FSK-18 Silbermond und Pferdewagen
#1
Sie hatten sich in Löwenstein eingefunden, ein Lager aufgeschlagen, ihre Kochtöpfe über die Feuerstellen im Armenviertel gehängt und kamen ganz gut zurecht. Das konnte zumindest Lhaki behaupten, sich mittags aus den Fellen und bunten Tüchern erhebend, streckend und ihre Runde durch Löwenstein antretend. Soviel dummes Volk wie hierzulande hatte sie selten zuvor angetroffen, fett und vollgefressen liessen sie sich nahezu auf jeden Unsinn den sie ihnen zu unterbreiten pflegte ein und bezahlten sie sogar noch dafür.
Nur manchmal, es bereitete Lhaki immer noch leichtes Unbehagen, geschah es, dass sich tatsächlich die Nebel hoben, sie in eine Art Trance geriet und Dinge sah und fühlte die jenseits der Realität zu liegen schienen. Ihre Mama, Romina die Schöne hatte ihr diese Gabe vermacht und unterwies sie in ruhigen Momenten der Silbernächte hierin, sie mahnend und leitend die Zeichen in der Einheit der Götter deuten zu können.
Barfüssig schlenderte sie über das Kopfsteinpflaster Löwensteins, leise singend vom Klimpern der Glöckchen und Schellen begleitet, vorbei an den Stadtwachen, jene mit ihrem kecken und fröhlichen Blick bedenkend, hin zum eifrigen Treiben des Marktplatzes, hin zu den vielen bunten Auslagen der verschiedenen Händler, Bauern und Handwerkern, rasch einen Apfel oder ein Stück der Kuchen stiebitzend, stets ein fröhliches Lächeln aufsetzend, ihr Tageswerk beginnend denn, nur allzu gierig schien das Volk Löwensteins auf ihre weissagenden Empfehlungen zu sein, wer würde den größten Kürbis ernten, wer die liebliche Magd freien und wer dem nahen Tode von der Schippen springen können? Alles Dinge die Lhaki zu beantworten wusste.


[Bild: 1002723_473576982716826_1121938599_n.jpg]
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#2
Die Sonne stand bereits hoch als sie ihre Augen aufschlug und sich räkelnd die bunten Decken und Kissen beiseite schiebend aufsetzte, und zum Zelt hinausblinzelte. Ihre Leute waren bereits wieder in alle Himmelsrichtungen entschwunden, ihren Beschäftgungen nachgehend, umtriebig sein, wie Mama Romina es nannte. Sie genoss die Ruhe die ihr gerade blieb, ließ sich zurück in die Decken sinken, die Augen gegen die bunte Zeltdecke gerichtet, über die letzte Nacht nachsinnend. Das Wasser, das Bad, die Sterne und der Silbermond der ihr den Weg gewiesen hatte kam ihr in den Sinn, die letzten warmen Tage und sein Blick. Mit einem leisen Lächeln erhob sie sich, lief mit leisem Glöckchengeläut, lief zur Feuerstelle um nachzusehen ob Mama wieder Vögel gebraten hatte, doch nichts schien drauf hinzuweisen. Lediglich die Spinnweben des Spätsommers die im sanften Wind dieses schönen späten Sommertages zitterten schienen sich der Stille des Lagers anzupassen.
Lhaki zog einige der bunten Tücher von der Wäscheleine, schlang sie um ihre Hüften und zog lächelnd los, so ein Tag musste genossen werden.....

