Arx Obscura

Normale Version: Im Kerker der Kirche
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Sie war frei! Sie konnte ihr Glück kaum fassen. Eirene hatte gesagt, dass die zweite Zone aufgelöst worden war. Sie konnte gehen. Sie konnte endlich wieder etwas tun, Menschen helfen, die ihre Hilfe dringend benötigten. Tief durchatmend zog sie die Robe über den Kopf und lächelte. Alles wirkte so viel frischer - selbst der Regen wirkte irgendwie willkommen. Es war ein Regen in Freiheit.
Zusammen mit Daranan verließ sie die Insel und machte sich auf den Weg in die Stadt. Sie hatte so viel zu erledigen. Ihre Sachen aus dem Greifenhaus holen. Einen Brief verfassen, dass sie die Möbel der Stube benötigen würde. Carl Gustav aufsuchen. Godwin und nicht zuletzt natürlich Gaius. Greta. Dann musste sie das Haus suchen, welches Eirene ihr beschrieben hatte - für den Heilerbund. UND - natürlich ein Bad. Ein heißes Bad. Doch dazu sollte es nicht kommen.
Als sie zusammen mit Daranan und Rielaye auf dem Marktplatz stand, trat ein in Rot gekleideter Legionär der Kirche heran. Er bat Lyanna mit ihm zu kommen. Es handele sich um ein wichtiges Gespräch, welches nicht warten könne. Sie folgte - warum auch nicht?

Da saß sie nun, die Knie angezogen, die Hände herumgeschlungen, die Stirn daraufgebettet und bibbernd. Sei es vor Erschöpfung oder vor Kälte, sei wohl nicht klar. Jegliches Essen, welches man ihr bringen würde, würde sie unangerührt stehen lassen - ein für die unzähligen Ratten gefundenes Festmahl. Es kümmerte sie nicht. Wegen Hexerei angeklagt, den Scheiterhaufen vor Augen, hatte sie ohnehin jegliche Hoffnung bereits fahren lassen.
"Ihr seid oder wart also die Bettunterlage von Exael Greifenfels?" Die Stimme von Lisbeth hallte in ihrem Kopf.
Nein" hatte sie geantwortet und Lisbeth hatte nur ein abfälliges Geräusch gemacht, als würde sie ihr keinen Glauben schenken. Warum auch. Sie hasste die Medica wie nichts anderes auf dieser Welt, so erschien es ihr.
"Wir haben gewisse Befragungsmethoden die wir anwenden werden. In den nächsten Tagen... vielleicht auch Wochen...." Schweigend hatte es die junge Frau lediglich zur Kenntni genommen. Ihr Blick war leer gewesen.
"Irgendwann werdet ihr geständig."
Lyanna war sich sicher, dass sie diesen Moment ohnehin nicht mehr erleben würde. Die Insel hatte ihr stark zugesetzt. Sie war nicht nur körperlich sondern auch seelisch mitgenommen. Sie hatte kaum Essen zu sich genommen, war geschwächt. Sie war blass, müde und erschöpft. Wenn Lisbeth sich tatsächlich Tage zeitlassen würde, um sich ihr zu widmen, würde sie eine leblose Galatierin vorfinden.
Die Tatsache, dass sie direkt von dem einen Gefängnis ins nächste gelangt war, hatte zusätzlich etwas in ihr gebrochen. Sie hatte immer nur helfen wollen. Einem Volk, welches nicht einmal das ihre war. Bedingungslos. Und wenn das der Dank dafür war - dann wollte Mithras sie wohl nicht in dieser Stadt haben. Dann sollte es wohl so sein.
So schloss sie die Augen und wartet auf die Stunde, an der dieses kalte, nasse und dunkle Loch ihr Grab werden würde.
Wer heute zu ihr in die Zelle tritt und versuchen wird, sie zu einem Gespräch zu bewegen, wird ebenso kläglich scheitern, wie sie zum essen zu bewegen.
Die junge Frau scheint vollkommen in ihre Welt entflohen, der Blick ist starr, die Augen leer. Sie wird auch nicht reagieren, sollte man mit der Hand vor den Augen herumwinken oder sie anbrüllen.
Stattdessen wird sie fortfahren, sich in ihre Ecke zu kauern und ins Nichts zu blicken. Ab und an bewegen sich die Lippen, doch kein Laut kommt darüber. Sollte man sie dennoch ab und an hören, so wird die Sprache unverständlich sein. Geschulten Hörern, mag das Galatisch wohl auffallen - alle anderen werden sich ihren Teil denken.
Auch die Felle am Eingang der Zelle liegen unberührt dort.
Mittlerweile hatte sich die junge Galatierin in Fötusstellung in ihrer Ecke zusammengekauert. Die Haare verfilzt und verdreckt, hingen wirr ins Gesicht und verbargen ihr Antlitz.
Das Essen war nach wie vor unangerührt, sofern überhaupt noch etwas dargereicht wurde.
Wenn sie wach war, murmelte sie leise vor sich hin oder schwieg und starrte, mit nach wie vor leerem Blick, ins Nichts. Sie reagierte auf keine Anrede - wer genauer hinsah, würde feststellen, dass sie dies nicht aus Bosheit tat sondern tatsächlich weggetreten zu sein schien.
Exkremente in der Ecke verströmten einen wohl weniger angenehmen Geruch, waren aber wohl unvermeidbar in einer Situation wie dieser und einer menschenverachtenden Umgebung, wie dieser. Von ihr selbst ging ebenfalls ein eindeutiger Geruch aus, hatte sie das letzte Bad doch nach der Insel nehmen wollen, was ihr aber verwehrt wurde und daher seit mehreren Tagen kein Wasser mehr gesehen.
Zudem scheint sie zu zittern angefangen zu haben, wohl aufgrund der feuchten und kalten Umgebung, da ihr auch keine Licht oder Wärmequelle gewährt wurde. Die Wangen eingefallen, hat das Gesicht eine ungesunde gräuliche Färbung angenommen, die Lippen spröde und leicht bläulich. Immer wieder zieht sie die Nase hoch, die unkontrolliert läuft. Ab und an ist ein Husten und Röcheln zu vernehmen.
Sie scheint am Ende ihrer körperlichen und geistigen Kapazitäten angekommen zu sein und die Grenze des Wahnsinns bereits überschritten zu haben oder kurz davor zu stehen.
[Bild: eb8pyr.jpg]

