Arx Obscura

Normale Version: Heimkehr
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Eine kleine Person schlich sich durch die Sümpfe. Nur mit dem notwendigsten bepackt kam sie schnell voran, trotz der Kreaturen, welche darin lauerten. Vermutlich deswegen, weil sie sich heute die Zeit nicht nahm diese zu jagen. Die Spur wäre zu deutlich gewesen. Und solange diese hier herumkrochen, waren eventuelle Verfolger abgelenkt; Ihre Spur somit schwerer zu finden. Vielleicht halfen sie sogar diese zu verwischen. Sie wählte deswegen ihren Pfad schlichtweg durch sie hindurch statt diese weiträumig zu umgehen. "Wenn du rennen musst, wirst du schon früher ankommen", dachte sie schmunzelnd. Trotzdem versuchte sie ihre Kräfte einzuteilen. Der Weg würde lang sein, und dieses war der leichteste Teil. Ein letzter sehnsüchtiger Blick viel auf die nahegelegenen Berge mit Ihren Wiesen und Bäumen, die sanft im ersten Morgengrauen leuchteten. Das alles hatte mal ihren Landsleuten gehört...

Ihr Herz machte einen freudigen Hüpfer, als sie den grossen Graben erreichte. Ein letztes Mal drehte sie sich um. Es war niemand zu sehen. Nur Frösche, Echsen und anderes Getier. Nun galt es diesen zu queren, danach würde ihr niemand mehr folgen. Zumindest nicht rein zufällig. Hatte überhaupt jemand Interesse daran ihr folgen zu wollen? Sie wusste es nicht. Sie hatte sich wenig Feinde gemacht. So wenige wie möglich. Trotzdem war sie zu unvorsichtig gewesen. Zuviel war in letzter Zeit passiert, und zu sehr lag ihr an den neuen Freunden. Die Stadt war ihr von Tag zu Tag enger vorgekommen, die Pflastersteine hatten angefangen zu glühen. Oder war es nur, weil sie dieses nicht gewohnt war? Sie schüttelte den Gedanken ab. Sie durfte ihre Zeit nicht mit Nachdenken vergeuden.
Vorsichtig kämpfte sie sich den Abhang hinab, halb rutschend und immer wieder nach Halt suchend. Schliesslich landete sie platschend knietief im Gewässer. Ihr Blick wanderte über die Schräge hinter Ihr. Es waren kaum Abdrücke zu sehen. Aber lange, flache Riefen, aufgeschürft während ihres Abstiegs. Kaum Kratzer in der Oberfläche, aber eine deutliche Spur für ihresgleichen. Es war nicht zu ändern. Schulterzuckend wendete sie sich dem Flussbett zu. Langsam watete sie flussaufwärts. Eine seichte, breite Stelle oder eine schmale mit schnellfliessendem Gewässer? Sie hätte ersteres bevorzugt, aber die Wände waren zu dicht beeinander, um den Strom allzusehr beruhigen zu können. und ein breiteres Stück zu schwimmen hätte sie viel zu weit flussabwärts getrieben. Womöglich in das nächste Wildwasser hinein.
In der Nähe eines erhöht liegenden Steins teilte sie Ihren Beutel und warf die Taschen einzeln auf die andere Seite. Danach kletterte sie auf diesen und machte einen grossen Satz. Sie überwand die Hälfte des Flusses, bevor sie in das eiskalte Wasser tauchte. Sogleich riss dieses sie mit und zog sie hinunter. Paddelnd und strampelnd kam sie schliesslich prustend und nach Luft schnappend kurz an die Oberfläche. Ein wilder Kampf quer zur Strömung entspann sich, bis schliesslich der Sog nachliess und sie mit letzter Kraft das Ufer erreichte. Schwer atmend betrachtete sie den Fluss. War es auf dem Hinweg auch so schwierig gewesen? Löwenstein hatte sie schwach gemacht. Zu einfach zu Überleben in diesem Rattenloch. Zumindest wenn man den Kopf unten behielt. Hatte Sie sich von diesem Dummkopf anstecken lassen, und schneller gehandelt als zu denken?
Nein - sie hatte nur zu oft auf ihr Herz gehört. Vielleicht ein Geburtsfehler derer, die Mabon geweiht waren. Nach einem tiefen Seufzer machte sie sich daran ihre Sachen wieder einzusammeln. Sie koppelte wieder die Taschen und schnürte die Lederbündel nach einem kurzen prüfenden Blick daran. Danach suchte sie sich eine Stelle zum Aufstieg. Flussaufwärts standen zwei Bäume beeinander. Die Stelle schien geeignet und so warf sie das Seil um den Ersten. Der erste Wurf sass und stolz ruckte sie kurz an dem Seil, mehr um den Halt des Seiles als den des Baumes zu prüfen. Aber nicht das Seil gab nach. Unmerklich neigte sich der Baum, die Wurzeln an der Bergseite hoben das Erdreich leicht an. Dann stand er still, bevor er wieder an seine alte Position zurückschwankte. Bei einer schwingenden Bewegung löste sich das selbstverklemmende Seil und viel zu Boden. Rasch zog sie dieses ein und rollte es in zwei Schlaufen. Der zweite Baum stand etwas weiter entfernt. Sie brauchte drei Versuche bis das Seil schliesslich hielt. Langsam zog sie sich hinauf, sorgsam bedacht keine Spur zu hinterlassen.
Oben angekommen sah sie sich um. Vor ihr lag weit der Sumpf, hinter ihr der Graben und dahinter der Sumpf, den sie schon durchquert hatte. Ein aufflatternder Vogel zog ihren Blick auf sich. Ein Verfolger?
Vorsichtig zog sie sich in die dichten Gräser zurück und verharrte. Tatsächlich war dort eine Person unterwegs. Nach den Umrissen zu urteilen ein Mann, aber auf diese Entfernung unmöglich sicher zu sagen. Er bewegte sich hierhin und dorthin. Die unkoordinierte Pfadsuche deutete eher auf einen Jäger hin, der sich der Plagen des Sumpfes annahm. Aufmerksam beobachtete sie auch den Rest der Umgebung. Es war zwar noch nicht Mittag, aber sie nutzte die Zeit nebenher etwas zu essen und somit auch ihren Ballast zu erleichtern. Keine menschlichen Lebenszeichen. Ihr Blick wanderte wieder zurück zu dem einzelnen Mann. Er war kaum näher gekommen. Selbst wenn er direkt ihrem Weg gefolgt wäre, hätte er wohl eine Stunde gebraucht, um den Graben zu erreichen. Und der Fluss würde sein übriges tun und jeden schwer Bewaffneten oder ungeübten Schwimmer aufhalten oder gar in den Tod reissen. Langsam kroch sie rückwärts und stapfte geduckt im Schutz der hohen Gräser davon.