[Bild: SpiderBokeh3_zpsda60e0a2.jpg]
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#3
Löwenstein war ein Hort gefüllt mit Schmeißfliegen, Dreck, Gestank, Niedertracht, Verrat, Arroganz, Glauben, Hoffnung und Liebe. Und ich war mittendrin, las den Hoffnungslosen aus der Hand, bestahl die Reichen, lernte mit dem Bogen umzugehen und verliebte mich in Einar. Seine zähe und doch zärtliche Art nahm mich gefangen, zeigte mir eine Welt, die mit Löwenstein nichts gemein hatte und mich Sphären beschreiten ließ, von denen ich noch nicht einmal geträumt hätte.
Doch neben dem Leben mit Einar mischte sich das der Unterwelt in die ich immer wieder zu stapfen schien. Ich hätte die Finger von Konstantin lassen sollen. So betörend dieser Mann auch zu sein schien, so tödlich waren seine Frauenbekanntschaften, eine davon die Rote Elda, ehemalige Hure, Bedienung in der Taverne zum Hängenden Wachmann und Gespielin. Ein Weib, welches meinen Sinn von Ehrlichkeit nicht zu teilen gewillt war und mich ob meiner Beichte, nicht mehr aus ihren wachsamen Augenwinkeln lassen wollte. Aye, ich versprach ihr, ihn nicht mehr wieder zu sehen, doch bezog sich dieses Versprechen nicht auf simples Handlesen sondern... !!! Nun, sie machte keinen Unterschied.. drohte mir an, das Schicksal eines Fisches mit aufgeschlitztem Bauch zu teilen, sollte ich Konstantin's Hand auch nur noch einmal in der meinen halten . Doch wie sonst sollte ich ihm die Zukunft, die er doch so innig zu wissen verlangte offenbaren? Ganz davon zu schweigen, dass einer Erbin Laskandor's nicht auf solch fatale Weise gedroht wird... ein Fluch würde es bereinigen dieses unschöne Übel, die Weiber Löwensteins würden schon merken, was es ihnen einbrachte mit einer Violcatochter zu streiten.
Und ich machte mich im frühen Morgengrauen auf den Weg zum Steinkreis......


[Bild: Lhaki777.jpg]
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#4
Was wussten sie schon von uns, was wussten sie von dem Gefühl, dass einem die kältesten Schauer durch Mark und Bein trieb während wir durch die Nebel blicken, und hinter so manchem den Tod sahen. Was wussten sie davon? Nichts als abfällige Blicke, einfältiges Murren, ja sogar Beschimpfungen wie "Ketzer und Hexe " müssen wir Tag für Tag über uns ergehen lassen. Wenn Dummheit mächtig wird, ist es Zeit zu gehen. War es nicht bald schon so weit? Doch waren die Grenzen verschlossen und wir weiter gefangen inmitten des Pöbels und dessen garstigen Stimmungen.
Stets führte ich mir die Worte meiner weisen Mutter vor Augen, die da stets mit einem entrückten Lächeln gesprochen wurden : " Lhaki, Kind, vergiss nicht, als deren Vorfahren noch auf den Bäumen saßen und Käfer fraßen, wanderten die unseren bereits dichtend und singend über die Strassen der Welt!"
Diese Worte stärkten mich und ließen mich über die Mauern dieser stinkenden Stadt wachsen, ließen mich tanzen und singen in all der Herrlichkeit die die Götter uns geschenkt haben.

[Bild: gypsies.jpg]
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#5
Oh Ihr Götter, weshalb kann ich mein eigenes Schicksal nicht lesen, weshalb nur das der anderen? Noch am Morgen erwachend schien der Tag golden und wunderbar, doch bereits am Abend hing mein Leben an einem seidenen Faden.
Die Rötröcke schlugen uns brutalst nieder, zerrten uns in ihr Verliess unterm heiligen Tempel. Der Geruch von modrigem Gestein, die Luft erfüllt von Angst und Todesahnung erfüllte die dunklen Gemäuer tief unterhalb Löwensteins. Warum kämpfte Mithras mit solcherlei Waffen, war er so schwach, dass er sich solcher Brutalität bedienen musste?
Meine Panik wuchs in Unermessliche, eingesperrt zu sein, tief unter der Erde war für das Fahrende Volkes das Schlimmste was ihm nur zustoßen konnte. Nur Einar's furchtlose Gegenwart ließ mich nicht vor Angst sterben, hielt meinen Atem in Gange, selbst, als ich von ihm getrennt wurde, verprügelt und letzlich die Hexenprobe durchstehen müssend, gefesselt ins Hafenbecken getreten wurde.

[Bild: verlies-03.jpg]

