Arx Obscura

Normale Version: Neue Wege
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Der warme Sommerwind weht Ihm ins Gesicht und treibt die blonden Haare in wildem Spiel durch die Luft. In seiner Nase liegt der wohlig heimatliche Geruch der salzigen Brandung welche sich zu seinen Füßen an den Felsen bricht. Das Rauschen der Gewalten läßt Ihn fast abgeschieden von allen anderen Geräuschen zurück und wird nur durch das schrille Geschrei einiger Möwen durchbrochen, welche sich um einen Fisch streiten der Ihnen zum Opfer fiel. Der Blick der stahlblauen Augen sucht die Ferne, steift über den Horizont und scheint fast als würde er auf etwas warten. Der junge Mann sitzt ruhig da während die Zeit verrint und zieht sich doch wie frisches Harz welches an der Rinde eines Baumes hernieder rinnt. Und es ist fast als wäre er es, den das Wachs dort einfangen will, einschließen in einem Tropfen, konservieren und so aufbewahren für die Ewigkeit, so wie die Bernsteine welche von Zeit zu Zeit an der Küste angespült werden. Aber, will er dies? Will er denn ewig hier bleiben? Sollte er es nicht seinem Bruder gleich tun und aufbrechen um mehr von Amhran zu sehen und sich zu beweisen?

Das Leben in Candaria wirkt doch meist wie eines unter einer Käseglocke. Kaum dringt etwas von aussen nach innen, abgeschottet wirkt man, und seit der Keuche und den geschlossenen Grenzen hat sich dies nicht wirklich verbessert. Dennoch, er liebt das Leben auf dem Weiler, er liebt die Nähe zu seiner Familie, so wie es einem jeden Candarier eigen ist. Auf der anderen Seite jedoch will er neues sehen und sich beweisen. Sein Herz ist schier zerrissen ob dessen was er um seiner Zukunft willen zu entscheiden hat. Seit Mondläufen quält er sich mit diesen Gedanken und wagt es doch nicht den nächsten Schritt zu tun.

Seine Eltern, würden Sie ohne Ihn auskommen? Wahrscheinlich. Und seine Schwester? Sie war nicht mehr die kleine zerbrechliche Blume, sie war nun gereift und konnte auf sich selbst achten. Er musste den nächsten Schritt machen, und dies würde er nun tun. Ja, er musste es, es war der nächste sinnvolle Schritt, hin zu dem was er sich für sich erhoffte. Aber wo sollte man die Reise beginnen? Allerorten hört man von Löwenstein, diesem Schmelztiegel der Kulturen. Dort würde er den neuen Abschnitt seines Lebens beginnen können ohne aus der Masse heraus zu stechen als Fremder. Das würde Ihm den Beginn wohl erleichtern.

Er erhob sich, nahm nochmal einen tiefen Atemzug und warf einen Blick auf die brausenden Wellen. Dann machte er sich auf den Heimweg. Er würde noch vieles zu erledigen haben, denn es hieß nun alles vorzubereiten.

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Aufgebracht und enttäuscht hatte er das Haus verlassen. Mit schweren Schritten passierte er das kleine Holztor vor dem Hause, ging die Straße hernieder und bog dann gen Links, in das kleine Wäldchen ab. Die Sonne hatte sich bereits hinter den Horizont gesenkt und den Himmel in ein scheinbares Flammenmeer verwandelt. Das schimmrige Abendlicht ließ seine grimigen Züge noch finsterer aussehen. Und doch schimmerten in den Augen kleine Tränen. Selten hatte er seinen Vater so stur erlebt und nie sich so mit Ihm gestritten. Warum er denn fort wolle? Warum er meinte sein Glück nicht auch daheim zu suchen? Ob er meinte das es nicht reiche einen Sohn verloren zu haben? Dabei war sein Bruder doch nicht tot, es gab nichts was diesen Schluss zuließ. Ja, er war schon seit langem ohne eine Zeile von Sich fort, aber so musste es doch nicht heißen er sei bereits vor der Zeit bei den Göttern. Die Mutter hatte nur stumm am Tisch gesessen und sich schweigend Ihren Teil gedacht und das Zwiegespräch verfolgt. Es endete scheinbar im Streit und der Vater warf seinem Sohn beim verlassen des Hauses den alten Degen nach. „Hier, werd Glücklich damit..!“