Als die weiten, flachen Sumpfflächen den hügligeren und tieferen Löchern wichen, stahl sich zum ersten Mal seit langer Zeit ein wahres Lächeln auf ihr Gesicht. Sie hatte nun sogar den offiziellen Boden von Servano verlassen. "Zu Hause", klang es sanft in ihrem Geist. In einer Ecke desselben echote es: "Nicht jeder kann sich so glücklich schätzen." Es versetzte ihr einen schmerzhaften Stich, dass sie sich nicht einmal verabschiedet hatte. Ihre Gedanken drifteten zu jenen, die sie lieb gewonnen. "Wie lange würde er noch im Kerker sitzen." - "Würde die Anleitung den Weg zu ihr finden?" - "Hätte ich abwarten sollen, bis sich die Dinge weiterentwickeln, oder hätte ich sowieso nichts ändern können?" - "Sie werden auch ohne mich zurechtkommen... vielleicht sogar besser?" - "Weiss ich wirklich alles, weswegen ich damals aufgebrochen bin." - "Ich habe es nie geschafft, ein normales, ganzes Gespräch mit Ska zu führen."
Ein leises schmatzendes Geräusch riss sie in die Wirklichkeit zurück. Obwohl sie sich sofort zurückgeworfen hatte, zog der Untergrund unaufhörlich an ihrem Stiefel. Erst als sie sich hingesetzt hatte und keinerlei Gewicht mehr auf ihm lastete, gelang es ihr diesen wieder aus der dunklen Masse zu befreien. "Du solltest besser auf dich selbst aufpassen", schalte sie sich leise, und ein nahesitzender Vogel stimmte ihr mit halblautem Geschnatter zu.
Unaufhörlich wanderte sie über die immer enger werdenden Pfade, und immer vorsichtiger. Fester Untergrund wich weichen Böden, Steine wurden immer seltener und viele wären tödliche Fallen, die bei Betreten zur Seite wichen oder gar im Boden versanken. Nur ihr jahrelang geschultes Auge bewahrte sie vor Fehltritten. Die Dämmerung brach herein und raubte ihr einen Teil der Sicht. Sie überlegte kurz, ob sie bis zum nächsten Tag rasten solle oder zumindest eine Fackel entzünden. Sachte schüttelte sie den Kopf, wie um sich selbst zu überzeugen. "Du kannst ihn nur im Dunkeln finden..." Das Mondlicht musste reichen. Vorsichtig setzte sie Schritt für Schritt während der Boden immer saftiger wurde und sich der Sumpfoberfläche stetig näherte. Keine Fackel würde nun mehr helfen. Schweigend stand sie an der Grenze, bei der der Boden sich verlor und sich ihre Stiefel in das Wasser begeben müssten. Aber in ihrem Inneren schrie es: "Wo bist du?" Sie wendete ihren Blick in alle Richtungen. Selbst in jene aus der sie gekommen war. Nichts.

Seufzend blickte sie wieder nach vorn - und da war es. Ein sanftes Glimmen lag nahe vor ihr. "Willkommen alter Freund", hauchte sie ihm lächelnd zu, obwohl sie wusste, dass Worte nicht nötig waren. Langsam schritt sie auf das Irrlicht zu. Dieses wich stetig zurück und sie folgte ihm durch die Nacht.

Lange bevor die Morgendämmerung hereinbrach fühlte sie wieder festeren Boden unter den Füssen. Das Irrlicht begleitete sie aber weiterhin bis in ihr wohlbekanntes Gebiet hinein. Als das Irrlicht langsam anfing zu verblassen und die ersten Strahlen der Sonne die Hügelkuppen sanft erleuchteten, murmelte sie: "Ich danke dir! Könnte sie doch wissen,
dass ich gut angekommen bin...".


Nur kurze Zeit später landet ein Rabe vor einer wohlbekannten Taverne. Er schaut durch das Fenster und erkennt eine zierliche schwarzgelockte Person, die wohl noch schläft. Sogleich lässt er eine Miniatur eines Vogelnestes auf das Fensterbrett fallen. Dann krächzt er zweimal glücklich, schwingt sich auf und fliegt davon. Bei näherer Betrachtung kann man kleine silberne Harpyienfedern eingeflochten erkennen, die genauso wie das Vogelnest viel zu klein erscheinen.