weinte mit der Theatralik, die der hilflosen Damenwelt vorbehalten ist. Der schreckliche Gestank von Fischen und Seegetier war so penetrant, dass ihr davon zunehmend übel wurde. Womit hatte sie nur solch ein Monster von einem Ehegatten verdient? So einen schrecklichen Menschen, der ihr keine Freude gönnte und ihre Träume mit salzigen Fischschuppen berieselte. Sie war doch stets die Dame, von der er erwartete, dass sie war. Sie hatte sich nie gegen ihn gestellt, sich nie auch nur entfernt erlaubt gegen ihn zu rebellieren. Und nun verhöhnten sie dutzende Fischaugen. Sie waren überall. Fische kuschelten in Fellen, waren über Leder geworfen worden und an einigen klebten die hübschen Federn, die sie zuvor noch ordentlich gewaschen hatte um den Gänsegestank von ihnen zu tilgen. Selbst auf ihrer hübschen Kleidung, die sie für die ersten Modelle fertig genäht hatte, lagen nun kleine Krebse.

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„Womit nur, bei Mithras, womit habe ich das verdient?!“ Sie hatte so viel Hoffnung in die Eröffnung gelegt und nun war alles vorbei, der Traum wie eine Seifenblase geplatzt.

Erst als sie keine Tränen mehr hatte dem nachzuweinen und aufhörte zu zittern, verließ sie die kleine Schneiderei und nahm sich vor nie wieder zurückzukehren. Nestra würde nicht mehr träumen, würde keine Ideen mehr haben oder sie verwirklichen wollen. Sie war trostlos, hatte keine Hoffnung mehr. Sie war nun eine Gans, so wie ihr Herr Gemahl es wollte.
In Nestras Schlafgemach befindet sich seit heute ein neues Gemälde, ganz in der Nähe ihres Kopfkissens und auf Augenhöhe:

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Ebenso befindet sich ein weiteres Gemälde in ihrem "Tempel der Mode":

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Das Haus wird dieser Tage beständig von einer penetranten Duftwolke nach - wie könnte es anders sein - Fisch durchweht. Kaum meinen die geplagten Nasen, Erleichterung zu erschnuppern, rollt eine neue Welle heran. Wer immer sich in die Küche traut, wird eine grimmige Gestalt am Herd erblicken, die mit erhitzten Wangen an einem Kessel steht und rührt. Wildes Löffelschwenken wird man sehen, furchteinflößendes Kochlöffelgefuchtel.

Sollte dieser imaginäre Beobachter die Chuzpe haben, dem dürren Geschöpf am Herd die verhängnisvolle Frage zu stellen, wieso sie so auf Fischverarbeitung erpicht sei und der schwere Tisch draußen sich seit Tagen unter ihren Fischsuppen zu beugen habe, so wird es zurückkeifen:

"Herr Godwin sagt, das ist gegen die Keuche! Solange ich hier koch, stirbt da keiner an der Keuche weg. Und jetzt geh mir aus den Augen oder entgräte das!"
Der üble Gestank nach Fisch lag schwer über der Neustadt wie ein Mahnmal dessen, was Godwin Nestra angetan hatte. Alle Fenster standen weit offen. Jeder konnte sehen und riechen wie sie den Fisch verarbeitete und die Gedärme und Schuppen einfach in vollen Eimern in den Hof warf, unzählige Fischköpfe glubschten sie an. Für dieses Ende hatte Nestra ihr schönstes Kleid angezogen, immerhin sollte sie doch hübsch aussehen, wenn sie schon so erbärmlich riechen musste.

Am Ende, irgendwann am Mittag des Tages, war sie fertig und schrie den gesäuberten Fischen ihren Unmut zu: „Ich hasse dich, Godwin Ganter!“

Dann ergriff Nestra das Messer, mit dem sie zuvor die vielen Fische geteilt hatte und...

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...machte ihrem Herrn Gemahl ein leckeres Abendessen mit verschiedenen Köstlichkeiten der Meere. Sie war eine gute Ehegattin.
„Sie hat mir von dem Lehrvertrag erzählt, Nestra. Das sind ja ganz neue Töne. Du schließt heimlich einen Lehrvertrag ab?“
Gaius Gottliebs Worte hallten die ganze Nacht durch Nestras Bewusstsein. Sie wusste, dass ihr Schwager nun alles von ihr fordern konnte, damit er Godwin Ganter nichts erzählte. Und das tat er auch.