Nun war er angekommen an dem alten Baum, wo er mit seinem Bruder und den anderen Knaben aus dem Weiler, noch vor wenigen Jahren so viele Abenteuer hatte beginnen und enden sehen. Er ließ sich am Stamm des Baumes hernieder gleiten und legte den Degen neben sich. Die Augen schlossen sich und kleine Tränen rannen hernieder. Ein tiefer Atemzug, fast ein Schluchzen. Er schwelgte in Erinnerungen an die alten Zeiten, an jene Tage als er noch ohne Sorge und Kummer war. Als er noch keinen Grund sah die liebe Heimat zu verlassen. Dann suchte er sich zu fassen. „Ich fliehe nicht, ich gehe nur meinen Weg! Und ich muss mir nichts Vorwerfen lassen. Und ich kann doch nicht wie ein kleiner Junge weinen…!“ Raunte er zu sich selbst. Die Augen wieder öffnend schaute er voran und entdeckte einen Raben vor sich. Dieser trippelte über den Schotterboden, schaute zu Sargis und legte den Kopf schief. Für einen Moment schien es als würde er Ihm direkt in die Seele schauen. Dann hob er das Haupt und ein grelles Krächzen verließ den Schnabel, hinauf zum Abendhimmel. Der Vogel schaute wieder hernieder zu Sargis, deutet etwas wie ein Nicken an und schwang sich dann auf um irgendwo in der Krone des Baumes zu verschwinden. Kurz sah der junge Mann Ihm nach, seufzte und erhob sich langsam. Den Degen hinter den Gurt klemmend machte er sich wieder auf den Heimweg. Die Nacht war herauf gezogen und die Kaminfeuer schienen bereits durch die rechteckigen Fenster der Häuser als er aus dem Wäldchen auf die Straße trat. Er würde nochmal mit seinem Vater reden, es musste doch einen Weg geben nicht im Streit auseinander zu gehen. Das Pantheon würde es wollen.
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Er lag in seinem Bett, den Blick gen Decke gerichtet und das Licht und Schattenspiel des Kerzenscheines beobachtend. Die Mücken und Nachtfalter schwirrten an der Decke umher und schienen Ziellos auf der Suche nach etwas zu sein. Die Arme hinter dem Kopf verschränkt ließ er das zurückliegende Gespräch Revue passieren. Es schien als habe sein Vater Ihn nun verstanden, ob er jedoch gänzlich mit seinem Plan einverstanden war, das würde sich wohl noch zeigen müssen. Das Gespräch war ruhig und völlig gegensätzlich zu dem Ersten verlaufen. Seinem Vater schien klar geworden zu sein das er die Ambitionen seines Sohnes nicht ersticken konnte ohne Ihn zu verlieren, somit hatte er nachgegeben, bevor er wohlmöglich nochmals einen Sohn auf ewig verlieren würde. Nachdem Sie dann noch einen Kelch Roten geleert hatten waren alle zur Nachtruhe gegangen. Und doch trieben Sargis noch Gedanken um. War es die richtige Entscheidung gewesen? Würde er wirklich glücklich werden? Aber, das hatte er denn zu verlieren? „Jeder ist seines eigenen Glückes Schmied..!“, das hatte sein Großvater Ihm als Junge schon gesagt und auch sein Vater hatte das immer wieder kund getan. Nun, dann würde er sich aufmachen um selbst auf der Esse des Lebens geschmiedet zu werden, nach den Wünschen und Plänen der Götter.