Die Götter sind gnädig und lassen so manch schlimmen Moment undeutlich werden, ja verzerren, nehmen einem die Alpträume und tauchen es in milchig weiche Watte. So auch als ich in Einar's Armen erwachte, wieder in Freiheit, nur grob erinnernd was geschehen war, mir nur allmählich meiner geschwollenen und aufgeplatzten Lippe und der blaugrünen Hämatome auf meinem Leib bewusst werdend.
"Warum bist du nicht weggelaufen Lhaki", fragte mich Einar erschüttert, seine Hand über mein Haar streichend. Doch wie hätte ich laufen können während sie ihn gefangen nahmen? Nie würde ich das können, sollte kommen was wolle.
Diese Fanatiker, brutal und lebensverachtend, sie waren Mithras so fern wie es kaum mehr möglich war.
Ich lag bei Einar, inmitten der Felle mich an ihn schmiegend und betete zu den Göttern, leise unter stillen Tränen.
" Ich lege das Leben unseres Kindes in Eure Hände, lasst es nicht sterben," und legte meine Hand auf Einar's, welche schützend auf meinem blaugrünen Leib ruhte.
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#6
In den Händen anderer lesend, das war es, womit ich die Tage zubrachte. Die Menschen lechzten gerade dieser Tage nach Trost, ein zuversichtliches Wort, und auch wenn die Nebel sich nicht immer hoben, hatte ich doch für jeden einen Weg der gewiesen werden konnte und strich zudem noch ein Münzlein ein. Ich sehnte mich nach Mama Violca's beruhigender Hand, ihrer rauchigen Stimme, wünschte mir wieder das kleine Kind zu sein, welches nur folgen muss ohne eigene Verantwortung zu nehmen. Doch sie war umtriebig, so sagten die anderen, sie würde schon noch auftauchen. Ich wünschte mir die Weiten der Strasse herbei, den offenen Sternenhimmel, unsere wechselnden Lager. Die Häuser Löwensteins bedrückten mich, pressten mir beinahe die Luft aus dem Lungen und wäre da nicht Einar's Liebe und Fürsorge gewesen, wüsste ich nicht wie dies zu ertragen wäre.
Doch nun lag nicht nur die Enge der Stadt auf meinem Gemüt, sondern auch ein untotes Wesen welches die Stadt zu verfluchen schien. Tod und Verdammnis lag in der Luft, Branwen selbst schien mir den Weg zum Rabenlager gewiesen zu haben als ich, während der Jagd auf dem Harypienkamm seinen Schatten in den Nebeln vernahm und folgte, um so Einar und seinen Wölfen in die Arme zu laufen. Die Söldner schlugen ihr Lager nahe des geweihten Boden auf, sinnend was zu tun sei, die Stadt schien in den Händen der Verdammnis zu sein?
Panik keimte auf, was war mit meiner Sippe, Mama, Kasi, mein kleines Schwesterlein?? Ich musste sie suchen!!
Mich an Einar's Hand klammernd blickte ich durch die schmalen beschlagenen Scheiben der Herberge, hinaus über das Dickicht und wieder sah ich ihn.. schimmernd im Licht des frühen Morgens... Branwen, ein Trugbild oder Wirklichkeit, es scherte mich nicht, dankbar für die Zuversicht und das Leben was noch durch uns alle pulsierte.

[Bild: Branwen77.jpg]
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#7
Entgegen aller Vernunft beschloss ich zurück in die Stadt zu kehren, zu sehr nagte die Unruhe und Sorge um Einar und meine Sippe. Dieses untote Wesen war nicht besiegt und es widerstrebte mir zunehmend, mich im Wald zu verstecken, während die Meinen womöglich in Gefahr, oder gar dem Tode nah um Hilfe riefen. Das Wolfsfell, welches als Schlafstatt gedient hatte, wurde geschultert, die kühle Luft einatmend legte ich den Weg vom Rabenlager zurück, mit angelegtem Bogen den grauen nebligen Tag nutzend, schliesslich ungesehen Löwenstein erreichend. Leise schlich ich durch die Gassen des Alten Hafens, jeden Augenblick des Schreckens bewusst, vor kleinsten Geräuschen aufschreckend, stets die tödliche Gefahr im Rücken wägend.
Die Stadt schien ausgestorben, keine Menschenseele war zu sehen. Als hätte das Wesen alle in seine Dunkelheit gerissen wurde mir bang ums Herz und ich beschleunigte meinen Schritt, den Bogen fest in der Hand

[Bild: town3.jpg]

Das Lager der fahrenden Leute war verlassen, die Feuer nahezu erloschen, keine gebratenen Krähen, kein Singen oder Rasseln der Schellen war zu hören, eiligst weiter durch die Gassen huschend, die Schatten nutzend, mich in die Ecken drückend vorwärts bewegend, hin zu Einar's Haus, meine angstvollen Sorgen nicht zuende denkend...