„Ich muss dir trotzdem deine Schneiderei wegnehmen, Nestra.“

Nestras kleine Welt, die sie sensibel und fein aufgebaut hatte und in der es keine Gänse und Fische gab, zerbrach in dem Moment. Sie hatte gekämpft und einen Fehler begangen. Der Traum war ausgeträumt. Und wenn Träume zerplatzen, sucht man Schuldige.

Sie war sich nicht sicher, ob sie sich selbst oder doch Kristin Mia Kylli die Schuld an allem geben sollte.

Aber wie konnte sie?

Kristin Mia wusste nicht wie eine Ehe funktionierte und Nestra hoffte und betete Kristin Mia würde es nie erfahren.
Kristin Mia kannte keine dunklen, kalten Keller, in die ungehorsame Mädchen gebracht wurden.
Kristin Mia wusste nicht was einer Ehegattin passierte, die sich gegen ihren Herrn Gemahl auflehnte.
Kristin Mia war naiv und Kristin Mia hatte deswegen Nestra verraten, weil sie nicht verstanden hatte wie wichtig es war ihr Wort zu halten.

Vielleicht musste Kristin Mia das auch nicht lernen. Vielleicht war Carl Gustav ein guter, freundlicher Herr Gemahl, der Kristin Mia auf Händen tragen würde, der sie über alles liebte, wie die Männer in den Büchern, die Nestra so gerne las. Aber sie hatte Kristin Mia vertraut und das Vertrauen kostete Nestra ihre Schneiderei. Doch war es wirklich Kristin Mias Schuld gewesen? Vielleicht wollte Kristin Mia Nestra ja auch dafür bestrafen, dass sie das Treffen der Schneiderzunft vorzeitig verließ. Vielleicht war Kristin Mia nicht naiv, sondern eine böse Gans? Gegen eine Gans konnte ein Gössel nichts ausrichten.

Nestra Ganter saß ein letztes Mal auf den Teppichen, streichelte den kleinen Bassetwelpen und dachte daran, dass es keine Schneiderei mehr geben würde.
Nachdem Gaius Nestra den Brief von Kristin Mia Kylli in die Hand gedrückt hatte, konnte sie den Umstand, dass sie sich nun für ihre Abstinenz rechtfertigen müsste nicht länger ignorieren. Dennoch dauerte es einige Tage bevor sich Nestra überhaupt entschied den Brief zu lesen. Jedes Mal wenn sie auf das hübsche Siegel sah, fand sie plötzlich ganz viele andere Dinge, die noch erledigt werden mussten und sei es nur, dass sie die Farben nach den genaueren Pigmenten ordnete oder Garnknäuel nach der Größe sortierte. Erst als Gaius sie im Keller einsperrte und ihr zu verstehen gab, dass sie erst wieder raus käme, wenn der Brief geschrieben wäre, fand sie die nötige Kreativität.

Nun saß Nestra im romantischen Schein der Kerze und tippte sich mit der Feder über die Lippen. Das fand sie so wichtig für den Brief, dass sie den Brief selbst eine Weile vergaß.


„Es kann doch nicht so schwer sein einen Brief zu verfassen..“ Dachte sich Nestra laut und besah das Hadernblatt, das sie, so ungeziemt nackt zu verhöhnen schien, bis sich Nestra nicht mehr auf der Bank halten konnte und laut rezitierend im Kämmerchen auf und ab ging.

„Liebes Fräulein Kylli..“ Begann sie. „Aber nein! Was ist wenn sie nun schon Frau Jehann heißt und ich wurde nicht zur Hochzeit eingeladen? Sie hat sicher ein wunderschönes Kleid mit Spitze getragen und Gänsen. Nein, keine Gänse für das Fräulein. Aber bestimmt schöne Spitze und Seide. Ein Seidenkleid. Ganz pompös mit Goldstickereien und makellosen Perlen. Oder sie mag es ganz schlicht. Aber wer mag es schon schlicht? Das wäre ganz ganz schrecklich wenn sie uns nicht einladen würde, Rufus.“ Rufus, der kleine Bassetwelpe, schaute aus seinen traurigen Augen hoch und wackelte mit den langen Ohren, da er seinen Namen hörte. Den Rest verstand er zwar nicht, dennoch empfand Nestra seine Anwesenheit als äußerst tröstlich. „Ja, du hast ja recht, Rufus. Mein Herr Gemahl und der Stadtrat Jehann stehen in freundschaftlicher Beziehung zueinander. Bestimmt hätte ich es erfahren.“ Nestra streichelte belohnend über das Hundeköpfchen und schrieb voller Tatendrang den Anfang des Briefes.