So in Gedanken versunken umschlang Ihn alsbald die Müdigkeit und der Schlaf entriss Ihm dieser Spähren und brachte Ihn in seinen Träumen an andere Orte. Er fand sich wieder am Rande des Reisser-Kliffs. Jenem Ort an dem schon so viele Seelen Ihre letzte Ruhe gefunden hatten in den tosenden Stürmen, welche Ihre Schiffe auf die Riffe vor dem Kliff hatten auflaufen und sinken lassen. Die Brandung toste brausend gegen die Felsen und die fast haushohen Wellen schienen alles vernichten zu wollen was Ihnen in den Weg kam. Hier und da ragten noch ein stolze Masten aus dem Schaumgekrönten Wasser und zeigten wie hilfesuchende Hände gen Himmel hinauf. Blitze zuckten vom aufgewühlten und tiefschwarzen Himmel hernieder und tauchten die Landschaft für einen Moment in gleissendes Licht und schufen so unwirkliche Gebilde. Einen Augenblick dachte Sargis er hätte etwas dort unten bei einem der Felsen gesehen, einen Schatten, eine Gestallt, was wie ein Mensch, dem Meer entstiegen und doch anders, es sah aus als trüge er Schwingen auf seinem Rücken. Eine Harpy wohlmöglich? Er duckte sich und schon krachte wieder ein Blitz hernieder gefolgt von lautem Donnertosen. Und neuerlich hatte er etwas gesehen, es kam auf Ihn zu. Es schauerte Ihn und die Muskeln krampften sich. Der Regen traf Ihn unaufhörlich ins Gesicht und hatte bereits die Kleider vollkommen durchnäßt. Und wieder, ein Blitz, doch diesmal keine Gestalt zu sehen. Da spürte er etwas, eine Hand auf der Schulter. Er erschrak, wandte sich erschrocken um und ein gleissendes Licht raubte Ihm den Blick. Er blinzelte einige Male, dann ließ das Licht nach und die Welt um Ihn wurde wieder klarer. Das Tosen und Dröhnen war verschwunden. Stattdessen schien er nunmehr auf einem Felde, irgendwo auf Amhran. Die Vögel zwitscherten, es war wohlig warm, es musste ein Spätfrühlingstag sein. Vor Ihm stand ein Pferd, doch wahrlich kein normales. Große Schwingen befanden sich auf seinem Rücken. Strahlend Blaue Augen schauten Ihn an aus dem Gesicht mit dem samtig weichen und strahlend weißen Felle an. Es schien als würde es Ihm etwas deuten wollen mit dem Blick. Er verstand, wortlos, und stieg auf den Rücken. Das Tier trug Ihn einige Meter auf dem Feld und er spürte die unbändige Kraft des Tieres unter sich. Es machte einen Sprung und erhob sich mit einigen weiten Schlägen der Flügel hinauf gen Himmel. Die Welt unter Ihm wurde immer kleiner und kleiner. Die Gebirge kamen näher und die Wolken tanzten um Ihm. Dann vernahm er eine leise Stimme, fast wie ein Wispern welche immer lauter zu werden schien „Geh deinen Weg, lass dich nicht abbringen..!“, und immer wieder wiederholte sich dieser Satz. Das Tier glitt dahin und der Wind sauste den Satz untermalend in seinen Augen und warf die Haare in wildem Spiel hinter Ihn. Dann begehrte das Tier auf, stieg und er fiel hernieder vom Rücken, tiefer und tiefer. Der Boden raste auf Ihn zu, er sah die schroffen Felsen immer klarer auf welche er zusauste und er erschrak. Doch, dann, er erwachte in seinem Bette. Den Blick um sich fliegen lassend saß er aufrecht im Bett, Schweiß rann über die Stirn und der Atem ging schnell. „Ein Traum, es war nur ein Traum, welch ein Glück…“, meinte er zu sich und erhob sich aus dem Bette.
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Der Morgen war gerade dabei langsam zu dämmern als Sargis seinen Rucksack mit den letzten Dingen füllte und sich die Wanderstiefel über die Füße zog. Er hatte diese Nacht kaum geschlafen und war immer wieder der Frage nach gegangen was Ihn wohl in Löwenstein erwarten würde. Nie war er zuvor in solch einer großén Stadt gewesen, sicherlich hatte man Ihm schon viel erzählt un berichtet, so wie man Ihm Lesen und Schreiben und Anstand gelehrt hatte, aber dennoch war es ein vollkommen anderes Leben als jenes hier im Weiler, wo Jeder einen Jeden kannte. Aber, wie dem auch sei, nun war es nicht an der Zeit darüber neuerlich nachzusinnen. Er verließ seine Kammer und trat in die Küche. Seine Eltern saßen am Tische, erhoben sich und sahen Ihn mit traugigem Blicke an. Neuerlich ein Sohn der ging.

Von seiner Schwester hatte er sich bereits verabschiedet. Sie hatte mehr Verständniss gezeigt als die Eltern, hatte Ihm alles gute gewünscht und würe Ihn mit sicherheit einmal in Löwenstein besuchen.

Er schob sich rasch zwei Kanten Brot mit Leberwurst in den Mund, trank noch einen Schluck Milch und warf sich den Rucksack auf den Rücken. Dann nahm er seine Mutter in den Arm und auch seinen Vater. „Du wirst deinen Weg machen mein Sohn, und sei dir gewiss das hier stets ein Bett für dich frei sein wird!“, meinte sein Vater noch auf der Türschwelle zu Ihm. Dann folgte ein tiefer Atemzug, ein Blick durch den Hof und er wandte sich nochmal um, zum Abschied die Hand hebend. Seine Mutter wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel und erwiederte die Geste, während sein Vater nur schweigend und stoisch da stand. Sargis spürte die Zweifel in sich, wie sie ihn hier halten wollten und es ihm schwer machten sich ab zu wenden und seinen neuen Weg zu beginnen. Er zwang sich dann sich um zu drehen und machte den ersten Schritt, durch die Pforte, den Weg hinab, aus dem Weiler, hin zum Wäldchen und weiter den Handelsweg entlang bis dieser in die Handelsstraße münden würde. Er rechnete mit etwa anderthalb Tagen weg bis Löwenstein. Umso weiter er sich entfernte von Daheim, umso mehr nahmen die Zweifel ab und die Neugierde siegte und fast wie von selbst fügte sich Schritt an Schritt und er freute sich gar auf die kommenden Aufgaben und Herausforderungen.