[Bild: town1.jpg]
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#8
Der Herbst ging, der Winter kam und ich war den Landstrassen Servano's gefolgt, auf der Suche nach meiner Sippe, nach Mama Violca, nach Kasimir und den anderen Violca und Gaspar's. Löwensteins Mauern hatten mich erdrückt, das fahrende Volk gehörte nicht hierher, unser Blut rief ständig nach Bewegung, dem Umherziehen, niemals länger als nötig verweilen, war das Sinnen eines jeden unserer Leute. Doch war mein Herz schwer und zerrissen, die Stadt zu verlassen, bedeutete auch Einar zurückzulassen.
"Blut ist dicker als Wasser", hatte Mama Violca stets gepredigt, die Sippe stets allem voraus gehalten, nichts und niemand konnte wichtiger sein.
Getrieben von Sehnsüchten und ewigen Gewissensbissen strich ich durch Servano, verdiente mir meinen Unterhalt mit Handlesen und dem Lesen der Zukunft, stets bedacht rasch weiterzuziehen, nicht aufzufallen und dem allzuraschen Wurf in den Kerker zu entgehen. Mondläufe später nun, fand ich mich gestern unverhofft vor den Toren Löwensteins wieder, gar als hätte mich ein unsichtbarer Faden geführt. Dieser Tatsache so plötzlich bewusst werdend, dass er mich aus seinem Leben verbannt haben könnte, fühlte ich eine bleierne Übelheit aufsteigen. Hatte ich Närrin mein Glück verspielt, mein Schicksal nicht erkennend und Traditionen gefolgt, die nicht mehr die meinen zu sein schienen? Langsamen Schrittes nahm ich den Weg zu seinem Haus auf, bangend, ahnend, dass nichts mehr war wie zuvor, fand ich mich davor stehend wieder, die Tür verschlossen, das Hausschild ein anderes als zuvor.
Ich weiss nicht mehr wie lange ich brauchte um ihn zu finden, erinnere mich heute nur des kalten Windes welches durch die Gassen pfiff, seiner Hände die unverhofft in meine glitten und sah nur noch ihn.


[Bild: land1.jpg]
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#9
Unser Glück stand auf Messer's Schneide, doch fanden wir wieder zusammen, das Vertrauen erneuernd flogen unsere Herzen einander zu. Alles, was mich bisher belastet hatte, fiel von mir ab, ja sogar das stete Verlangen mein flatterndes Herz auf einer Strasse zu wissen, meinen Leuten nah zu sein verflüchtigte sich, wenn Einar bei mir war. Und als hätten wir endlich das Richtige getan, öffneten sich uns Wege, die bislang nicht zu sehen waren.
Einar mietete uns ein Haus, ausserhalb der Stadt, nahe der Strasse, geborgen angelehnt an einen Berg, inmitten der Stille der Natur.
Eine Zuflucht, ein Ort an dem wir tun und lassen konnten, was wir wollten.
Wir genossen die Zeit die uns wieder geschenkt wurde, beseitigten, was uns unser Glück stehlen wollte und dankten den alten Göttern.
Die Grauwölfe nahmen mich in ihre Gemeinschaft auf, ich kochte für sie, wenn man mein geringes Können als Kochen bezeichnen mochte. Zumindest liebte Marquard die Linsensuppe mit Hering, und die anderen taten zumindest so, als würde es ihnen schmecken. Ich mochte die Wölfe, ein harsches, doch vertrauenswürdiges Pack.
Inara, unsere Nachbarin, lehrte mich die Grundlagen der Landwirtschaft, gab mir ein kleines Feld, welches uns trotz des Winters Kohl und Zwiebeln schenkte.
Vergessen war die graue Trauer der Vergangenheit.
Vor uns lag nur das Leben und vielleicht sogar das Kind, welches uns einst genommen wurde.
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#10
"Woher kommen die Schmerzen, es ging mir doch schon so gut, diese verfluchten Krämpfe, doch da, die Farben, sind es Mama Violca's Tücher die da wehen? Ich hätte die Pilze nicht essen sollen, doch der Heisshunger war so groß - wo ist nur Einar, o Einar, ich will nicht ohne dich gehen.. diese Krämpfe, mir ist so heiß und kalt zugleich... Mama, Mama Violca, Kasimir!! Oh Kasi.. aye, ich mache mich auf, bald bin ich da..."

* und wenn Einar das Haus betreten wird, wird seine Lhaki bereits bleich und kalt sein, in der Hand das bunte Tuch ihrer Mutter haltend, die Augen geschlossen, wohl bereits vor Stunden auf dem Weg zu den Göttern.*

[Bild: 284461_345569852200798_445057208_n.jpg]
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