Ein Zuber. Ein Bett. Licht. Wärme. Und Essen. Frische Kleidung. Lyanna war sich immer noch nicht sicher, wie sie mit diesem neu gewonnenen Umstand umzugehen hatte. Sie traute ihm nicht - wer konnte ihr dies verübeln. Noch vor wenigen Stunden hatte sie noch am Boden einer menschenverachtenden Kerkerzelle gelegen, deren Boden hart und nass war. Ratten tummelten sich überall und es roch nach Exkrementen und anderem.
Und nun...hatte sie ein Zimmer bekommen, in dem es trocken war. Kein Tropfen, kein feuchter Boden. Keine Ratten. Sie war alleine und es herrschte eine so vollkommene Stille, dass sie meinte, ihren eigenen Herzschlag zu vernehmen.
Wieder blickte sich die junge Medica um. Das Misstrauen lauerte nach wie vor in ihrem Blick. Vielleicht wollte man durch nette Behandlung ihr Vertrauen gewinnen um sie dann zu brechen, wenn man es ausgenutzt hatte. Der Fall würde noch viel tiefer sein, als jener vor drei Tagen. Und er würde sie endgültig zerschmettern. Sie war jetzt nur noch ein schwaches Abbild ihrer selbst - hatte die Insel ihr zugesetzt, so hatten diese drei Tage ihr den absoluten Rest gegeben. War es nur ein böses Spiel?
Ihr Kopf war müde von den Gedanken und ihr Körper vermochte sich der Erschöpfung nicht länger erwehren. Bald darauf war sie, die Bettdecke bis zu den Ohren hochgezogen, eingeschlafen.
Der Raum war trockener, aber nicht unbedingt wärmer. Aber sie hatte ein Bett und sie hatte Wasser und Essen und sogar Bücher. Letzteres war nutzlos geworden, sobald die Kerzen heruntergebrannt waren. Als die Kammer wieder in Dunkelheit versunken war, war die Einsamkeit zurückgekehrt und mit ihr die unzähligen Gedanken.
In Ermangelung von anderen Tätigkeiten hatte sie begonnen rastlos in ihrem Raum auf und ab zu wandern und Texte aus längst vergangenen Zeiten zu rezitieren. Gute Nacht Geschichten ihrer Mutter. Heldentaten, die ihre Großmutter zum besten gegeben hatte. Lieder, die ihr Vater bei der Arbeit gesummt hatte. Melodien ihres Volkes.
Wenn sie nicht wanderte, hatte sie sich eingerollt und starrte in die undurchdringliche Dunkelheit, wartend dass jemand kam. Irgendwann hatte sie auch jegliches Zeitgefühl verloren. Lediglich die Darbringung des Essens gab ihr noch so etwas wie zeitlichen Halt, da diese recht regelmäßig erfolgte. Ansonsten war sie in einen trostlosen Trott verfallen. Wandern. Schlafen. Nachdenken. Essen. Wandern. Schlafen. Mehr schlafen. Essen. Wandern.
Und warten. Die meiste Zeit wartete sie einfach nur.
Sie schien wieder angefangen zu haben leicht zu fiebern. Hustete und schnupfte vor sich hin. Das Fehlen von Licht, die Einsamkeit und die Kälte des Verließes, so trocken und angenehm es auch sein mochte, hatten zu ihrem ohnehin bereits angeschlagenen und entkräfteten Zustand von der Insel nicht viel beigetragen. Würde man die Stube betreten, würde sie entweder schlafen oder sich unruhigen Schlafes im Bett herumwälzen.
Zuweilen schaut Lisbeth rein, betrachtet die schlafende und wendet sich wieder zum gehen ab.

Das Essen ist nicht ganz so dröge wie die Umgebung, der leicht fiebernden wird Obst, Brot und zuweilen etwas Aal gebracht.