Liebes Fräulein Kylli!

Es ist ganz ganz schrecklich aber nach dem Treffen habe ich die Schneiderei verloren weil der

Das nächste Wort war ein Klecks Tinte, denn Nestra wurde bewusst was sie dabei war zu schreiben. „Gaius Gottlieb wird den Brief vorher bestimmt meinem Herrn Gemahl geben, Rufus. Dann hat er meinen Ungehorsam schriftlich. Das wäre ganz ganz schrecklich. Wir müssen das klüger machen, Rufus.“
Das schöne Hadernpapier wurde zerknüllt und ein neues fein zurecht gelegt. Dann sah sich Nestra in der Dunkelheit um und begann erneut zu schreiben.

Liebes Fräulein Kylli!

In der letzten Zeit gab es für mich viele Dinge zu erledigen. Deswegen hoffe ich ihr nehmt es mir nicht zu übel wenn ich mich erst jetzt melde. Mein Herr Gemahl und ich hoffen das ihr und euer Herr Verlobter wohl zufrieden und gesund seid. Wir übermitteln eurem Herrn Verlobten beste und ehrlichste Grüße.

„Was nun, Rufus? Soll ich ihr das mit der Schneiderei im Brief erwähnen? Aber das wäre doch höchst unschicklich, Rufus. Das Fräulein könnte dann meinen sie wäre doch mit Schuld daran und das müssen wir vermeiden.“ Nestra zog den Bassetwelpen sich auf den Schoß und sah in seine triefenden Bassetaugen, die immer wirken wie in Trauer gehüllt. „Ich weiß, dass du auch sehr traurig bist wegen der Schneiderei, Rufus. Aber wichtiger ist, dass wir gesund sind. Ich habe eine Idee wie wir das schreiben, Rufus!“ Nestra strahlte auf, setzte den Welpen auf den Boden, wo er wieder umher trottete und schrieb weiter.

Da sich meine Pflichten im Haus gemehrt haben wird es mir schwer fallen einen passenden Termin zu finden. Ich werde mit meinem Herrn Gemahl darüber sprechen und bin sicher das er sich freut wenn ich in euch eine gute Freundin finde. Mein Herr Gemahl hat dann auch sicher nichts dagegen wenn wir uns treffen und über Dinge sprechen die Damen interessieren. Wie Mode und wie hübsche Blumen und wie wohl riechende Öle und hübsche Gestecke.

„Hier wird er nicht weiter lesen, Rufus. Er hasst solchen Frauentand. Wahrscheinlich legt er den Brief bei Seite und tut ihn als unwichtig ab, Rufus. Aber wir müssen dennoch ganz ganz auf der Hut sein falls nicht, Rufus.“

In Zukunft hoffe ich das wir einander nicht enttäuschen und Dinge an die Männer tragen die nur für Damenohren bestimmt sind.

„Ob sie diese Rüge begreift, Rufus? Sie hat alles dem Gaius erzählt. Ich hoffe sie begreift es. Deutlicher sollte ich es nicht schreiben.“

Ich würde euch ganz ganz gerne eine neue Kleidkreation vorführen und würde mich freuen könnten wir uns sehen. Ihr könnt natürlich auch gerne bei uns vorbei sehen gutes Fräulein Kylli und ich backe uns leckere Kekse.

Möge das strahlende Licht Mithras über unsere Wangen streicheln und uns ein Lächeln aus Fröhlichkeit schenken!

Eure Freundin Nestra

Am Ende klopfte Nestra an die Tür, damit der Brief abgeholt und sie endlich aus dem kleinen Gefängnis entlassen werden konnte. Sie konnte nur hoffen, dass dieser Brief sie nicht in Schwierigkeiten bringen würde.
Jeder Kampf findet irgendwann ein Ende. Auch der von Nestra Ganter und den Fischen. Von einem Tag auf den anderen war ihr guter Herr Gemahl nicht mehr Patriarch und die Ehe damit annulliert. Sie hatte ihm keine kleinen Gänse geschenkt und durfte zurück zu ihrer Familie. Nach allem was sie durchmachen musste, war Nestra den Gänsen endlich entkommen können.